Essen. . Lange galt Vinyl als tot. Bei einem Hersteller für die schwarzen Scheiben angestellt zu sein, war kein Vergnügen. Aber wenn Patrick Roll von der Pallas-Gruppe heute über aktuelle Produktionszahlen seines Arbeitgebers spricht, schwingt ein Hauch von Euphorie in seiner Stimme mit.

Patrick Roll vom Pallas-Kundendienst nennt die Zahl vier Millionen und fügt im selben Atemzug hinzu: „Sie könnte noch höher sein, wenn wir über größere Kapazitäten verfügen würden. Allein zwischen 2008 und 2013 hat sich unsere Produktion verdoppelt, in diesem Jahr wird es noch etwas mehr.“ Pallas ist Deutschlands letzte große Schallplattenfabrik – und die erlebt ihren zweiten Frühling. Ausgerechnet die Schallplatte, deren Tage mit dem Aufkommen der CD gezählt schienen, ist wieder schwer angesagt.

Das ist überall zu spüren – auch in Essen. Eva Pawlak, Geschäftsführerin des gleichnamigen Hifi-Spezialisten, vermutet hinter dem Aufschwung einen ganz einfachen Grund: „Die Platte ist der einzige Tonträger, den ich auch in 1000 Jahren noch abspielen kann. Bei der CD wird es nach etwa 30 Jahren schon kritisch.“ Kunden aller Altersklassen besuchen den Familienbetrieb mit 13 Mitarbeitern, um sich mit Abspielgeräten, Zubehör oder Ersatzteilen zu versorgen. Das habe lange Zeit hauptsächlich für Platten-Liebhaber der älteren Generation gegolten. Deshalb will Pawlak auch nicht von einer Wiedergeburt oder einem Revival sprechen: „Wer schon immer Platte gehört hat, der ist dabei geblieben. Sie war nie richtig tot.“

Das besagt auch die Umsatzentwicklung. Die pendelte dem Bundesverband Musikindustrie zufolge zwischen 2004 und 2009 zwischen sechs und acht Millionen Euro, 2012 waren es 19 Millionen Euro, im vergangenen Jahr sprang die Zahl auf 29 Millionen Euro. Eine prächtige Entwicklung, wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Die CD bewegt sich immer noch über der Schallmauer von einer Milliarde Euro, verliert aber seit 2005 konstant an Boden.

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Pawlak und Roll sind sich auch in diesem Punkt einig: Das digitale MP3-Format hat den schwarzen Scheiben den Weg zurück zum Massenmedium geebnet. „Die Schallplatte hat einen ganz anderen, viel wärmeren Klang. Und man kann wieder etwas in der Hand halten. Die MP3-Datei ist dagegen eher ein Wegwerf-Produkt“, argumentiert Roll, Pawlak wird noch deutlicher: „Bei der Platte hört man viel mehr, ihr Klang ist viel räumlicher.“

CDs wandern in den Keller, Schallplatten werden gesammelt

Ihrer Meinung nach hätten aber auch die großen Bestände alter Vinylscheiben in den Haushalten zur aktuellen Entwicklung beigetragen. Und auch das hört sie immer wieder: „Wenn die Leute ihre Wohnzimmer umräumen oder renovieren, dann wandern die CDs in den Keller, aber die Schallplatten dürfen bleiben.“

Nun kommen frisch gepresste Scheiben wieder verstärkt hinzu. Ein Grund dafür könnten auch die großen Unterhaltungselek­tronik-Fachmärkte Media Markt und Saturn sein. Eine Unternehmenssprecherin sagte zwar, dass die Platte aus den Märkten nie ganz verschwunden sei, sondern in vereinzelten Märkten immer zum Sortiment gehört habe. Aber: „Vinyl ist ein seit Jahren leicht absatz- und umsatzsteigendes Segment der Musikvermarktung, allerdings weiterhin auf niedrigem Gesamtumsatzniveau“, so die Stellungnahme aus Ingolstadt. „Grund für diesen Retrotrend ist sicherlich die Tatsache, dass viele Musikhörer das Klangerlebnis von Schallplatten als ursprünglicher empfinden, oder Fans ihre Vinyl-Sammlung um Neuerscheinungen vervollständigen möchten. Darüber hinaus sind es Liebhaber der großen, größtenteils sehr aufwändig und kreativ gestalteten Platten-Cover.“