London. . Damon Albarn hat nach der Britpopband Blur und der virtuellen Popband Gorillaz ein Solo-Album aufgenommen: „Everbody Robots“. In seinen Songs kritisiert der 46-Jährige, wie wir Menschen heute miteinander kommunizieren und wie Smartphones unser Leben komplett übernommen haben.

Mit der Britpopband Blur und der virtuellen Popband Gorillaz spielte sich Damon Albarn international an die Spitzen der Charts, mit The Good, The Bad & The Queen setzte er ein Ausrufungszeichen, mit afrikanischer Weltmusik und Opern überzeugte er auch die skeptischsten Kritiker. Gerade hat der 46-Jährige sein erstes Soloalbum, das „Everyday Robots“ heißt und atmosphärisch mehr mit der Melancholie des Blur-Stücks „Out Of Time“ gemeinsam hat als mit der Euphorie eines „Song 2“. Uns lud er zum Gespräch ins Heiligtum ein: sein Studio im Westen von London. Es heißt übrigens „13“, so wie das sechste Album von Blur.

Mr. Albarn, gibt es in diesen Räumlichkeiten Magie?

Damon Albarn: Ja, manchmal. An einem guten Tag.

Müssen die Leute, die hier in Ihrem Studio arbeiten, Ihre Musik mögen?

Albarn: Ob sie sie mögen müssen? Das ist aber eine ziemlich deutsche Frage! Sagen wir so: Es wäre nicht schlecht, wenn sie sich mit dem, was in diesen Wänden passiert, identifizieren könnten! Manche mögen meine Musik. Einige Mitarbeiter sind musikalischer als andere. Wie meine Assistentin Charlie. Sie hatte lustigerweise und zufällig denselben Musiklehrer wie ich in der Gesamtschule in Colchester. Wir kannten uns früher nicht, ich bin ja viel älter als sie. Aber wie gesagt: purer Zufall. Es sei denn, sie hat mich gestalkt! Haha!

Könnte ja sein, oder?

Albarn: Traue nie einem Angestellten! Nein, mal ehrlich: Ich will gar nicht das ganze Büro voll von Leuten haben, die alles verstehen und gut finden, was ich tue. Denn dann bekommst du keine Perspektive auf die Dinge. Jemand, bei dem du dich bemühen musst, um ihm dein Konzept zu erklären, ist hilfreicher und bringt dich weiter. Ich hoffe also – nein, ich weiß – dass ich nicht von kranken Fans umgeben bin. (lacht)

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Erst waren Sie das Teenager-Idol von Blur und nun sind Sie der von den Kritikern gefeierte Allround-Musiker!

Albarn: Das ist ein gutes Gefühl. Es ist doch schön, gemocht zu werden. Aber vielleicht war das ja alles nur ein Unfall.

Sie meinen, Sie sind nicht so clever, wie die Leute annehmen?

Albarn: (lautes Lachen) Nein! Definitiv nicht! Generell denke ich, dass ich ziemlich scheiße bin. Ich habe bei allem, was ich tue, das Gefühl: Herrje, ich könnte es so viel besser machen. Ich weiß, dass ich besser sein könnte! Und das macht es ziemlich spannend. Denn es bedeutet, dass ich immer nach etwas Besserem strebe.

Gilt das auch für Ihre Soloplatte?

Albarn: Ich hoffe doch! Ich war in einer Band, ich war ein Cartoon, ich habe mit vielen verschiedenen Leuten in Afrika und sonst wo auf der Welt musiziert. Das hat es mir nicht einfach gemacht, eine Soloplatte aufzunehmen. Also habe ich es ein paar Jahre aufgeschoben. 25 Jahre um genau zu sein. Nun war es an der Zeit. Aber ehrlich gesagt ist es immer noch komisch, meinen Namen auf einem Artwork zu sehen.

Und ein Blur-Album kommt momentan für Sie nicht in Betracht?

Albarn: Ich finde, es ist meinem Alter eher angemessen, eine persönliche Platte zu machen. Meine neuen Songs schreien nicht nach den Charts. Es ist ganz sicher kein „Song 2“ auf der Platte. Vielleicht kommt noch mal der Punkt, an dem das Einzige, was ich noch tun möchte, eine Blur-Platte ist. Aber das würde mich selbst überraschen. Momentan steht das nicht superhoch auf meiner Prioritätenliste.

„Everyday Robots“ ist offiziell Ihr erstes Soloalbum, aber nun haben Sie Musiker wie Brian Eno und Natasha Khan von Bat For Lashes mit dabei. Geht es nicht ohne?

Albarn: Es sind ja diesmal nur einige wenige und eher lokale Kollaborateure. Brian Eno ist zum Beispiel mein Nachbar! Ich fand es eine gute Idee, ihn auf „Heavy Seas Of Love“ singen zu lassen, was er eher selten tut. Mit meinem Produzenten Richard Russell war die Zusammenarbeit gut überlegt. Ich wollte nicht beginnen, ohne so etwas wie eine Oberaufsicht dabei zu haben, die mich vor Dummheiten bewahrt. Denn wenn man die ganze Zeit mit sich selbst im Stand-By-Modus ist, kann man schon mal übers Ziel hinaus schießen. Es hätte in einem Desaster enden können. Aber es wurde kein Akt der Maßlosigkeit begangen, so hoffe ich jedenfalls.

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Haben Sie beim Titelsong an Kraftwerks Klassiker „Wir sind die Roboter“ gedacht?

Albarn: Schon. Aber meine Roboter sind anders als ihre. Es sind keine elektronischen Droiden, sie sind organischer, menschlicher. Das Bild, das Fritz Lang in „Metropolis“ von Robotern zeichnete, stimmt so nicht mehr. Ich habe mir sein Bild des Maschinenmenschen genau angesehen. Visuell würde es zwar zum Song passen. Aber mit „Everyday Robots“ meine ich eigentlich uns selbst, so wie wir heute leben. Es ist wie bei C.S. Lewis, wo die Weiße Eishexe die Menschen zu Stein erstarren lässt – jeden in einer anderen Pose. Denn wir sind doch längst fremdgesteuert. Es ist verrückt, wie Smartphones innerhalb von einer relativ kurzen Zeitperiode unsere Leben komplett übernommen haben.

Die ersten drei Lieder der Platte scheinen generell ein Kommentar über die Art zu sein, wie in unserer Gesellschaft miteinander kommuniziert wird.

Albarn: Ja, sehr sogar. „Hostiles“ ist ein interessantes Stück diesbezüglich, denn ich bediene mich dafür der Charaktere gewalttätiger Computerspiele. Es ist verrückt, dass Menschen viele Stunden davorsitzen, nur um zu töten. Es gibt nicht mal mehr eine Story oder Emotionen, die drumherum gebaut werden; es geht nur ums Auslöschen. Solche Spiele berühren einen sehr dunklen Teil der menschlichen Psyche und Ur-Instinkte. Dabei schießen wir eigentlich nur auf uns selbst. Wir sind der Feind, der die Welt zerstört.

Computerspiele waren vermutlich nie eine Ihrer Süchte, oder?

Albarn: Nein, überhaupt nicht. Blur würden eher eine Tischtennismeisterschaft gewinnen! Deshalb steht die Tischtennisplatte hier auch so präsent mitten im Raum.

Meinen Sie, dass Sie sich seit den Britpoptagen sehr verändert haben?

Albarn: Ich bin ein bisschen erwachsener geworden. Das war’s auch schon. Ich lebe immer noch mein Leben in London. Es ist etwas strukturierter. Ich habe ein Studio. Ich habe eine Routine. Ich habe eine Familie. Ich stehe gerne morgens auf, und ich mag meine Arbeit. Ich mag es, abends nach Hause zu kommen und einfach nur abzuhängen. In der Essenz bin ich dieselbe Person. Ich habe nur ein paar Zähne verloren.

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Und einen goldenen Zahn dazugewonnen.

Albarn: Als mir der Zahn ausfiel, war ich mit den Gorillaz beschäftigt und fand, ein Goldzahn würde die Lücke gut füllen. (lacht)

Mit den Gorillaz haben Sie auch in Amerika Erfolge gefeiert. Hat Sie das überrascht?

Albarn: Absolut. Die Gorillaz sind ja nur aus einer spontanen Idee heraus entstanden. Es fing an mit zwei Menschen, die auf dem Sofa saßen und beschlossen, eine Band zu gründen. Der eine verzog sich in sein Atelier und zeichnete Cartoon-Helden, der andere schrieb die Musik für die Band. Dass es dann so groß wird, hätten wir beide nicht angenommen.

Haben Sie sich diesmal neu erfunden?

Albarn: Nun, es ist der gleiche Maler mit einer anderen Palette von Farben, wenn man so will. Es gab auch in der Vergangenheit nicht nur einen Damon, es existierten vier bis sechs. Und nun sind es sogar sieben Damons. Also einer mehr!

Wie steht es denn um Ihre Deutschkenntnisse – sind die mittlerweile verblasst?

Albarn: Davon ist ein bisschen was geblieben. Deutsch ist die einzige Fremdsprache, in der ich mir behaglich ein Bier bestellen kann. Wenigstens das.