Essen. . Facebook, Whatsapp und Co.: Das klassische Gespräch kann schon mal auf der Strecke bleiben, wenn immer mehr Jugendliche über PC und Smartphone kommunizieren. Das verunsichert viele Eltern. Der Experte erkennt aber auch die Vorteile der Kommunikation, die nicht nur für Teenager immer normaler wird.

Wenn Lea kommt, eilt ihr ein gewisses elektronisches Brummen und Schnattern voraus. Meist zeigt sich zuerst ihr linker Arm, den sie vor sich her trägt, während die rechte Hand in das Smartphone tippt, das die linke hält.

Lea ist eine beste Freundin, spielt Volleyball und geht in die neunte Klasse. Das sind drei gute Gründe, um ein soziales Netzwerk zu nutzen. Also schreibt sie Dinge wie: BFF (best friends forever); die angeschriebene Alex antwortet mit ABF (allerbeste Freundin) und betont: hdl (hab dich lieb). Es sind Beweise gegenseitiger Zuneigung, verschlüsselt in der Teenie-Sprache der Digital Natives, also der jungen Generation, die quasi online auf die Welt gekommen ist.

Vor ein paar Monaten lief ihre Kommunikation noch über Facebook ab. Inzwischen ist Whatsapp das soziale Netzwerk der Wahl. Es ist unkomplizierter, macht nicht so viel Mühe. Rasend schnell lassen sich Nachrichten, Bilder und Videos verbreiten. Inzwischen ist Lea meistens on(line), das beweist der Hinweis bei Whatsapp. Sie tippt unter der Schulbank, im Bus, beim Zahnarzt, am Küchentisch, beim Familienessen in der Pizzeria. Ist mal besagte ABF zu Besuch, dann tippen Lea und Alex gemeinsam.

Dass Lea ihre Freundinnen stets im virtuellen Schlepptau mit dabei hat, „ist eine enorme Leistung“, sagt Jugendforscher Klaus Hurrelmann. „Jugendliche können sich heute wunderbar im Netz präsentieren“, lobt er, „und sie beziehen andere mit ein“ – egal, ob sie shoppen, ins Kino gehen oder die Oma besuchen.

Die Oma will auch mal ein klassisches Gespräch führen

Schwierigkeiten gibt es allerdings – weil besagte Oma auch mal ein klassisches Gespräch führen will. „Erzähl mal von der Klassenfahrt nach Berlin“, fordert sie. Lea sagt: „War klasse“ und tippt in ihr Smartphone an alle anderen einen zerknirschten Smiley sowie die Worte: „Ekelchips im Vierbettzimmer“. Die Oma fragt nach Besichtigungen, Lea antwortet: „Keine Ahnung, Reichstag und so“, und schickt an Alex, die ein Foto von sich samt neuer Jeans geschickt hat, einen nach oben zeigenden Daumen.

Klassenkameradin Anna will die Hausaufgaben in Physik wissen – Lea tippt „weiß ich auch nicht“, während sie der Oma antwortet: „Die Stadtrundfahrt war langweilig“. Als die Oma den Fernseher einschaltet, lacht Lea auf, weil Freundin Sophie einen Klassennachmittag auf der Eisbahn organisieren will.

Schnell ist die große Gruppe mobilisiert 

„Soziale Netzwerke bieten die tolle Möglichkeit, schnell eine große Gruppe zu mobilisieren“ – zum Schlittschuhlaufen, aber auch für politische Anliegen, schwärmt Hurrelmann. Andererseits, und da wird die Oma nicken, komme es nur noch selten zu Vieraugengesprächen. Richtig zuhören, Schwierigkeiten besprechen – „das geht doch ein wenig verloren“, sagt Hurrelmann. Er befürchtet, dass die junge Generation weniger als die Eltern in der Lage ist, sich spontan im Gespräch zu präsentieren und eine intensive Debatte zu führen. Im Umgang mit Chefs, Lehrern oder Ärzten könne es zu Nachteilen kommen. Und natürlich sei es für Eltern nicht mehr so leicht, an ihre Kinder heranzukommen.

Darunter leidet auch die Mutter des 16-jährigen Timo. Sie vermutet, dass er eine Freundin hat. Wenn sie ihn drauf anspricht, murmelt er irgendwas und tippt in sein stets vibrierendes Smartphnone. Früher, sagt sie, habe es noch Anhaltspunkte gegeben, wie schüchterne Anrufe auf dem Festnetz. „Heute klingelt das klassische Telefon kaum noch“. Timo mag spüren, dass seine Mutter reden will – und doch lässt er sich nicht darauf ein.

Auch Eltern sind inzwischen im Internet vertreten

Ob das nicht einen Generationenkonflikt heraufbeschwöre? „Überhaupt nicht“, sagt Hurrelmann. Im Prinzip habe sich noch nie eine Generation so gut mit den Eltern verstanden wie diese.

Vielleicht liegt es auch daran, dass die Eltern längst mitmischen bei Whatsapp und Co – etwa mit einem eigens eingerichteten Familienchat. Wenn man sich dann abends trifft, ist ohnehin schon alles gesagt.

Was der Experte den Eltern der Digital Natives rät 

Smartphone ja oder nein – das ist für den Jugendforscher Klaus Hurrelmann gar keine Frage mehr. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben es längst ständig dabei.

Allerdings rät Hurrelmann Eltern, mit ihren Kindern intensiv das Gespräch zu suchen, um die klassische Kommunikation zu trainieren. Eltern sollten darauf bestehen, auch bei unangenehmen Themen eine Debatte zu führen.

Feste Regeln sind besonders wichtig

Ganz wichtig: Feste Regeln können dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu einem Konflikt über die Nutzung der Smartphones gibt. Also: Beim Familienessen und Gesprächen haben die Geräte nichts verloren.

Und wenn Sohn oder Tochter abends kein Ende finden? Dann kann es helfen, zu einer ausgehandelten Zeit Geräte über Nacht abzuliefern und den WLAN-Router auszuschalten.