Bochum. Die Bochumer Violinistin Liv Migdal wollte eigentlich nur ihrer größeren Schwester nacheifern – und brachte es doch zur Meisterklasse. Derzeit lebt sie in Salzburg, kommt aber für ein Gastspiel zurück ins Ruhrgebiet.

Schade, dass Liv Migdal in Salzburg fast nur Musiker kennt. Jedenfalls niemanden, der mit ihr vor den Ball treten würde. So muss sich die leidenschaftliche Fußballerin damit zufrieden geben, alle zwei Tage an der Salzach entlangzujoggen. „Sport ist für uns Musiker unglaublich wichtig,“ sagt die 23-Jährige, „Geigen ist ja keine natürliche Körperhaltung.“

Die Gabe des Absoluten Gehörs

Wobei man angesichts von Liv Migdal auch leicht auf den gegenteiligen Gedanken kommen könnte: Mit drei Jahren schnappt sich die Tochter eines Bochumer Konzertpianisten zum ersten Mal eine Geige – ihre große Schwester begann das Instrument zu lernen, das wollte sie auch. Gesegnet mit der Gabe des Absoluten Gehörs lernte sie ein paar Stücke auswendig. Und stand ein halbes Jahr später, gerade mal reif für den Kindergarten, zum ersten Mal auf der Bühne, bei einem Mozart-Musical. Ihre erste Geigenlehrerin, da war sie fünf, zwang sie dann, Noten zu lernen, „sonst hätte ich jeden Tag Etüden üben müssen, und man will doch als Kind die Stücke spielen, die man selbst gerne hört!“

„Man kann immer noch dazulernen“

Und seitdem mag sie keine Lehrer mehr sehen? „Oh nein“, sagt Liv Migdal mit der Bestimmtheit derer, die erwachsen wurden durch frühe Erfolge, „ich würde nie sagen, ich brauche keine Lehrer mehr. Man kann immer noch dazulernen, auch im hohen Alter und selbst mit viel Erfahrung noch.“

Mit elf nahm sie das Geigenstudium an der traumschönen Musikhochschule in Rostock auf (Abschluss: mit Auszeichnung) — in den Ferien, ansonsten machte sie daheim in Bochum „ganz normal“ das Abitur. Inzwischen hat Liv Migdal, die nicht nur den Berliner Hindemith-Wettbewerb, sondern auch viele andere Preise gewonnen und Stipendien bekommen hat, Konzerttourneen durch viele Länder Europas hinter sich, auch durch Israel und Asien.

Acht, neun Stunden üben am Tag

Derzeit macht sie neue Erfahrungen am Salzburger Mozarteum, sie wird in ein paar Tagen bei der Internationalen Mozart-Festwoche debütieren, als Solistin spielt sie die „Tabula Rasa“ von Avo Pärt, der gerade als Composer in Residence in Salzburg weilt. Und fühlt die Musik immer noch als ihr „großes Lebensglück“ – wenn sie mal nicht acht, neun Stunden am Tag üben möchte, lässt sie’s einfach bleiben, das macht sie schon seit Kindertagen so. Bedenkenlos: „Man schöpft so herrlich viel Kraft an solchen Tagen.“

  • Am Sonntag, 19. Januar, 11 Uhr, gibt Liv Migdal ihr Debüt in dem Dortmunder Konzerthaus, begleitet vom Deutschen Kammerorchester Berlin. Dann erscheint auch ihre erste CD, mit Werken von Beethoven, Debussy und Strauss. Ende des Monats ist ihr Konzert in Salzburg, danach spielt sie auf Festivals in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Finnland und Polen.