Ihr Ruf ist zu Unrecht übel. Manche Wanzen sind sehr hübsch und gar keine bösen Blutsauger. Die rote Ritterwanze etwa signalisiert lediglich ihren Feinden: Lass den Schnabel von mir, ich bin giftig! Für den Menschen ist sie harmlos.

Auf der Mauer, auf der Lauer sitzt der kleine Ritter eher nicht, sondern viel lieber auf Trockenrasen und in lichten Wäldern. Wer dennoch meint, ihn in seinem Garten zu sichten, dürfte in der Regel Feuerwanzen entdeckt haben, denn diese ähneln der ebenfalls rotschwarzen Ritterwanze (Lygaeus equestris) stark. Doch während die auffällige Zeichnung der Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus) an eine afrikanische Kriegsmaske mit einem starrenden Augenpaar erinnert, lässt sich beim Anblick der Ritterwanze viel eher an den mit einem Kreuz verzierten Schild eines Ritters denken – daher auch der Name.

Sozusagen auf den Schild gehoben wurde die hübsche Wanze vor sechs Jahren, als sie es schaffte, in Österreich, der Schweiz und Deutschland zum „Insekt des Jahres“ ernannt zu werden – und das, obwohl Wanzen als vermeintlich generelle Parasiten und Stinker keinen sonderlich guten Ruf unter Menschen haben. Genau das aber war seinerzeit ein Hauptgrund dafür, dass sich die Fachleute des „Kuratoriums Insekt des Jahres“ für die Ritterwanze entschieden und sich gewissermaßen an sie heranwanzten, allerdings in guter Absicht.

Bettwanze begründet das zweifelhafte Ansehen der Art

Es sei dabei „auch um eine Image-Korrektur dieser Insektengruppe“ gegangen, war damals vom deutschen Julius-Kühn-Institut in Braunschweig zu hören. Eine solche hat die unscheinbare Gebänderte Flussköcherfliege, Insekt des Jahres 2013, nicht nötig – ihr Ruf muss nicht korrigiert, sondern wohl erst noch in die Welt hinaus getragen werden.

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Das zweifelhafte Ansehen der etwa tausend Wanzenarten Mitteleuropas ist vor allem auf die Bettwanze sowie wenige andere parasitisch lebende Wanzen zurückzuführen, die als Blutsauger auch dem Menschen zusetzen. Doch dieser Ruf färbt völlig zu Unrecht auf die Ritterwanze ab, denn der acht bis vierzehn Millimeter lange Vertreter der Bodenwanzen ist ein harmloser, wenn auch giftiger Pflanzensauger, der von der Schwalbenwurz oder dem Frühlings-Adonisröschen lebt. Mehr noch: Der kleine Ritter ist weitgehend abhängig von diesen Pflanzen, wird aber auch an Löwenzahn gefunden.

Ritterwanzen duften gut

Wenn er seine Leibspeise angestochen hat und sich mit seinem Saugrüssel die Pflanzensäfte einverleibt, nimmt er im selben Zug die natürlichen Giftstoffe der Gewächse auf oder wandelt sie noch um. Diese Toxine speichert die Ritterwanze dann so, dass sie ihr selber nicht schaden, doch für Fressfeinde wird das Insekt dadurch ungenießbar. Da es wenig nützen würde, wenn ein Vogel das erst nach dem Verzehr einer Wanze bemerken könnte, soll die schrille Färbung hungrige Räuber im Vorhinein abschrecken.

Was Menschen für die Ritterwanze einnehmen könnte, ist neben ihrem auffälligen Aussehen der für uns nicht unangenehme Geruch. Einen sehr speziellen Duft zu verbreiten, ist für Wanzen typisch. Mal erinnert dieser leicht an Kirschen oder Vanille, bei anderen Arten nach Zimt, Rosen oder Orangen. Doch bisweilen stinken uns Wanzen auch – für ihre Artgenossen kann dieser Dufthauch jedoch hilfreich alarmierend und für potenzielle Sexualpartner gar betörend sein.

Nur ein Jahr wird die Wanze alt

Die Ritterwanze kann nicht fliegen. Sie ist in Europa daher dort verbreitet, wo ihre Wirtspflanzen wachsen: von Südengland bis Russland, von Mittelschweden bis zum Mittelmeer, doch kommen sie nördlich der deutschen Mittelgebirge eher selten vor. Das Insekt wird etwa ein Jahr alt und überwintert gerne an Steilwänden oder Wällen, wo es im Herbst dafür geeignete Plätze sucht.

Die Ritterwanze kann übrigens nicht nur leicht mit der gerne an Linden oder Robinien lebenden Feuerwanze verwechselt werden, sondern auch mit der Zimtwanze (Corizus hyoscyami), einer Vertreterin der Glasflügelwanzen, die allerdings lange Härchen aufweist. Buchstäblich zum Verwechseln ähnlich aber sieht dem kleinen Ritter seine viel seltenere Doppelgängerin Lygaeus simulans. Auch deren Wirtspflanze ist die Schwalbenwurz.

Die Schwesterart der Ritterwanze als Simulantin zu bezeichnen, erscheint allerdings äußerst unfair, da ihr keinerlei betrügerische Absichten zu unterstellen sind, wo Insekten doch angeblich keinen Willen haben. Und selbst wenn, wäre immer noch zu fragen, wer hier wen zu simulieren versucht.

Wanzen – die unbekannten Krabbeltiere

Schon seit mindestens 140 Millionen Jahren gibt es Wanzen auf der Erde. Von den rund 40.000 weltweit vorkommenden Arten leben die wenigsten parasitisch. Manche Wanzen stechen andere Insekten an, um sie auszuschlürfen, einige wenige Arten saugen das Blut angepikster Vögel, Fledermäuse oder Menschen auf.

Der Saugrüssel der Wanzen besteht aus zwei Kanälen – einen zum Einflößen von Verdauungssäften in eine Pflanze, in ein totes Insekt oder ein noch lebendes Beutetier. Durch den zweiten, oft nur einen Hundertstel Millimeter dicken Kanal, saugt die Wanze schließlich den aufgelösten Zellbrei der Beute auf.