Essen. . Bokwa – der neue Fitnesstanz aus den USA – vereint Boxen mit Bewegung nach Buchstaben. Dabei kommt es mehr auf Schnelligkeit als auf Schönschrift an. Angeblich soll man dadurch 1200 Kalorien in der Stunde verlieren. Wir haben es ausprobiert.

Ich befinde mich unter lauter Analphabeten. Auch ich kenne keinen einzigen Buchstaben. Aber ich bin vorbereitet. Nicht mit Federmäppchen, sondern federnden Schrittes. Denn diese Sprache wird mit den Füßen geschrieben: Bokwa. Der neue Fitnesstanz aus den USA hat nun auch unsere Region erreicht. Dabei malen die Tänzer mit ihren Füßen Buchstaben auf den Boden. Noch nie zuvor bin ich beim Schreiben derart ins Schwitzen gekommen.

Der erste Buchstabe auf dem Lehrplan ist ein L. L wie Lama. Hier wohl eher wie Lambada. Unsere Lehrerin, Pardon, man sagt beim Bokwa „Instructor“, ist Sabine Nießen. Die 32-Jährige reißt den linken Arm in die Luft, ermahnt uns mit gestrecktem Zeigefinger, spreizt den Daumen ab und signalisiert uns so: Gebt mir ein L!

Und los geht’s: Zwei Schritte nach vorn und mit dem rechten Fuß ein Tritt – wie gegen einen unsichtbaren Fußball. Ich habe keine Zeit, ihm nachzuschauen. Denn schon geht es rückwärts zurück auf Anfang. Auf der Stelle wippen. Rechts raus. Wipp-Wipp. Und zurück auf Anfang. Der erste Bokwa-Buchstabe ist geschrieben!

Tanzfreude: Sabine Nießen zeigt die Figuren. Sie werden beliebig kombininiert.
Tanzfreude: Sabine Nießen zeigt die Figuren. Sie werden beliebig kombininiert. © WAZ FotoPool

Ich hüpfe auf der Stelle. Und das nicht nur aus Freude. Das Wippen trennt die Figuren beim Bokwa wie der Punkt die Sätze. Wipp-Wipp. Der Experte sagt natürlich: „Bounce, Bounce“.

Ist Bokwa das neue Zumba?

Kinderleicht ist das. Und von Kindern hat Paul Mavi aus Los Angeles, der Erfinder des Fitnesstanzes, diesen Schritt auch abgeguckt. Sabine Nießen nennt es die „Urbewegung“: „Das machen schon die Kleinsten, sobald sie Musik hören.“ Der Bokwa-Guru hat sie in die Buchstaben eingebaut. Im Internet ist der durchtrainierte Fitnesstrainer in einem Werbe-Video zu sehen. Während das Bokwa-Lied ertönt, tanzen schöne, lachende Menschen am Strand von Australien ebenso wie in einer Turnhalle in Taiwan. „Crazy, sexy, easy, great“ rufen sie. Bokwa sei der neue „Way of Life“.

Ähnlich kam vor ein paar Jahren Zumba in die Welt. Und dann wollten sich auf einmal alle zu lateinamerikanischer Musik bewegen. Ist Bokwa das neue Zumba? „Nein, Bokwa ist anders, Bokwa ist neu“, betont Sabine Nießen. Sie kann beides und empfiehlt als „perfektes Workout“: „Einmal in der Woche Zumba – UND einmal Bokwa.“ Wem das nicht reicht: Zumba tanzen jetzt viele im Pool, als „Aqua Zumba“.

„Aerobic habe ich ja schon in den 80ern gemacht“

Feucht glänzen auch die Gesichter, die im Spiegel des Essener Tanzsportclubs Blau-Gelb auf und ab hüpfen. Sabine Kuhlmann gehört eines davon. Sie wird später sagen: „Das ist anstrengender als Zumba.“ Doch auch Bokwa gefällt der 49-Jährigen, die gerne neue Fitnesskurse ausprobiert. „Aerobic habe ich ja schon in den 80ern gemacht.“

Gebt mir ein C. Die Trainerin zeigt den Buchstaben an, den die Bokwaner nachtanzen.
Gebt mir ein C. Die Trainerin zeigt den Buchstaben an, den die Bokwaner nachtanzen. © WAZ FotoPool

Die Bokwa-Werbung verspricht: „Jeder kann es.“ Selbst die „Jungs mit den zwei linken Füßen“. Mist, ich habe mich verschrieben. Ein Blick in den Spiegel zeigt: Ich habe eine Sauklaue. Die Schritte wirken gestelzt. Sie sind überhaupt nicht im Sprach-Rhythmus. Schönschrift sieht anders aus. Mist!

Apropos: Der Name Bokwa klingt gerade in unserer Region nicht verführerisch. „Bok“ sagen Türken schon mal, wenn sie etwas richtig doof finden: „Scheiße“. Bok, wa? Dabei steht Bo für Boxen. Und kwa für den Tanz Kwaito – der Hip-Hop der Südafrikaner.

„Bokwa ist nicht so filigran, sondern sehr geerdet. Deshalb tanzen ihn auch mehr Männer“, sagt Sabine Nießen. Da muss keiner mit den Hüften wackeln wie beim Zumba. Trotzdem zeigen sich die Männer – wie so oft beim Tanzen – bockig. Nur Frauen lernen an unserem Trainingstag das ABC. Sie sind zwischen 6 und 56, Mütter und Töchter. Und selbst Großmütter hat man schon beim Bokwa gesichtet.

Aus den Boxen dröhnt: „I like To Move It, Move It“

Die Bässe dröhnen aus den Boxen: „I like To Move It, Move It“. Nicht schlapp machen, sporne ich mich an, bei diesem Lied haben sich schon ganz andere aufgerafft: Affen, Giraffen und nicht zuletzt das Nilpferd in dem Disney-Film „Madagascar“. „Wer nur Schlager hört, ist bei Bokwa nicht gut aufgehoben“, so Sabine Nießen. „Durch die Musik wird man regelrecht weggeblasen.“

Auf der Stelle hopsen, wippen, so wie Kleinkinder tanzen. Auch das ist Bokwa.
Auf der Stelle hopsen, wippen, so wie Kleinkinder tanzen. Auch das ist Bokwa. © WAZ FotoPool

An Luftholen ist in der nächsten Stunde nicht zu denken. Erstaunlich, wie weit man doch mit zwei Buchstaben kommt. L, C, L, C. Und zwischendurch ein Schattenboxen. Später kommen noch Zahlen hinzu. Tanzen nach Zahlen. Das dürfte sogar Mathematikern gefallen. Dabei gibt es bei Bokwa nicht die eine richtige Lösung, jeder soll sich nach seinem Können anstrengen. Es gibt kein Schrittezählen, keine Choreographie. Dafür kommen Herz und Kreislauf in Schwung, während die Kalorien purzeln. 1200 Kalorien soll man angeblich in einer Stunde Tanz nach Buchstaben verlieren. Zum Vergleich: Eine Portion Buchstabensuppe aus der Tüte hat einen Brennwert von 90 kcal.

Das Gesicht so rot wie beim Sonnenbrand

Von der Suppe könnte ich dann mehr Teller auslöffeln als nach dem Joggen! Mit einem extrem schnellen Lauf käme ich in der gleichen Zeit gerade mal auf 750 Kalorien. Und Bokwa will 1200 schaffen? Das ist doch ein Werbetrick! Sabine Nießen lenkt ein: „Da muss man schon ordentlich in die Figuren reingehen und wie eine Irre hüpfen, springen, dazu die Arme nehmen . . .“ Auf unseren T-Shirts bilden sich Schweißflecken. Erst am Dekolleté, dann am Rücken, nun am Bauch. Und jetzt sehe ich im Spiegel mein Gesicht: So rot war es nicht mal nach dem letzten Sonnenbrand.

„Ich bin gespannt aufs Y“, sagt am Ende Sabine Kuhlmann mit dem Atem, der ihr noch geblieben ist. Und erst die Umlaute! „Zwei Punkte oben drauf wären lustig“, meint auch Sabine Nießen. Aber die wird es nicht geben, „der Tanz kommt schließlich aus Amerika.“ Auch ohne Ä und Ö werde ich länger als ein i-Dötzchen brauchen, bis ich das Alphabet kann. Macht nichts. Denn das A und O bei Bokwa ist die Freude an der Bewegung. Und bei welcher anderen Sprache kann man sonst mit nur zwei Buchstaben eine ganze Stunde sinnvoll füllen?

Hier können Sie Bokwa lernen

Essen: Kostenlose Schnupperstunde gibt es in Essen zum Beispiel im Tanzsportclub Casino Blau-Gelb, Fulerumer Straße 223, in der Neuen Mitte Haarzopf; am heutigen Samstag, 14 - 15 Uhr. Ferienkurse: je vier Termine, ebenfalls samstags ab 14 Uhr (je 35 Euro); Start: 20. Juli oder 17. August (www.tanzsport-essen.de)

Mülheim: Tanzschule Ritter, Löhberg 22. Montags 19.20 - 20.20 Uhr oder dienstags, 19.10 - 20.10 Uhr. 30 Euro im Monat (www.tanzschule-ritter.de)

Dortmund: Tanzschule Schürmeyer & Porsche, Lütgendortmunder Straße 40. Montags, 18 Uhr, freitags, 21.15 Uhr und sonntags, 14 Uhr. 32 Euro im Monat (www.tanzschule-schuermeyer.de)

Weitere Angebote finden Sie auf der Bokwa-Internetseite unter „Find a class“: bokwafitness.com