Essen. . War das nicht wundervoll, als vor der grimmigen Rückkehr des Winters plötzlich die Vögel sangen und in der Luft viel mehr lag als frostig-schepperndes Krähengetön? Aber warum hören wir eigentlich nach dem Winter so gerne Vogelstimmen? Diese Frage beantwortet Musikwissenschaftler Martin Geck.

Warum stimmen uns die Vogelstimmen so froh? Ein Gespräch mit dem Musikwissenschaftler Martin Geck.

Herr Professor Geck, uns geht ja regelrecht das Herz auf, wenn es draußen frühlingshaft tiriliert. Woher kommt das Frohlocken, da es ringsherum pfeift?

Martin Geck: In grauer Vorzeit waren die Winter noch länger und kälter. Die meisten Tiere verkrochen sich in ihre Höhlen, so dass in der Natur eine gespenstische Stille herrschte – bis auf das bedrohliche Heulen der Wölfe. „Der Vögel Lustgeschrei“, wie es in mittelalterlicher Dichtung heißt, signalisierte Mensch und Tier zu Frühlingsanfang: „Jetzt spielt wieder die Musik, und es geht wieder los mit Lust und Liebe!“

Alle Vögel sind schon da. Aber welcher singt sich eigentlich am schönsten in unser lenzendes Herz? Die Meise ist mit ihrem „zizibä“ ja eher ein Langweiler.

Geck: Welcher Vogel der musikalischste ist? Sie kennen den Scherz: „Das ist der Kan-Arienvogel. Denn der kan(n) Arien“. Aber im Ernst: Ausgerechnet die unscheinbare Amsel übertrifft an Formenvielfalt und melodischem Reichtum sogar die Nachtigall.

Erst kam die Natur, dann die Kunst. Wo hören wir in berühmten Musikstücken, was uns eigentlich ein Vögelein gesungen hat?

Geck: Der berühmte „Sommerkanon“ mit seinen Kuckucksrufen ist inzwischen fast 800 Jahre alt – fast so alt wie die abendländische Mehrstimmigkeit überhaupt. Seitdem haben sich neben vielen Volksliedern Komponisten aller Couleur mit der Nachahmung von Vogelstimmen beschäftigt. Beethovens „Pastoralsinfonie“ mit der „Szene am Bach“ und Nachtigall, Wachtel sowie Kuckuck in den Hauptrollen ist dafür ebenso ein Beispiel wie Olivier Messiaens sprachmächtiges Flötenstück „Le Merle noir“, was übersetzt „die schwarze Amsel“ heißt.

Martin Geck lehrt als emeritierter Professor für Musikwissenschaft an der TU Dortmund. Er wurde bekannt als Biograf Bachs, Mozarts, Schumanns und Wagners, schrieb aber auch Einsteigerliteratur für Musikfreunde, so die kleine Geschichte der Musik „Wenn Papageno für Elise einen Feuervogel fängt“. Für seine Kinder-CD’s, die er unter dem Namen „Professor Jeck“ herausbringt, erhielt er viele Preise.