Essen. Die Müllers – mit Mutter Claudia, Vater Thomas und Tochter Maria – sind lebendig gewordene Zahlen, die Durchschnittsdeutschen. Ein normaler Tag in ihrem Leben, wie ihn die Statistik schreibt: vom ersten Weckerklingeln über die Mittagspause bis zum Fernsehabend.
Die Müllers sind die typischen Deutschen – und doch gibt es sie gar nicht. Vater Thomas (46), Mutter Claudia (44) und Tochter Maria (19) sind fiktiv. Ihr Leben ist zusammengesetzt aus statistischen Daten. Sie sind jedermann. Ein durchschnittlicher Tag im Leben der Müllers.
6 Uhr Der Wecker klingelt. Das Aufstehen zögern Claudia und Thomas mit der Schlummertaste ihres Weckes noch 18 Minuten hinaus. Aber es hilft nichts. Noch müde quälen sie sich aus den Federn. Sie haben rund sieben Stunden und vier Minuten geschlafen. Tochter Maria und Kater Felix sind auch schon auf den Beinen.
6.30 Uhr Während Claudia im Bad ist, schenkt sich Thomas in der Küche eine Tasse Kaffee ein. Des Deutschen liebstes Heißgetränk. Das 7,8 Quadratmeter große Bad teilt sich die Familie. Bei zwei Frauen muss er warten.
7 Uhr Mutter und Tochter sitzen am Küchentisch. Vater Thomas kommt etwas später hinzu, weil er der letzte im Bad war. Auch als Mann braucht er fast genauso lange wie seine Frau im Bad. Claudia isst ein Marmeladenbrot, während sich die 19-jährige Maria eine Stulle mit Nutella schmiert. Thomas bevorzugt herzhaften Brotbelag: Butter und Schinken kommen auf die Weizen-Scheibe. Die regionale Tageszeitung darf beim Frühstück auch nicht fehlen. Während Sport und Politik für Thomas reserviert sind, liest Claudia lieber die bunten Geschichten und das Wetter. Viel Zeit zu einem gemeinsamen Frühstück bleibt der Familie nicht. Jeder ist auf dem Sprung. Die 19-jährige Maria spielt lieber mit ihrem Smartphone. Immerhin möchte sie auf dem Laufenden sein, was ihre 216 Facebook-Freunde so treiben. 134 Minuten verbringt sie heute im Netz.
7.30 Uhr Die Müllers haben es eilig. Claudia und Thomas müssen zur Arbeit. Tochter Maria fährt mit dem Fahrrad zur Schule. Sie macht dieses Jahr ihr Abitur. Erst am Abend sieht sich die Familie wieder.
7.51 Uhr Thomas kommt an seinem Arbeitsplatz an. 21 Minuten war er mit dem VW-Golf unterwegs, wobei er sich während der Fahrt zehn Minuten über den zähfließenden Verkehr geärgert hat. Fast zeitgleich kommt auch seine Frau an. Er arbeitet als Angestellter in einem Dienstleistungsunternehmen, sie als Sozialpädagogin.
10.30 Uhr Wenn es um ihre Jobs geht, dann sind Claudia und Thomas beide tüchtig. Aber beide nutzen ihre Arbeitszeit auch, um mehrmals täglich ihre privaten E-Mails abzurufen oder das ein oder andere Telefonat zu erledigen. Schlimm finden beide ihr Verhalten nicht.
12.30 Uhr Mittagspause. Obwohl Claudia und Thomas mit ihrem Job eigentlich zufrieden sind – natürlich mehr Geld und weniger Überstunden wären schön – ist die firmeneigene Kantine umso verhasster. So haben sich beide angewöhnt, jeden Tag etwas von zu Hause mitzubringen – für ihre Pause nehmen sich die zwei je 36 Minuten Zeit.
16 Uhr Maria ist auf dem Weg zum Sportverein. Wie viele Mädchen in ihrem Alter geht sie zweimal die Woche zum Turnen.
17 Uhr Endlich Feierabend. Der Tag ist aber noch nicht vorbei – vor allem nicht für Claudia. Zwar packt Thomas im gemeinsamen Haushalt mit an und auch Tochter Maria hilft, aber das Gros bleibt an Claudia hängen. Im Gegensatz zu ihrem Mann ist sie noch fast eine Stunde lang damit beschäftigt, die gemeinsame 69,4 Quadratmeter große Mietwohnung zu putzen und aufzuräumen. Dafür hat Thomas versprochen, sich um die Einkäufe für das Abendessen zu kümmern. Etwa 15 Prozent seiner 2703,83 Euro Gehalt gibt er für Lebensmittel aus.
Spaghetti Bolognese ist die Lieblingsspeise der Familie
18.22 Uhr Die Familie sitzt am Abendbrottisch. Die gemeinsamen Abendessen sind zwar auch bei Müllers immer seltener geworden, aber die Familie versucht dennoch, an dem Ritual festzuhalten. Das klassische Abendbrot kommt bei den Müllers nicht mehr auf den Tisch. Kalte Küche war gestern. Stattdessen serviert Mutter Claudia Spaghetti Bolognese – die Lieblingsspeise der Familie.
20 Uhr Schon lange wollen Claudia und Thomas auch in ihrer Freizeit spontaner sein: Abends öfters mal mit Freunden ausgehen oder ab ins Kino, aber meist wird daraus nichts.
So macht es sich das Ehepaar vor dem Fernseher bequem. Jeden Tag läuft die Flimmerkiste 192 Minuten. Aber richtig zuschauen tun die Müllers nicht. Thomas surft währenddessen mit dem Laptop durch das Internet und Claudia telefoniert mit einer Freundin.
20.15 Uhr Die Lieblingsserie der beiden beginnt. Bei einer Folge der Krimireihe „Tatort“ lässt das Paar den Abend ausklingen. Tochter Maria hat sich auf ihr Zimmer verzogen. Mit den Fernsehgewohnheiten ihrer Eltern kann sie nichts anfangen. Während Claudia und Thomas lieber ZDF und RTL schauen, zappt Maria durch das Programm, bleibt aber dann meistens bei ProSieben hängen.
23 Uhr Das Ehepaar Müller ist auf dem Weg ins Bett, wo es nach 21 Ehejahren immerhin noch zweimal pro Woche heiß hergeht. Aber meist wird vor dem Einschlafen gelesen – genau sieben Minuten lang. Ob auch eine Ausgabe eines Buches von Thomas Mann auf dem Nachttisch liegt, bleibt dahingestellt: Das behauptet der Durchschnittsdeutsche nämlich.
24 Uhr ist es mucksmäuschenstill in der Wohnung der Durchschnittsfamilie. Die Müllers schlafen tief und fest unter der alle zwei Wochen gewechselten Bettwäsche.
Wie die Familie Müller entstand
Dieser Artikel basiert zum größten Teil auf Daten des Statistischen Bundesamtes. Zudem sind auch diverse andere Studien eingeflossen.
So sind Thomas, Claudia und Maria die beliebtesten Namen ihres jeweiligen Jahrgangs. Und Müller der häufigste Familienname.
Das Alter von Thomas (46) entspricht allerdings nicht dem Durchschnittsalter (41). Er ist älter, um mit dem durchschnittlichen Alter der Geburt eines ersten Kindes zu harmonieren. Claudia ist jünger als der Durchschnitt (47), da Ehemänner meist zwei Jahre älter als ihre Frauen sind.
Auch für die Werbewirtschaft und die Konsumforschung ist der Durchschnittsdeutsche wichtig. Die Gesellschaft für Konsumforschung nutzt die Rheinland-pfälzische Stadt Haßloch als Testmarkt, weil sie eine Bevölkerungsstruktur aufweist, die dem deutschen Durchschnitt entspricht. Und die Werbeagentur Jung von Matt aus Hamburg hat eine Durchschnittsfamilie kreiert, um ihre Zielgruppe einschätzen zu können.