Chalkidiki. . Auf der griechischen Halbinsel Chalkidiki gibt es begehrte Goldreserven, die nun im großen Stil abgebaut werden sollen. Doch nicht für alle Menschen in dem krisengeplagten Land ist das ein Grund zum Jubeln. In der Bevölkerung regt sich Widerstand.
Dröhnend frisst sich der Bohrmeißel immer tiefer ins Gestein. Dann füllen der Sprengmeister Apostolos Valdimos und seine Männer die drei Meter tiefen Bohrlöcher am Ende des Stollens mit Sprengstoff.
Die Maschinen fahren zurück, die Arbeiter verlassen den Stollen. Ein Warnsignal ertönt, kurz darauf erschüttert eine dumpfe Detonation den Berg. Wieder ist der Tunnel einige Meter tiefer ins Gestein vorangetrieben, und wieder sind die Männer ihrem Ziel etwas näher gekommen.
Tief im Berg wartet ein kostbarer Schatz. „Dort liegen 118 Tonnen Gold“, sagt Kostas Georgantzis. Er ist Sprecher der Firma Hellas Gold. Sie treibt oberhalb des Küstenortes Olympias den Stollen ins Stratonikos-Bergmassiv. 2015 will das Unternehmen mit der Goldförderung beginnen.
Schon in der Antike wurden hier, auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki, Edelmetalle abgebaut. Ohne das Gold wären weder der Aufstieg des Königreichs Makedonien zur Vormacht in Griechenland unter Philipp II. noch die Feldzüge seines Sohnes Alexanders des Großen denkbar gewesen. „Die Menschen der Bergdörfer auf der Chalkidiki lebten vier Jahrtausende lang vom Abbau der Edelmetalle“, sagt Christos Pachtas.
Goldvorräte in den Bergen wieder interessant
Der 61-jährige Chemiker war Abgeordneter und Minister in Athen, bevor er in seine Heimat, das Bergdorf Arnaia, zurückkehrte. Seit Anfang 2011 ist er Bürgermeister der Großgemeinde Aristoteles, die sich nach dem in dieser Gegend geborenen Philosophen nennt und 16 Ortschaften umfasst. Pachtas hat einen Teil seiner Jugend in Belgien verbracht, wo sein Vater als Bergmann in einer Kohlegrube arbeitete. „Wie mein Vater mussten viele Männer die Dörfer dieser Gegend verlassen, weil der Bergbau zum Erliegen gekommen war“, erzählt Pachtas.
Aber der stetig steigende Goldpreis und neue Abbauverfahren machen die Goldvorräte in den Bergen der Chalkidiki wieder interessant. Bürgermeister Pachtas verbindet damit nicht zuletzt die Hoffnung, „dass die jungen Menschen in den Dörfern bleiben und jene, die in den vergangenen Jahren in die Städte gezogen sind, vielleicht zurückkehren.“ Hellas Gold will 1500 Arbeitsplätze schaffen. Insgesamt 5000 neue Jobs könnten im Umfeld der Goldförderung entstehen, glaubt Bürgermeister Pachtas. Nichts braucht Griechenland, wo mehr als jeder Vierte beschäftigungslos ist, dringender als neue Arbeitsplätze.
„Das Projekt ist auf 30 Jahre angelegt“, erklärt Firmensprecher Georgantzis. Nicht nur bei Olympias gräbt das Unternehmen nach Edelmetallen, sondern auch im einige Kilometer südlich gelegenen Skouries. „Wir haben insgesamt nachgewiesene Vorkommen von 230 Tonnen reinem Gold, 1500 Tonnen Silber, 740 000 Tonnen Kupfer sowie 1,5 Millionen Tonnen Blei und Zink“, erklärt Georgantzis.
Allein das Gold hat nach heutigen Marktpreisen einen Wert von fast zehn Milliarden Euro. Hellenic Gold, das zu 95 Prozent dem kanadischen Minenkonzern Eldorado Gold und zu fünf Prozent dem griechischen Bauunternehmen Ellaktor gehört, will in den Abbau rund 770 Millionen Euro investieren. Läuft alles nach Plan, steigt Griechenland schon 2016 zum größten Goldproduzenten Europas auf, mit einer Fördermenge von 425 000 Unzen, was etwa zwölf Tonnen entspricht. Spitzenreiter in Europa ist bisher Finnland, mit einer jährlichen Fördermenge von etwa acht Tonnen.
Aber es ist nicht sicher, dass alles nach Plan läuft. Denn das Projekt hat fanatische Gegner. „Hier kocht es“, sagt der Tankwart am Ortsrand der Küstengemeine Ierissos, als er die Zapfpistole in den Einfüllstutzen schiebt. Ierissos ist das Zentrum des Widerstandes. Im Café „Public“, unweit des langen Sandstrandes, sitzen einige Gegner des Projekts beieinander. Viele tragen schwarze Anoraks mit aufgedrucktem Motto der Bürgerinitiative: „Nein zum Goldabbau“.
Irini Markou beschreibt ein apokalyptisches Szenario: „Wasser und Luft werden verseucht, Staub wird sich auf unsere Pflanzen legen und das Gemüse ungenießbar machen, die Krebserkrankungen werden dramatisch zunehmen.“ All das sei in Studien der Universität Thessaloniki nachzulesen, sagt Frau Markou. Die Leute in Ierissos fürchten vor allem um den Tourismus, von dem hier viele Familien leben.
Aber die Bürgerinitiative argumentiert nicht allein mit Gutachten. Sie führt einen brutalen Kampf gegen das Goldprojekt. Bei Demonstrationen im Oktober flogen Steine und Brandflaschen, mehrere Streifenwagen wurden abgefackelt, es gab zahlreiche Verletzte, die Polizei stellte Dutzende Molotowcocktails sicher. In der Vergangenheit steckten die Gold-Gegner sogar Autos von Minenarbeitern in Brand und bedrohten ihre Familien.
Hellas-Gold-Sprecher Georgantzis wirft den Kritikern des Projekts vor, dass sie den Dialog verweigern und Unwahrheiten verbreiten. So werde das gefürchtete Zyanid, das Gold vom Gestein trennt, hier gar nicht zum Einsatz kommen, sondern eine umweltverträgliche Methode, das „Flash Smelting“, ein vom finnischen Unternehmen Outotec entwickeltes Verfahren, bei dem das Gold bei hohen Temperaturen aus dem Gestein herausgeschmolzen wird. Doch die Gegner argumentieren, das Verfahren sei erst in der Entwicklung, früher oder später werde Hellas Gold doch das giftige Zyanid einsetzen.
Es geht auch um Posten und Mandate
Aber bei dieser Kontroverse geht es, wie meist in Griechenland, auch um politische und persönliche Rivalitäten, es geht um Bürgermeisterposten und Parlamentsmandate.
Gestützt werden die Proteste von der radikal-linken Partei Syriza. Parteichef Alexis Tsipras war bereits zwei Mal vor Ort, um die Gold-Gegner anzufeuern. Syriza macht sich Hoffnung, die nächste Parlamentswahl, wann immer sie stattfindet, zu gewinnen.
Dann will sie nicht nur die Kreditverträge mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds annullieren, die Sparmaßnahmen und Strukturreformen rückgängig machen und den Schuldendienst einstellen, sondern auch die Goldminen auf der Chalkidiki sofort schließen.
Der Syriza-Abgeordnete Tasos Kourakis weiß auch schon, wovon die entlassenen Minenarbeiter dann leben könnten: Sie sollen sich der Bienenzucht widmen.