Berlin. . Phillip Möller feiert Weihnachten mit Familie, Geschenken und Liedern. Aber dafür braucht er keinen Gott und keine Kirche. Er sagt: „Weihnachten ist die wunderbare Möglichkeit, die dunkle Jahreszeit mit meinen liebsten in Ruhe zu feiern.“
Nur Gott feiert nicht mit bei Philipp Möller. Er ist nicht eingeladen. Sonst kommen alle: 20 Leute werden sie sein im Haus der Schwiegermutter, „meine gefühlte Familie“. Es wird einen Baum geben, Geschenke und die alten Lieder – Philipp Möller, Autor aus Berlin, feiert im Badischen Weihnachten. Aber nicht die Geburt Jesu Christi.
„Die christliche Variante dieses Festes“, sagt Möller, 32, „ist nur eine von vielen. Die Geschichte von der Geburt am 0.0.00 ist bloß eine Story wie die von Adam und Eva. Oder Harry Potter.“
Nicht sein einziger Satz, der bei Christenmenschen ein Gefühl macht (und das entsprechende Gesicht), als hätten sie in eine Zitrone gebissen. Und der gelernte Lehrer kann noch besser: Der lässt sich doch die weihnachtliche Stimmung nicht verderben, „nur weil ein sonderbarer Wanderprediger mit seiner Weltuntergangssekte das Fest okkupiert hat“.
Wunder fallen aus für Humanisten
Möller – „nicht nur Atheist, in erster Linie Humanist“ – pflegt eine klare Sprache, und auch das ist sein Job. Als Pressereferent spricht er für die Giordano-Bruno-Stiftung, die sich als „Denkfabrik“ versteht für die Aufklärung. Wissenschaftler, Philosophen, Künstler streiten im Namen des „alten Ketzers“ (Möller über Bruno) für ein „zeitgemäßes Weltbild“.
Ihre Einsicht: „Dass wir die komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht mit den religiösen Vorstellungen der Vergangenheit meistern können.“ Wunder fallen aus für diese Humanisten, die davon ausgehen, „dass weder Götter noch Geister (. . .) in die Naturgesetze eingreifen“.
In diesen Naturgesetzen aber findet Philipp Möller einen anderen Grund zu feiern – die Wintersonnenwende. So fühlt er, und so wird er es seiner bald zweijährigen Tochter erklären, wenn sie eines Tages fragt: „Im Dezember werden die Tage immer kürzer und dunkler. Wir freuen uns, dass die Sonne wieder länger scheint.“ Möller, der zuletzt hektisch eilte von Termin zu Termin, wird Weihnachten „Zeit haben, mit Familie und Freunden die dunklen Stunden zu genießen, das Jahr passieren zu lassen und gespannt vor Vorfreude auf das nächste Jahr zu schauen“.
„Professionelle Gottlosigkeit“
Seine „professionelle Gottlosigkeit“ ist doch kein Grund, nicht an den Feierlichkeiten teilzunehmen! „Die Menschheit hat genug zu feiern“, und überhaupt: „Ich habe gar nichts gegen Rituale und Zeremonien.“ Also hat Philipp Möller seiner Tochter einen Adventskalender gebastelt, er will ja „keinen Freak aus ihr machen“, der nicht Weihnachten feiern darf. Er wird ihr etwas schenken, „von begrenztem Geldwert“, weil er „kein Freund vom Konsumrausch“ ist, er wird die Gitarre mitnehmen nach Baden, um „Winterlieder“ zu singen, und er wird einen Baum schmücken. „Ich würde nur keinen Engel oben draufsetzen.“
Dabei haben Gott und die „engelsähnlichen Figuren, an die viele Menschen gern glauben“ durchaus Zugang gehabt zu Möllers Leben. Er wuchs auf als Sohn eines katholischen Kirchenmusikers, zum kleinen Philipp kam also der Nikolaus im Bischofsornat und später das Christkind (und nicht der Weihnachtsmann – an den „wir heute eher gewöhnt“ seien). Er hat es erkannt am Licht seiner Engel: Das machten die Eltern, in dem sie von der Straße aus mit dem Fotoapparat ins Fenster blitzten. „Kinder brauchen Märchen“, sagt der Familienvater heute großzügig.
Nikolaus trug des Onkels Armbanduhr
Doch es kam der Tag, der Osterhase war da bereits abgehakt, als das Kind Philipp am Arm des Nikolaus’ des Onkels Armbanduhr entdeckte, und ungefähr in der fünften Klasse dachte er: „Also ehrlich, was machen wir hier eigentlich?“ Damals schon konnte die Lehrerin ihm nicht erklären, warum der „liebe Gott“ so viel Leid auf Erden zulässt.
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Es ist sein Problem geblieben; Aktivist ist er geworden, „als mir klar wurde, wie gefährlich die Religion für die Welt ist“. Er meint die Kriege, er meint den Fundamentalismus, „wenn man Religion nicht versteht, versteht man heute doch nicht mal mehr die Tagesschau“. Einmal, es ist lange her, hat Philipp Möller versucht zu beten. Es ging nicht. „Ich kam mir doof dabei vor.“
„Woran man glaubt, ist egal“
Trotzdem wird er auch zu diesem Fest kaum schweigen, wenn sie die alten Lieder singen: die Gott preisen und die Geburt seines Kindes. Alles Mythen, wird er denken und wahrscheinlich auch sagen, aber er findet den „Mystizismus ganz heimelig“. Ob man das darf, so als überzeugter Humanist? „Woran man glaubt, ist egal.“