Berlin. . Animal Collective haben ihre Lust an obskuren Elektro-Sounds wiederentdeckt. Mit „Centipede Hz“ senden sie hochspannende Impulse in die Indiewelt, die schon seit langem auf eine neues Lebenszeichen der wieder zum Quartett gewachsenen Gruppe wartet.

Animal Collective haben in den letzten zwölf Jahren nicht nur neun Studioalben veröffentlicht, sondern galten insbesondere in der zweiten Hälfte des abgelaufenen Jahrzehnts als Vorreiter für eine Vielzahl von Strömungen in der US-Indie-Szene. Ursprünglich als Noiseband ins Leben gerufen, fand das Quartett über den akustischen Gitarren-Freak-Folk von „Sung Tongs“ 2004 fünf Jahre später zu dem verträumten Electro-Psychedelic-Meisterwerk „Merri­weather Post Pavilion“. Wir sprachen mit Noah Lennox, der solo unter dem Künstlernamen Panda Bear seit dem wegweisenden „Person Pitch“ genauso einflussreich ist wie die gesamte Band, über das neue Werk „Centipede Hz“.

Herr Lennox, ich nehme an, für Sie ist heute einer dieser stressigen Interview-Tage. Sie waren bis gestern in London?

Noah Lennox: Nein, heute ist alles recht entspannt. Josh und ich waren einige Tage in London, bis vorgestern. Gestern hatte mein Sohn Geburtstag, heute bin ich hier. Brian und Dave sind irgendwo in Brüssel. Wir haben uns aufgeteilt.

Sie haben sich mit dem neuen Album ungewöhnlich lange Zeit gelassen.

Lennox: Wir hatten die Absicht, das Tempo zu drosseln, um der Maschinerie aus Albumveröffentlichung und Tour für eine gewisse Zeit zu entkommen. Wir brauchten alle eine Pause. Da es aber unmöglich ist für uns, komplett abzuschalten, haben wir die Zeit für andere Projekte genutzt.

Ihre Musik ist schon gut, sie arbeiten aber noch an der Körperspannung: Animal Collective.
Ihre Musik ist schon gut, sie arbeiten aber noch an der Körperspannung: Animal Collective. © Atiba Photo

Centipede Hz“ scheint an die experimentelleren Sachen aus früheren Jahren anzuknüpfen. Hat dies irgendwas mit der Rückkehr von Bandmitglied Josh Dibb zu tun, der jetzt nach vier Jahren Bandpause wieder dabei ist?

Lennox: Auf der einen Seite schon. Wenn wir anderen einen Teil eines Songs simpel gestalten, überzeugt er uns davon, noch mehr Ebenen drum herum zu bauen. Entscheidend war aber auch, dass wir eine deutlich energetischere Platte machen wollten. Was viel damit zu tun hat, dass wir die verträumte Merriweather-Phase alle ein wenig leid waren und eine andere Richtung einschlagen wollten.

Aufgebaut ist das Album als Doppel-Vinyl, mit drei kurzen Unterbrechungen. Alle anderen Stücke gehen ineinander über – mit obskuren Sounds, die an Elektrizität oder das Entladen von Energie erinnern.

Lennox: Ja, absolut. Wir wollen Alben so gestalten, dass sie die Art und Weise, wie wir live spielen, einfangen. Aber ich denke, so gut wie dieses Mal ist uns das noch nie gelungen. Wir haben viel mehr Energie hineingesteckt, fast so viel wie in die Songs selbst. Auf früheren Alben war es mehr „Song, Stop, Song, Stop“. Dieses Mal war uns bereits vor dem Gang ins Studio klar, dass wir elegante Überleitungen haben wollten.

„Ich bin reserviert und schüchtern“

In der Zeit zwischen dem letzten Album und jetzt hatten Sie viel Zeit, um an eigenen Projekten zu arbeiten. Waren Sie da auch mit den Bandkollegen zusammen?

Lennox: Wir haben uns immer wieder gesehen. Josh und Dave nahmen zusammen Dave (alias „Avey Tare“) Portners Soloalbum auf, ich war mit den Arbeiten an „Tomboy“ beschäftigt. Und Brian war bei dem Guggenheim-Projekt involviert. Somit haben wir alle an Projekten gearbeitet, aber nie als komplette Band.

War das neue Album in irgendeiner Art und Weise beeinflusst von der Herangehensweise, wie Sie Ihr letztes Solo-Album geschrieben haben?

Lennox: Bei „Merriweather“ ähnelte die Herangehensweise des Songschreibens „Person Pitch“ sehr. Fast so, als sei es eine Art Update. Dieses Mal ist es komplett anders. Allein schon deswegen, weil ich die Gitarre wieder gegen das Schlagzeug getauscht habe.

Das wird allzu deutlich, ja. Nahezu das ganze Album wird von ungewöhnlichen Tribal-Percussions angetrieben.

Lennox: Ich war sehr begeistert von Latin-Percussion-Bands. Ich weiß nicht, ob sich die Rhythmen ähneln oder vielmehr die Sounds und Instrumente, die sie benutzen. Zum Beispiel mag ich Bongos, aber spiele sie mit dem Drum­stick, dadurch gelingt dieser druckvolle Klang.

Wirklich hörbar beeinflusst Sie aber keine Band, obwohl Sie zuweilen mit anderen Künstlern wie Pantha Du Prince oder Atlas Sound zusammenarbeiten.

Lennox: Wir sind ziemlich abgeschlossen in unserem kreativen Prozess. Ich bin reserviert und schüchtern, wenn es um die Zusammenarbeit mit anderen Musikern geht. Kollaborationen laufen so ab, dass ich einen Song geschickt bekomme, meinen Teil spiele und den Song zurückschicke. Es handelt sich nicht um einen gemeinsamen kreativen Prozess. Aber mal sehen – vielleicht wird sich dies in Zukunft noch mal ändern.

  • Animal Collective: Centipede Hz (Domino). Live: 18.11. Berlin