Essen. . Die Thrash-Metaller aus Essen erproben auf dem neuen Album „Phantom Antichrist“ ungewohnte Elemente - auch, um sich nicht zu wiederholen. Ein Gespräch mit Sänger Mille Petrozza über neue Einflüsse, alte Hassthemen und die Freiheit des eigenen Denkens.

Zwölf Studioalben, weit über zwei Millionen Scheiben verkauft: Thrash-Metal aus Altenessen ist ein weltweiter Exportschlager. Der Name der Band? Kreator. Jetzt kommt das Album mit der unheilschwangeren Nummer 13, es trägt den passenden Namen „Phantom Antichrist“. Darauf gehen Kreator abwechslungsreicher denn je zu Werke – und das ist kein Zufall.

„Ich schreibe jetzt seit 1985, da muss man sehen, dass es für einen selbst spannend bleibt“, sagt Mille Petrozza, der die Dreifaltigkeit von Sänger, Gitarrist und Songwriter in sich vereint. So verschmilzt „Phantom Antichrist“ nicht nur Kreator-Markenzeichen wie rasende Gitarren, Schlagzeuggeprügel und keifenden Gesang, sondern mischt verstärkt Melodien und hymnische Elemente hinein. „Es gibt Menschen, die meinen, Manowar herauszuhören“, sagt Petrozza. Parallelen zu anderen Bands seien aber nie bewusst eingesetzt.

Und das, obwohl er sich stets zwingen muss, die Gitarre zum Schreiben in die Hand zu nehmen. „Viele sammeln permanent Ideen. Ich kann das nicht. Ich nehme mir gezielt vor, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der Arbeit am nächsten Album anzufangen.“

Inhaltlich geht es in die Vollen

Hat er einmal angefangen, dann geht es auch inhaltlich in die Vollen: der Zustand der Gesellschaft, machtgierige Politiker, Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche spielen auf dem neuen Album eine Rolle. Obwohl nicht autobiografisch sind Milles Texte durch die Bank persönlicher Natur, denn: „Das sind Themen, die mich privat beschäftigen und zu denen ich mir meine Meinung bilde. Es kotzt mich zum Beispiel an, wenn ich lese, dass ein Priester ein Kind missbraucht. Daraus ist ,Your Heaven, My Hell’ geworden.“

Im Verdacht, mit Kirchen oder Religionen zu sympathisieren, stand der 44-Jährige nie. „Da sagen einem andere, was man zu denken, zu tun und zu lassen hat, was richtig und falsch ist, anstatt, dass die Menschen selber denken.“

Klare Standpunkte

Wer so klare Standpunkte bezieht, auch in politischer Hinsicht, könnte natürlich eines Tages Gefahr laufen, genau wie die ihm verhassten Meinungsführer von der Kanzel herab zu predigen. „Dann wäre man kein Stück besser. Deshalb biete ich auch nur eine Idee an, ohne den Anspruch der Allgemeingültigkeit dieser Idee.“

Fast 30 Jahre macht Petrozza jetzt Thrash, gibt es etwas, das ihm den Spaß verdirbt? Einiges, zum Beispiel das Reisen auf Tournee. „Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Die Konzerte zu spielen ist großartig, aber das Warten am Flughafen und anderswo ist schrecklich. Das ist Zeit, die ungenutzt bleibt.“ Von dieser Zeit wird Petrozza in diesem Jahr dennoch viel erleben, denn die Essener touren unter anderem durch Österreich, die Schweiz, Osteuropa und die USA.

  • Kreator: Phantom Antichrist (Nuclear Blast/Warner). Live: 22.12. Oberhausen, Turbinenhalle