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Vor 100 Jahren eröffnete das erste Filmstudio in Hollywood, die Nestor Motion Picture Company. Danach zog der sonnenverwöhnte Ort weitere Firmen an. Auch die Warner-Brüder ließen sich nieder. Ihre Erfolgsgeschichte.

Ende des 19. Jahrhunderts verschlägt es den jüdischen Flickschuster Benjamin Wonskolaser von Polen nach Amerika. Seine Söhne Itzhak, Hirsz, Aaron und Szmul wachsen in bitterer Armut auf. Dass sie sich eines Tages Jack, Harry, Albert und Samuel Warner nennen und die Traumfabrik Hollywood mitbegründen werden, ahnt zu dem Zeitpunkt noch niemand. 1905 ziehen die Teenager mit ihrem Wanderkino durch die Provinzstädte von Ohio und Pennsylvania. Das Startkapital für ihre Entertainment-Firma mit dem klangvollen Namen „Duquesne Amusement Supply Company“ stammt aus dem Verkauf von Seife. Der Legende nach ist der Begriff „Seifenoper“ für triviale Fernsehserien auf die Gebrüder Warner zurückzuführen. Auch der Pfandleiher spielt eine Rolle in dieser Karriere. Mit dem Erlös aus dem einzigen Pferd der Familie und der goldenen Uhr des Vaters kann das Quartett sich die lang ersehnte Stummfilmvorführmaschine der Marke Edison leisten. Dass sie defekt ist, tut ihrem Tatendrang keinen Abbruch. Denn Sam, der technisch versierteste der Brüder, kriegt sie schnell wieder flott.

Film auf fünf Spulen

Die Pioniere werden in New Castle sesshaft. Dort gründen sie einen Filmverleih und das erste von zahlreichen Nickelodeon-Theatern. In der Anfangszeit nehmen die Zuschauer auf geliehenen Stühlen eines Beerdigungsinstituts Platz. Im Sommer 1911 kehrt Sam von einem mehrmonatigen Trip nach New York zurück. Im Gepäck hat er die Rechte an dem italienischen Stummfilm „L’Inferno“, einer spektakulären Adaption von „Dantes Inferno“ aus der „Göttlichen Komödie“. Diesen abendfüllenden Film, verteilt auf fünf Spulen, schicken die Brüder auf Reisen. Während der Spulenwechsel trägt ein Erzähler Dantes berühmtes Gedicht vor. Die Idee funktioniert. Der Grundstein des Imperiums ist gelegt.

Bereits 1912 stellen Sam und Jack in Los Angeles eigene Low-Budget-Western unter dem Logo „Warner Features“ her, Harry und Albert kümmern sich in New York um deren Finanzierung und Vertrieb. Mit dem antideutschen Propagandafilm „My Four Years In Germany“ über die Brutalität der Kriegsgefangenenlager in Deutschland gelingt den patriotischen Migrantensöhnen 1918 ein erster größerer Erfolg. Davon beflügelt, ziehen sie in ein Nest namens Hollywood. Bis das kleine Studio am Sunset Boulevard über einen eigenen Leinwandstar verfügt, produzieren sie zahlreiche Low-Budget-Komödien und Streifen über den Niedergang der Moral. Der neue Star ist zwar nur ein französischer Straßenköter namens Rin Tin Tin, doch der beliebte Vierbeiner bringt die Kassen erneut zum Klingeln.

Arnold Schwarzenegger, als Terminator arbeitete er für Warner. Foto: afp
Arnold Schwarzenegger, als Terminator arbeitete er für Warner. Foto: afp © AFP

1923 gründen die Brüder in Burbank die „Warner Brothers Pictures, Inc“ und übernehmen die renommierte Filmproduktionsfirma „Vitagraph“ für 1,8 Millionen Dollar. Während der konservative Harry ein gutes Händchen fürs Geschäft beweist, entwickelt sich der visionäre Samuel zu einem Pionier des Tonfilms. Auf den Ältesten geht maßgeblich das Vitaphone-Verfahren zurück. Dabei werden Musik und Sprache auf Schallplatten aufgenommen und anschließend mit der Handlung auf der Leinwand synchronisiert. Warners „Don Juan“ mit John Barrymore entwickelt sich 1926 zu einem sensationellen Erfolg in New York. Neben Filmmusik sind auch 325 gesprochene Worte zu hören.

Samuel produziert 1927 mit „The Jazz Singer“ den ersten richtigen Tonfilm. Doch soll er die umwerfende Resonanz auf sein Meisterstück nicht mehr erleben: Einen Tag vor der Premiere am 6. Oktober stirbt der geniale Tüftler an einer Gehirnblutung. „The Jazz Singer“ wird bei der ersten Oscar-Verleihung überhaupt mit einem Special Award geehrt. Ungewöhnlich insofern, dass darin jüdische Darsteller und farbige Künstler die schwarze Jazzmusik einem weißen Publikum nahebringen. Der Streifen gilt heute als eine der ersten filmischen Reflexionen über den Schmelztiegel Amerika.

Die Warners greifen nach den Sternen. Für damals gigantische 100 Millionen Dollar verleiben Jack, Albert und Harry sich die Produktionsfirma First National ein. Im Paket enthalten ist auch Amerikas größte Kinokette. Als in den 30ern die klassische Hollywood-Ära beginnt, sind die Brüder längst zu einem Machtfaktor geworden. Zum Stall gehört auch Ronald Reagan. Der ehemalige Sportreporter und spätere US-Präsident erhält eine Gage von wöchentlich 200 Dollar. Geiz ist nicht unbedingt gut fürs Geschäft: Da Jack Warner die Rechte am Drehbuch zu teuer sind, zieht „Vom Winde verweht“ an den Brüdern vorbei.

In den glorreichen 40ern ist das Billig-Image endgültig passé und hoch bezahlte Stars wie Humphrey Bogart, Ingrid Bergman, James Cagney und Burt Lancaster halten Einzug in die heiligen Hallen im kalifornischen Burbank. Als dort 1942 der spätere Blockbuster „Casablanca“ gedreht wird, arbeiten 18 500 Angestellte am Erfolg von Warner Bros. Der Börsenwert des Unternehmens mit seinen 525 Kinos und 93 Verleihfirmen beträgt 200 Millionen Dollar.

In der Zwischenzeit wütet in Europa der Zweite Weltkrieg. Für die meisten Amerikaner ist Hitler von geringer Relevanz. Niemand in den Vereinigten Staaten glaubt ernsthaft an eine Bedrohung. Dennoch betreiben die Juden Harry, Jack und Albert gezielte Antinazi-Propaganda mit patriotischen Streifen wie „Sergeant York“. Zur viel umjubelten Premiere in New York am 2. Juli 1941 erscheint der halbe Senat aus Washington. Fünf Monate später treten die USA tatsächlich in den Zweiten Weltkrieg ein – und „Sergeant York“ erhält einen Oscar.

Ein wahrer Bösewicht

Legendär auch die Streitereien, die sich Albert, Harry und vor allem der als Frauenheld verschriene Jack mit den Stars liefern. George Raft, der sein Image als Filmbösewicht so sehr verinnerlicht hat, dass er sich auch im wirklichen Leben mit Gangstern umgibt, muss sich von unliebsamen Rollen freikaufen – mit bis zu 10 000 Dollar. Ausgerechnet ein Kinorebell beendet Mitte der 50er die Autokratie der Brüder: Als James Dean im Auftrag der Warner-Bros.-Studios die Filme „Jenseits von Eden“, „Denn sie wissen nicht was sie tun“ und „Giganten“ dreht, steckt das Trio bereits mitten in den Verkaufsverhandlungen. Das neue Fernsehen sorgt dafür, dass 1956 der letzte Vorhang für das betagte Familienunternehmen fällt.

Die Kinopioniere Harry und Albert denken nicht daran, ihre Filme in der ihnen suspekten Flimmerkiste zu zeigen. Lieber veräußern sie das Studio für „mickrige“ 20 Millionen Dollar. Harry stirbt am 27. Juli 1958 und Albert am 26. November 1967. Einzig Jack hat sich seinen guten Riecher bewahrt und bleibt noch bis 1967 im Vorstand der neuen Warner-Bros.-Gesellschaft.

Nun wieder ohne Internet-Tochter AOL

In der Ära nach Jack Jr. fusioniert das Warner-Studio mit der Firma des Comic-Verlegers Steven Ross („Batman“, „Superman“). Anfang 2000 dann die spektakuläre Fusion: Mit AOL Time Warner tritt der größte Medienkonzern der Welt auf den Plan. Inzwischen hat sich Time Warner von seiner defizitären Internet-Tochter AOL wieder getrennt. Die Filme, darunter auch Harry Potter, waren in jüngster Zeit so erfolgreich wie nie zuvor.