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Hinschauen ist wichtig. Nicht zu vergessen aber noch wichtiger. Das machen die Journalisten deutlich im neuen eindrucksvollen Fotoband der Organisation „Reporter ohne Grenzen“.

Haiti zum Beispiel. Das Erdbeben im Januar 2010 zerstörte den Karibikstaat und tötete über 300 000 Menschen. Die Welt schaute hin, doch angesichts neuer Katastrophen nahm das Interesse wieder ab. Journalisten versuchen trotz der Unruhen im Land und der Cholera-Seuche mit weiteren über 3000 Toten, den Informationsfluss wieder herzustellen.

In den Palästen Saddam Husseins

Auch nach Irak führt die diesjährige Dokumentation: Die US-Truppen ziehen nach sieben Jahren Krieg und rund 100 000 Toten im Frühjahr 2010 aus dem Land ab. Der Fotograf Richard Mosse zeigt die Soldaten, wie sie zuvor die Paläste Saddam Husseins genutzt haben.

Auch das Titelbild des Buches ist ein Teil dieser Bilderserie: Ein rauchender Offizier ist zu sehen, auf dem Balkon des Al-Faw-Palastes. Das sind surreale Bilder einer Kriegsregion. Sie wirken seltsam friedlich und gleichzeitig weit weg von jeder erdenklichen Normalität. Solche guten Reportagefotos brennen sich noch mehr ins Gedächtnis ein als Zahlen und Fakten. In diesem Buch gibt man ihnen den Platz, den sie verdienen.

Nigeria, Abuja: Im Firmensitz der Nigerian National Petroleum Corporation. Foto: Christian Lutz / Agence VU / laif (Bildausschnitt)
Nigeria, Abuja: Im Firmensitz der Nigerian National Petroleum Corporation. Foto: Christian Lutz / Agence VU / laif (Bildausschnitt) © Christian Lutz / Agence VU / laif

Das Bild etwa von Damiok. Die Haut auf seinem Gesicht pellt sich. Es sind aber besonders die inneren Narben, die sein leerer Blick erahnen lässt. Die sieben Familienmitglieder des 24-Jährigen sind während der Unruhen in Kirgistan in ihrem Zuhause verbrannt.

Die unfassbare Gier nach Öl

Ein weiterer Artikel beleuchtet die unfassbare Gier nach Öl in Nigeria, die begleitet wird von Gewalt und Korruption. Und dann ist ein flammendes Plädoyer für mehr Freiheit und Menschenrechte in China zu lesen. Der Autor: der inhaftierte Regimekritiker und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo.

China: Zheng Jiang, 56, Geschäftsmann. Bei einem Ausflug zur früheren Militärbasis der Partei wollten alle Touristen ein Foto mit ihm, seither ist er Mao-Darsteller im Hauptberuf. Foto: Tommaso Bonaventura / Contrasto / laif (Bildauschnitt)
China: Zheng Jiang, 56, Geschäftsmann. Bei einem Ausflug zur früheren Militärbasis der Partei wollten alle Touristen ein Foto mit ihm, seither ist er Mao-Darsteller im Hauptberuf. Foto: Tommaso Bonaventura / Contrasto / laif (Bildauschnitt) © Tommaso Bonaventura / Contrasto / laif

Aber auch in Europa sei Pressefreiheit nicht selbstverständlich, betonen die Autoren. Da werden ebenfalls Redaktionen durchsucht. Und Verleumdungsklagen verschrecken Journalisten.

Wikileaks müsste erfunden werden

Bei dieser Rückschau, die einmal im Jahr erscheint, darf natürlich die Enthüllungsplattform Wikileaks nicht fehlen: Die niederländischen Netzaktivisten Geert Lovink und Patrice Riemens formulieren dazu zwölf kritische Thesen und kommen zu dem Schluss: „Allen seinen Schwächen und allen widrigen Umständen zum Trotz hat Wikileaks der Sache der Transparenz, der Demokratie un der Offenheit einen wertvollen Dienst erwiesen. Und auch wenn wir uns manchmal wünschten, Wikileaks wäre anders, müssen wir feststellen: Gäbe es Wikileaks nicht, dann müsste es dringend erfunden werden.“

Reporter ohne Grenzen – Homepage

  • Reporter ohne Grenzen: Fotos für die Pressefreiheit 2011, 100 Seiten, 12 Euro