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Um einen Eindruck von den Schattenseiten dieser Welt zu bekommen, um Ungerechtigkeiten zeigen und mitfühlen zu können, riskieren Reporter mitunter sogar ihr Leben. „Reporter ohne Grenzen“ setzt sich für diese Arbeit ein. Das diesjährige Fotobuch erzählt eindrucksvoll davon.

Es ist nur ein Foto. Und doch steht es für das Elend von Tausenden Somalis, die jedes Jahr ihr Leben in die Hände von brutalen Menschenschmugglern legen: Das Bild zeigt ihren letzten Blick zurück, zum Ufer ihres Landes, das in Zeiten des nicht enden wollenden Bürgerkriegs mehr Tod als Heimat bedeutet. Am Ende der Reise werden nur elf der 120 Passagiere die Überfahrt mit dem winzigen Boot nach Jemen überleben.

Es ist nur ein Foto. Und doch verlangt es von Journalisten wie Alixandra Fazzina viel Mut, gefährdet die Arbeit auch ihr Leben. Dabei sind solche Reportagen so wichtig, um einen Eindruck von den Schattenseiten dieser Welt zu bekommen, um auf die Ungerechtigkeiten zeigen und mitfühlen zu können. „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) setzt sich für diese Arbeit ein. Das diesjährige Fotobuch erzählt erneut eindrucksvoll davon.

Der Fall Neda

Es zeigt Bilder aus Nordkorea, das zusammen mit dem afrikanischen Staat Eritrea auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit die letzten Plätze belegt. Aber auch ein Porträt des italienischen Schriftstellers Roberto Saviano, der nach der Veröffentlichung seines Mafia-Buches „Gomorrha“ Morddrohungen erhielt. Und es zeigt neben einem Bild von einem Mann in einer Blutlache die Zahl 5. Fünf im Jahre 2009 getötete Journalisten – allein in Russland.

Neben den Aufnahmen, die wie Kompositionen wirken, die nach langer Beobachtung und auch mit aufwändiger Technik fotografiert wurden, gibt es diese anderen Bilder: Fotos, die grobkörnig, unscharf und verschwommen sind, die keine fotografisch-ästhetische Qualität mehr aufweisen, aber wertvolle Zeitdokumente der Gewalt sind: Die iranische Regierung hatte nach der Wiederwahl des Präsidenten Ahmadinedschads eine Berichterstattung über die Demonstration der Opposition verboten. Fotos, wie das von der blutigen Hand eines Demonstranten, gingen trotzdem um die Welt, via Twitter, YouTube und Blogs im Internet. Darunter auch das Bild mit dem blutverschmierten Gesicht der sterbenden Neda. Ihr Porträt wurde zur Symbolfigur des Widerstands.

Es ist nur ein Foto. Aber ein Segen, damit die ganze Welt auf dieses Verbrechen schaut! Und ein Fluch: Journalisten finden ein Porträt von Neda auf Facebook und veröffentlichen es. Doch es war nicht das Bild der getöteten Studentin Neda Agha-Soltan, sondern das der Englisch-Dozentin Neda Soltani. Trotz der Versuche, den Fehler zu beheben, ändert sich das Leben der Universitätsdekanin. Der Ge­heimdienst setzt sie unter Druck, unterstellt ihr, eine CIA-Agentin zu sein.

Die Geschichte hinter den Bildern macht deutlich, dass mit jeder weiteren Informationsquelle die Verantwortung der Journalisten und jedes Lesers wächst, Nachrichten – und dazu zählen auch Fotos – kritisch zu hinterfragen.

Es war nur ein Foto. Doch Neda Soltani lebt heute als Asylsuchende in Deutschland.