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Die Düsseldorfer Wegbereiter der Neuen Deutschen Welle haben nach 28 Jahren ein neues Album aufgenommen: Michael Clauss hat dazu neue Musiker um sich versammelt. Das ist mehr als Nichts.
Dieser Mann atmet Punkrock: Er spielte Gitarre für den heute zur Legende verklärten KFC. Und er drückte dem Sound der Neuen Deutschen Welle seinen Stempel auf, bevor sie losrollte: Michael Clauss schrieb für seine Band Nichts große Songs wie „Radio“ und „Tango 2000“, die als Szene-Klassiker gelten. Heute, nach 28 Jahren, gibt’s wieder Nichts. Der letzte Mann von damals heißt Michael Clauss, mit neuen Musikern, der Sängerin Sabine Kohlmetz und Unterstützung des Tote-Hosen-Drummers Vom Ritchie ist nun ein neues Album erschienen. „Zeichen auf Sturm“ (Electrique Mud/Alive) ist ein würdiger Nachfolger im Geist der alten Nichts. Georg Howahl sprach mit Michael Clauss über geniales Dilettantentum, den Hass auf Kompromisse und die Jahre in der Punk-Keimzelle Ratinger Hof.
28 Jahre sind eine lange Zeit. Wie war das, eine alte Band neu zu beleben?
Michael Clauss: Ich habe ja nie aufgehört, Musik zu machen. Das könnte ich gar nicht. Und dann kam die Zufallsidee von einem Konzertveranstalter aus Österreich, der meinte, wir könnten doch mal wieder Nichts machen. „Tango 2000“ läuft ja in Düsterdiscos heute noch – und die Kids tanzen drauf.
Nur waren die alten Weggefährten nicht dabei.
Nein, ich habe zuerst versucht, die Band mit meinen damaligen besten Freunden neu aufzubauen. Aber die haben alles falsch gemacht. Und die Energie war auch nicht da. Da haben wir Ärger gekriegt, Ich sagte: Das ist meine Band, die könnt ihr finden, wie ihr wollt, aber die werde ich für so einen Scheiß nicht hergeben. Ich finde nichts schlimmer, als durch so eine Dödeligkeit den Leuten die schönen Illusionen, die sie haben, einfach so zu zerstören.
Sie wollten also lieber den Mythos erhalten?
Das Dümmste, was ein Musiker machen kann, ist, die eigene Legende zu zerstören. Wenn du eine Legende bist, dann sei doch froh. Dann halt doch einfach die Klappe.
Warum haben Sie sie trotzdem nicht gehalten?
Als wir eigentlich für eine andere Band namens Fake I.D. eine Sängerin gesucht haben, stand da plötzlich Sabine Kohlmetz. Und die kannte alle alten Songs und konnte sie auch noch singen. Von da an war es nur ein kleiner Schritt, bis wir live gespielt haben.
Aber Ihr neues Album geht ja über den Anspruch einer Oldie-Kapelle hinaus . . .
Die Frage war: Wie weit kann ich mich vom Original entfernen. Ich habe mir das bestimmt nicht einfach gemacht. Es soll eine authentische Stimmung da sein. Aber es soll auch nicht der alte Käse sein. Das ist eine unglaubliche Gratwanderung.
Kompromisse kamen also nicht in Frage?
Ich habe früher Kompromisse machen müssen, darum bin ich ‘82 bei Nichts ausgestiegen und Heilpraktiker geworden.
Einige Ihrer Weggefährten sind ja Berufsmusiker geworden. Warum Sie nicht?
Dazu war ich zu eigenwillig und nicht Musiker genug. Meinen eigenen Gitarrenstil an der Stratocaster hatte ich verfeinert bis ins Gehtnichtmehr. Aber das war das Einzige. Ich war als Musiker von meinen allgemeinen Fähigkeiten her ein Analphabet und kann bis heute keine Noten lesen.
Sie haben nie eine Musiker-Karriere ins Auge gefasst?
Es gibt einen Satz, der hat mich in Nachhinein tief geprägt. Das ist der häufigste Satz, den ich zum Punkrock gehört habe. Er lautet: Wir haben überhaupt nicht nachgedacht, wir haben einfach gemacht. Das ist auch der Geist des neuen Albums. Wir haben alle Regler auf zehn gedreht, Zeichen auf Sturm, ab in die Fresse. Einen anderen Anspruch hat dieses Album nicht. Da könnte jemand sagen: Das ist dann aber wie AC/DC. Dem sage ich: Okay, aber das ist verdammt viel. Das bringt heute kaum einer mehr zustande, mal richtig die Hose krachen zu lassen.
Das klingt nach dem Geist des Punk. Wie viel gibt’s davon noch in Düsseldorf?
Man muss sagen: Über allem schwebt immer noch das Feeling des Ratinger Hofs. Das ist wie die Muttermilch. Neulich war ich auf ‘nem Konzert. Da waren Typen, die spielten Punksongs nach, auch ein Stück von den Vibrators, das ist nie offiziell erschienen. Einer sah mich und merkte: Der kennt das. Und ich sage: Alter, als ich so alt war wie du, habe ich das jeden Tag gehört, das kann ich auch nach 30 Jahren rückwärts im Suff mitsingen. Der Hof und die ganze Szenerie, das hat so geprägt, das wirst du nicht mehr los.
- Nichts „Zeichen auf Sturm“ (Electrique Mud/Alive). Live: 25.3.2011 Düsseldorf, 26.3. Duisburg, 27.3. Neuss, 9.4. Kamen