Diana Damrau widmet ihr neues Album den Orchsterliedern von Richard Strauss, die im Kern schon Opern sind. Eine beachtliche Repertoire-Tat, die viele dazu bringen wird, Strauss eine neue Chance zu geben.

„Meine Zeit wird kommen, wenn die seine um ist“, schrieb Mahler an die geliebte Alma. Und „die seine“, das war die Zeit des Richard Strauss. Nun, gar so arg ist es bekanntlich nicht gekommen. Mahlers Zeit ist in der Tat da, aber Strauss immer noch eine feste Größe. Dennoch: Von den „Vier letzten Liedern“ einmal abgesehen, kann eine Sopranistin mit einer Aufnahme seiner Orchesterlieder zwar kein Neuland betreten, aber doch eine Repertoire-Tat verbuchen – den grandiosen Elisabeth-Schwarzkopf-Tondokumenten zum Trotz.

Diana Damrau, die zurzeit Koloraturen singt wie keine andere, aber auch in der tieferen Lage zu berückenden Wirkungen fähig ist, hat mit dem Strauss-Spezialisten Christian Thielemann und den Münchner Philharmonikern 22 Lieder herausgebracht (ohne die „Vier letzten“) und hat dummerweise nicht widersprochen, dass das Album uns unter dem Titel „Poesie“ daherkommt. Ein Poesiealbum ist es aber gottlob gar nicht geworden. Eher eine Strauss-CD für Kenner.

Arabella und Salome lassen sich im Detail festmachen

Strauss‘ Ansehen als Liedkomponist ist ja durchaus angekratzt. Verglichen mit den Meistern der subtilen Liedkunst wie Schubert oder Schumann gilt er eher als der Mann fürs Grobe (wer noch die unselige, gerade noch einem 21-Jährigen zu verzeihende „Zueignung“ mit Ridderbusch erleben durfte, weiß, was gemeint ist). Dabei wird allerdings gerne verkannt, dass „Lied“ bei Strauss eine ganz andere Gattung ist, nämlich eine Art Oper „in nuce“: Der Meister der Salome und der Elektra fand erst sehr spät, als Mittdreißiger, zur Oper, nutzte aber von Anfang an sein Liedschaffen, um sein „Opern-Gen“ in der kleinen Form auszuleben. Dabei lassen sich spätere Charaktere wie Arabella oder die Salome im Detail durchaus dingfest machen.

Zudem: Strauss war der Mann, der die Frauenstimmen liebte. Und mochte Mahler mit Werken wie seinen Rückert-Liedern inklusive der „Kindertotenlieder“ in ganz andere Tiefen vorgedrungen sein, so tut das der innigen Liebe der Sängerinnen zu Strauss keinen Abbruch. So wie er wusste eben keiner um die klanglichen Schattierungsmöglichkeiten der weiblichen Stimme.

Ohne Schwarzkopfs Manierismen

Dass dabei das gesteigerte kompositorische Kalkül als Teil des Hör-Erlebnisses durchaus gewollt ist, hat die Schwarzkopf unvergleichlich eingefangen. Doch wer mit ihren geliebten Manierismen eher Probleme hat, sollte Strauss mit Damrau eine neue Chance geben. Zumal Thielemann den Münchnern ein Klangbad verordnet, dass es die reine Freude ist. Hörtipp: das berühmte Mackay-Lied „Morgen“ – die zwei Takte, wo bei „sie wieder einen“ Stimme und Solovioline mit rhythmischen Irritationen verzaubern.

  • Diana Damrau: Poesie – Strauss-Orchesterlieder. Virgin Classics/EMI