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Popstar Sting strebt mit sinfonischen Arrangements alter Songs klassische Größe an – und verträgt die Höhenluft sehr schlecht. Denn was zuvor als großer Popsong erschient, wirkt nach der symphonischen Bearbeitung wie seichtes, belangloses Zeug.

Jedes Alter hat seine Zweifel. Als Popmusiker hat Sting alles erreicht. Aber was ist schon Pop? Und mit bald 60 fragt man sich ja doch, was bleibt. Politisch am ehesten der Regenwald, für den der Sohn eines Milchmanns trotz Privatjets so wacker kämpft. Aber dann ist ja da noch die Musik, in deren Olymp am Ende immer die Gleichen das Sagen haben, Bach und Mozart, Verdi, Brahms. John Lennon darf ihnen vielleicht die Füße waschen. Und Elvis macht den Türsteher. Kein Trost das.

Und so griff sich Sting, dem so vieles im Leben Gold und Platin wurde, aber eben doch Pop-Platin, ein Orchester und machte es zu seiner Hofkapelle. „Symphonicities“ heißt das Ergebnis und es markiert einen solchen Tiefpunkt im Leben einer der großen Begabungen des U-Musik-Betriebs, dass Bedauern alle Häme überwiegen sollte.

Mit der Operettencombo der königlichen Philharmoniker

Ja, man fragt sich gar, ob erst in Gesellschaft des „Royal Philharmonic Concert Orchestra“ (ein bisschen die Operettencombo der königlichen Philharmoniker) auffällt, was für ein seichtes, belangloses Zeug da über die Jahre wie frisch geschnitten’ Brot durch Gordon Matthew Thomas Sumner verkauft wurde.

Je mehr Sting den pompösen und öligen Arrangements von Rob Mathes folgt, desto billiger, flacher wirken unsere großen alten Lieblinge. Und weil diese guten, ihrem Wesen nach vorbildlich handgemachten Songs des Sting so gar nicht passen wollen zu breiten Streicherteppichen, zu Cello-Stakkato und jenem stümperhaft-opernhaften Auftritt, mit dem man vielleicht einen Hotelfahrstuhl in Dubai beschallen könnte, ist das Ergebnis ein fauler Sound: glatt und gesichtslos, stellenweise gar kitschiges Glatteis.

Roxanne mit ordentlich Weichspüler beträufelt

In „You Will Be My Ain True Love“ fehlen nur noch ein paar Klarinetten-Hobbits zur Vervollkommnung einer musikalischen Landschaftstapete aus dem sinfonischen Elbenland. Auch Roxanne, seinen vielleicht größten Wurf, lässt Sting von seinem Arrangeur mit Weichspüler beträufeln.

Und wo immer bei „When We Dance“ noch eine Bläserphrase eingebunden, noch eine Flöten-Wunderkerze angezündet wird, da denkt Freund wie Feind: Guter Mann, warum sind Sie nicht bei dem geblieben, was Sie können? Bei einer gut geführten Stimme mit jener zarten Höhe, deren spröder Klang stand für Verwundbarkeit, Zwiespalt und traumwandlerisch sichere Alltagspoesie.

Und genau das (obwohl Sting doch so aufrecht sich müht in diesem Meer schwappender Kino-Wogen) schleicht sich heraus aus diesem Album. Weil es nicht zuhause ist auf einer Bühne, auf der man eher ein paar aufgetakelte Witzfiguren von Andrew Lloyd Webber erwarten würde. Zu vermelden ist damit nicht weniger als die Katastrophe für jeden Künstler: der Verlust des Unverwechselbaren.

  • Sting, Symphonicities, erschienen bei Deutsche Grammophon (Universal)