Der 67-Jährige spielt den hartherzigen Geldverleiher aus der Weihnachtsgeschichte, die Charles Dickens vor 180 Jahren geschrieben hat.

Vor den Festtagen ist Herbert Knaup ein Geizhals. Letztes Jahr schon und 2023 erneut. Stinkstiefel nennt er sich selbst. Eigentlich niemand, dem man begegnen möchte. Dennoch besuchen ihn in diesen Wochen Tausende Menschen. Nicht zu Hause, sondern in Theatern quer durch Deutschland. Denn der 67-Jährige spielt Ebenezer Scrooge, den hartherzigen Geldverleiher aus der von Charles Dickens vor 180 Jahren geschriebenen Weihnachtsgeschichte.

Im Hintergrund der Bühne sitzen Engel mit Geigen und Celli, davor zwei Stehpulte wie aus einem alten Handelskontor und zwei Männer in schweren Herrenröcken. „It’s A Classic“, hätte Franz Beckenbauer früher wahrscheinlich gesagt. Ein Klassiker. Die Weihnachtsgeschichte ist eine der meisterzählten Geschichten der Adventszeit. Vielfach verfilmt, als Comic und Hörspiel veröffentlicht und irgendwann in fast jedem Theater mal auf dem Spielplan gewesen.

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Braucht es da noch eine neue Fassung? Noch eine? Zögert man als Schauspieler da nicht, wenn einem die Rolle des Widerlings angeboten wird, der am Vorabend des Weihnachtsfests von vier Geistern heimgesucht wird und durch sie seine Menschlichkeit wiederentdeckt?

„Die Weihnachtsgeschichte ist zeitlos“

„Ich habe nur kurz überlegt“, sagt Knaup und lacht kurz. Was vor allem daran liegt, dass sein Partner Samuel Finzi ist, der mal als Erzähler, mal in der Rolle der Dämonen, die Scrooge in der Nacht vor Weihnachten heimsuchen, auf der Bühne steht. Man kennt sich, seit man in den 90er Jahren gemeinsam am Kölner Theater gearbeitet hat. „Da habe ich ihn sehr schätzen gelernt.“ Außerdem, sagt Knaup, habe ihn die Inszenierung von Regisseur und Produzent Martin Mühleis gereizt, der mit Bühnenbearbeitungen von literarischen Werken in den vergangenen Jahren große Erfolge feierte.

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Dazu komme die Musik, mit der der Komponist Libor Sima diese Version unterlegt. So ist diese Weihnachtsgeschichte mehr als eine schlichte Lesung, ein musikalisches Bühnenmärchen ist entstanden, das in manchen Augenblicken mit der Ästhetik alter Schwarz-Weiß-Filme spielt und neben der Musik auch das Licht geschickt einzusetzen weiß. „Da passt alles.“ Im Übrigen, erklärt Knaup, sei eine so bekannte Rolle wie der Scrooge immer auch „eine Herausforderung“ für einen Schauspieler.

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Der vielleicht wichtigste Grund aber ist ein anderer. „Die Weihnachtsgeschichte ist zeitlos“, findet Knaup. Sie schlage „eine Brücke ins Jetzt“. „Sie fordert einen auf, innezuhalten und mal nachzudenken, ob man auf dem richtigen Weg ist.“ Genau das sei heute so schwierig wie nie. Krieg, Energiekosten – „die Menschen stehen ja alle unter einem unglaublichen Druck und werden von vielen Ängsten geplagt“, weiß er. „Umso schöner ist es, wenn sie sich die Zeit nehmen, um eine kulturelle Veranstaltung zu besuchen, um den Alltag für ein paar Stunden zu vergessen. Obwohl viele die Weihnachtsgeschichte von Dickens seiner Erfahrung nach zumindest in Grundzügen kennen. „Aber wir gehen in der Inszenierung tiefer.“

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Die Familie trifft sich in Zürich

Knaup kennt das, keine Zeit zu haben. Dreharbeiten für Sarah Kohr und die Kanzlei hat er in den vergangenen Wochen gehabt, die fast nahtlos in die Tour mit der Weihnachtsgeschichte übergegangen sind. Fernsehen, Bühne – Knaup mag die Abwechslung. „Ich möchte ja nicht in eine Schublade gepackt werden.“ Neues möchte er machen. Wie den Podcast „Die Saat“, den er mit dem jungen Unternehmer Leon Müller aufgenommen hat. „Wir sprechen darüber, ob sich Jung und Alt noch etwas zu sagen haben?“

Haben sie, hat er festgestellt. Auch in der Schauspielerei. „Früher hast du als junger Mensch mit Älteren nicht gesprochen, jeder war in seiner Welt.“ Das hat sich geändert. „Man lernt gegenseitig, man beflügelt sich. Junge sind offener geworden, betonen Texte neu, legen eine Rolle anders an. Und die Älteren lassen mehr zu.“

Bis zum 22. Dezember sind Knaup und Finzi unterwegs. Fast jeden Tag in einer anderen Stadt, da ist es schwierig, in Weihnachtsstimmung zu kommen. Aber die letzte Vorstellung ist in Zürich, wo Knaups ältester Sohn lebt und als Arzt arbeitet. Dort wird sich die Familie treffen und gemeinsam Weihnachten feiern. Wobei es, wie Knaup einräumt, weniger um das Fest selbst geht, sondern darum, dass einfach „alle mal wieder zusammen sind“.

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Für 2024 ist der Terminplaner auch schon wieder voll. Wie das so ist, wenn man gleich in zwei Erfolgsreihen spielt. Doch Knaup will sich gar nicht beschweren. „Ist ja schön, wenn es läuft.“ Aber den Januar, den hat er sich frei gehalten. „Ein paar Wochen Ruhe“, blickt er auf den Jahresanfang, „da freue ich mich schon sehr drauf.“

Die Weihnachtsgeschichte ist am 11. Dezember, 20 Uhr im Dortmunder Konzerthaus und am 21. Dezember, 20 Uhr, in der Philharmonie in Essen zu sehen. Tickets ab 59,90 Euro u.a. unter www.eventim.de

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