Verlage sind verunsichert: Darf James Bond noch sexistischer Macho sein und Donald Duck reden wie im einst der Schnabel gewachsen ist?
Aufregung in Entenhausen, Verwunderung beim britischen Geheimdienst MI 6. Nach Winnetou und Jim Knopf sehen sich nun auch die Ducks und James Bond mit Sexismus- und Rassismus-Vorwürfen konfrontiert. Ja, selbst Miss Marple und Hercule Poirot dürfen – zumindest in England – künftig nicht mehr die Worte sprechen, die Agatha Christie ihnen einst in den Mund gelegt hat.
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Beim ersten Lesen klingt es ein wenig wie ein netter, wenn auch nicht ganz uneigennütziger Ratschlag. Wer noch eine der vor allem bei älteren Sammlern sehr beliebten Komplettausgabe seines Werkes „Onkel Dagobert – sein Leben seine Milliarden“ haben wolle, schreibt der weltbekannte Disney-Zeichner Don Rosa auf seiner Facebook-Seite, solle möglichst schnell zuschlagen. In künftigen Auflagen seien zwei der dort enthaltenen Geschichten nämlich nicht mehr mit dabei. Hintergrund ist angeblich, dass Disney aufgrund seines „Engagements für Vielfalt und Inklusion“ alle Comics und Filme überprüfe.
Dunkle Haut und goldene Ringe
In den beiden Geschichten, die in Zukunft nun nicht mehr veröffentlicht werden sollen, geht es um eine Figur, die der legendäre Zeichner Carl Barks im Jahr 1949 ersonnen hat. Sie heißt im deutschen „Bombie der Zombie“ und ist mit dunkler Haut, krausem Haar und goldenen Ringen in den Ohren gezeichnet worden. Ja, das kann man optisch durchaus rassistisch nennen. Inhaltlich allerdings gilt die Don Rosa-Geschichte „Der gewissenlose Geschäftsmann aus Entenhausen“ in der sie eine tragende Rolle spielt, vielen Fans als einer der kolonialismus-, und kapitalismuskritischsten Disney-Comics überhaupt. Für sie ist der Zombie, der ausgesandt wird, um sich an Dagobert Duck zu rächen, der seinem Stamm einst übel mitspielte, quasi das schlechte Gewissen dieses Kolonialismus.
„Hände weg von Donald Duck!“
Auf so eine Diskussion aber lassen sich weder Disney noch seine Lizenzverlage ein. Bombie Zombie, sagt der Konzern nur, sei eine Figur, die „nicht mit den Werten der Firma Disney übereinstimme“. Es wäre, wenn es tatsächlich umgesetzt wird, das erste Verbot eines Disney-Comics in Deutschland. Verändert aber werden Geschichten aus Entenhausen bereits seit einigen Jahren. Begriffe wie „Zwergindianer“ oder „Bleichgesicht“ sind in aktuellen Nachdrucken nicht mehr zu finden. Und jemand, der einst „Fridolin Freudenfett“ gerufen wurde, heißt mittlerweile Fridolin Freundlich. Für eingefleischte Fans Grund genug die Petition „Hände weg von Donald Duck!“ ins Leben zu rufen, die bisher mehr als 10.000 Menschen unterschrieben haben.
Soweit ist es für den bekanntesten Geheimagenten im Dienste seiner Majestät zwar noch nicht, aber auch James Bond hat so seine Probleme. In der Neuauflage der Buch-Reihe anlässlich des 70. Jahrestages der Veröffentlichung von Casino Royale, Flemings erstem Buch über den britischen Spion, hat die Ian Fleming Publications (IFP) im mehreren Bänden diverse Änderungen vorgenommen. So wurde etwa aus dem Satz „Publikum, das keucht und grunzt wie Schweine am Trog“ der Satz „Bond konnte die elektrische Spannung im Raum spüren“. Außerdem gibt es zu Beginn eines jeden Romans die Warnung: „Dieses Buch wurde zu einer Zeit geschrieben, in der Begriffe und Einstellungen, die von modernen Lesern als beleidigend angesehen werden könnten, alltäglich waren.“
Auch Miss Marple muss künftig anders reden
In so einer Zeit wurden die Romane von Agatha Christie auch geschrieben. Und auch sie sollen deshalb künftig mit überarbeiteten oder gleich ganz entfernten Passagen erscheinen, um sie „von Sprache und Beschreibungen zu befreien, die das moderne Publikum als anstößig empfindet“ – vor allem wenn es um Figuren geht, die Christies Protagonisten außerhalb des Vereinigten Königreichs begegnen.
Da hatte ein Richter in den Büchern bisher gerne mal ein „indisches Temperament“, jemand einen Oberkörper wie „aus schwarzem Marmor“ oder der Hotelangestellte „so schöne weiße Zähne“. Nun sind laut der britischen Zeitung „Telegraph“ alle Anspielungen auf die ethnische Zugehörigkeit gestrichen. „Eingeborene“ gibt es übrigens auch nicht mehr, sondern nur noch „Einheimische“.
„Das riecht nach Zensur“
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Der Schriftstellerverband English PEN sieht das Vorgehen eher kritisch: „Änderungen an literarischen Werken sollten der letzte Ausweg sein, vor allem wenn der Autor nicht befragt werden kann“, sagte ein Sprecher des britischen Verbands jüngst der der Deutschen Presse-Agentur. Mindestens solle darüber möglichst transparent informiert und auch die Möglichkeit geboten werden, die Werke in der originalen, unveränderten Fassung zu lesen, hieß es weiter. Und auch Fleming-Biograf Andrew Lycett äußert sich kritisch. „Es ist niemals gut, das zu verändern, was ein Autor geschrieben hat, schreibt er in „The Independent“. „Das riecht nach Zensur.“
Ein Geruch, der für viele große Verlage offenbar nicht so schlimm ist, wie ein Shitstorm wegen fehlender politischer Korrektheit oder mangelnder „Wokeness“ – also Wachsamkeit gegenüber Diskriminierung. Das hat einen neuen Beruf entstehen lassen. Die sogenannten „Sensitivity-Reader“. Die rund 100, die es davon bisher in Deutschland gibt, haben verkürzt gesagt die Aufgabe, die ihnen vorgelegten Werke auf eine verletzende und stereotype Sprache hin abzuklopfen. Verlage nennen sie etwas frei ins Deutsche übersetzt gerne „Spezialisten für Feingefühl“. Kritiker dieser Praxis haben längst einen anderen Namen: „Sprach-Zensoren“.
Dies ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung.
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