Er besitzt Fantastilliarden aber nicht eine einzige Hose. Dagobert Duck, die reichste Ente der Welt, wird dieses Weihnachten 75 Jahre alt.
Weihnachten? Mag er nicht. „Grauenhaftes Fest.“ Geschenke, der Braten, der Baum. Was das alles wieder kostet. „Wenn’s nur erst vorbei wär!“ Obwohl es in diesem Jahr ein besonderes Fest ist. Schließlich ist es genau 75 Jahre her, dass Dagobert Duck erstmals in einem Comic zu sehen ist. „Christmas on Bear Mountain“ heißt die Geschichte, die zu Weihnachten 1947 in den USA erscheint und die die Deutschen zehn Jahre später unter dem Titel „Die Mutprobe“ kennenlernen.
Da sitzt Dagobert mit schottisch-gemustertem Hausmantel und fast ungezähmtem Bartwuchs im Ohrensessel und hadert mit sich und der Welt. „Ich kann niemanden leiden, und mich kann auch niemand leiden.“ Dabei stimmt das gar nicht. Denn schnell wird Uncle Scrooge, wie er im Original heißt, zu einer der beliebtesten Figuren im Kosmos von Entenhausen.
Mit Gehstock und ohne Hose
Das bringt Carl Barks, der ihn – wie so viele Figuren in der Stadt der Enten – erfunden hat, dazu, ihn bald nicht nur etwas jünger, sondern vor allem auch sympathischer zu zeichnen. Seitdem spaziert Dagobert in rotem Gehrock, mit Zylinder und Spazierstock durch sein geschätzt 40.000 Seiten umfassendes Comicleben. Nur für eine Hose hat es – wie üblich bei den Ducks – nicht gereicht.
An fehlendem Geld kann es nicht liegen. Im Vergleich zu Dagobert wirken Elon Musk oder Jeff Bezos wie arme Schlucker. Gas, Öl, Versandhandel, Autobau – kaum eine Branche gibt es, in der der Erpel nicht tätig ist. „Eine Milliarde Taler“ verdient der alte Mann nach eigenen Angaben pro Tag. „Sonntage ausgenommen.“ Da kommt was zusammen. Genaue Zahlen liegen zwar nicht vor, ernstzunehmende Schätzungen aber belaufen sich auf Fünf Fantastilliarden, 13 Trillionen, 224 Billionen, 567 Milliarden, 778 Millionen Taler — und 16 Kreuzer. Wie viel das in Euro ist, ist mangels Wechselkurs unbekannt.
Geldspeicher mit Sprungbrett
Es ist jedenfalls viel. Vor allem viel Münzgeld. Deshalb hat sich der Erpel auch schon vor Jahren Geldspeicher bauen lassen – mit „Sonderausstattung Sprungbrett“. Um „wie ein Seehund hineinzuspringen, wie ein Maulwurf hindurch zu wühlen und es in die Luft zu schmeißen, dass es mir auf die Glatze prasselt“. Machen Sie das nicht nach, selbst wenn Sie im Lotto gewinnen! Wissenschaftler haben nämlich bewiesen, dass es nicht funktioniert. Schon weil die vielen Taler in so einem Geldspeicher eine unbewegliche Masse bilden, in die man gar nicht eintauchen kann. Gibt also nur Beulen – im besten Fall.
Sein Geld, so viel steht fest, hat sich Dagobert mühsam erarbeitet. „Ich habe mein Vermögen gemacht, weil ich schlauer als die schlauesten war und härter als die härtesten.“ Überall auf der Welt. Als Goldschürfer in Alaska etwa, als Dampfer-Kapitän, nie aufgebender Schatzsucher oder genialer Verkäufer, dem es sogar gelingt, Rasenmäher in die Sahara zu verkaufen.
Sinnbild des bösen Kapitalisten
Sein ganzes Vermögen sei „ehrlich verdient“, beteuert er. Dennoch gilt er in gewissen Kreisen seit einigen Jahren als Sinnbild des bösen Kapitalisten. Aber das ist natürlich Unsinn. Denn Dagobert ist nicht gierig, er ist geizig. Zugegeben, sehr geizig. Er selbst nennt es „sparsam“. Warum einen 50 Jahre alten Gehrock wegwerfen, wenn man ihn nähen kann? Und was bitte spricht dagegen, auf der Suche nach edlem Geschmeide, zu Fuß durch den Dschungel zu gehen, anstatt einen Hubschrauber zu mieten. „Gefährlich, gefährlich? Papperlapapp.“
Ja, mit Mindestlohn und Tarifvertrag hat der alte Duck es nicht so. Alles unter einer 60 Stunden-Woche hält er für einen Nebenjob, einen größeren Mitarbeiterstamm für überschätzt. „Fräulein Rührig“ und „Fräulein Emsig“ schmeißen das Büro, Butler Baptiste kümmert sich ums Haus. Und für alles andere gibt es ja Donald und seine Neffen. Wer nicht spurt, wird enterbt. Obwohl das angesichts von Dagoberts hervorragendem Gesundheitszustand eigentlich keine echte Drohung mehr ist.
An Weihnachten wird er weich
Trotz seines Vermögens, auch das muss man zugeben, lässt sich Dagobert gerne von der Verwandtschaft aushalten. Vor allem beim Essen und Trinken. Aber zumindest in den legendären Geschichten aus der Feder von Carl Barks ist unter der rauen Schale ein weicher Kern verborgen. Vor allem in der Weihnachtszeit. Da wird er zwar nicht zum Menschenfreund aber zum Familienmenschen. Natürlich nur, so lange ihn niemand aus der Verwandtschaft um einen Kredit bittet. Das geht dann doch zu weit.
Anders als die meisten Investmentbanker investiert er stets nur eigenes Vermögen in neue Projekte. Privat dagegen bereitet es ihm beinahe körperliche Schmerzen, Geld auszugeben. „Dann habe ich es ja nicht mehr.“ Lieber hortet er es in eigenen Räumlichkeiten. Gibt ja eh kaum noch Zinsen auf der Bank.
Inflation ist Dagobert egal
Diese Art der Geldanlage, warnen Experten schon lange, entziehe den Wirtschaftskreisläufen Geld und trage zur Stagnation bei. Bis hin zur Rezession. Nicht nur das. Auch die Inflation lässt das gigantische Vermögen schrumpfen. Dagobert ist das egal. Wo sonst als im durch trickreiche Erfindungen von Daniel Düsentrieb gesicherten Geldspeicher sind seine geliebten Taler geschützt vor Panzerknackern und der Hexe Gundel Gaukeley? Sie graben Tunnel, bringen gigantische Staubsauger in Stellung, hypnotisieren das Wachpersonal oder zaubern es einfach weg. Am Ende aber bekommt „Der Alte“ es immer wieder zurück.
Weitgehend unbeantwortet ist die Frage nach einer Frau in Dagoberts Leben. Gut, es gibt Nelly, eine geheimnisvolle Jugendliebe. Und da ist Gitta Gans, die seit über 50 Jahren in ihren „Bertel“ verschossen ist, ohne dass er die Gefühle erwidern würde. Ansonsten ist von Affären nichts bekannt. Wie auch? Der Mann hat ja keine Zeit. Er ist, wie man in Entenhausen sagt, „Im Entsagen reich, im Ertragen stark, in der Arbeit unermüdlich!“
Und Renteneintritt? Dummer Gedanke. Wem soll er seine Unternehmen auch anvertrauen? Donald etwa? „Ich wage gar nicht zu befürchten, was ich befürchte, befürchten zu müssen“, pflegt Dagobert auf solche Vorschläge gerne zu antworten.
Anstoßen mit „Blubberlutsch“
So wird er weitermachen. Mit einer kleinen Pause zum Jubiläum möglicherweise. Vielleicht spendiert er sogar einen Kiste der Entenhausener Kult-Limonade „Blubberlutsch“. Selbst Gerüchte über Backwerk wollen nicht verstummen. Da hat er sich in der Vergangenheit zu besonderen Anlässen nicht lumpen lassen und Butler Baptiste angewiesen: „Heute soll es nicht bei einem Stück Torte bleiben! Geben Sie jedem zwei halbe!“
In diesem Sinn: Herzlichen Glückwunsch!
Dies ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung.
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