Oer-Erkenschwick. Der Weltstar kam oft inkognito nach Oer-Erkenschwick.
Der junge Mann erregt keinerlei Aufsehen. Warum auch? Im Oer-Erkenschwick der späten 1990er Jahre gehören junge Leute mit Basecap und Kapuzenpulli sowie einer gewissen Lässigkeit zum Straßenbild wie in jeder anderen Stadt. Hätten die Bewohner der 30.000-Einwohner-Gemeinde im nördlichen Ruhrgebiet allerdings geahnt, wer hinter der Camouflage steckt, hätte es vermutlich einen Menschenauflauf gegeben.
Es ist Leonardo DiCaprio, Hauptdarsteller des Kino-Welterfolgs „Titanic“ aus dem Jahr 1997, der möglichst ohne Starrummel seine geliebte Oma Helene Indenbirken besuchen will.
Oma Helene will nicht in die Glitzerwelt
Deren Lebensgeschichte liest sich wie ein Roman. Die Oma wird als Yelena Smirnova 1915 in Russland geboren, kommt nach Deutschland und wandert 1953 mit ihrem deutschen Ehemann Wilhelm und Tochter Irmelin in die USA aus. 1985 kehrt das Ehepaar zurück – das Heimweh ist zu groß. Tochter Irmelin und ihr Mann George DiCaprio bekommen im November 1974 den kleinen Leonardo. Ein Jahr nach seiner Geburt trennt sich das Paar. Leonardo wächst bei der Mutter in Los Angeles auf.
Zurück nach Oer-Erkenschwick, wo Oma Helene in einer Zwei-Zimmer-Wohnung lebt und alle Angebote ihres Enkels ablehnt, nach Los Angeles zu kommen. Lieber will sie am Randes des Ruhrgebiets leben, umgeben von Freunden und Nachbarn.
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Breakdance und Spaghetti-Eis
Schon in den 1980er und 1990er Jahren, noch ohne Star-Ruhm, besucht Leonardo häufiger seine Großeltern und schleppt dabei sein Skateboard mit – sehr zur Freude der Nachbarskinder, denen er diverse Tricks beibringt. Sein Bewegungstalent zeigt er auch beim Breakdance-Wettbewerb einer Lokalzeitung, den er als Dritter beendet. „Das hat ihn gefuxt. Er war schon früh ein Gewinner-Typ“, erzählt die Oma später der Bildzeitung. Und: Zehn Mark Taschengeld habe es damals gegeben, die er sich genau einteilte, um am letzten Tag noch ein großes Spaghetti-Eis kaufen zu können.
Als die Oma starb, war der Enkel vor Ort
2005 stirbt die Großmutter, drei Jahre nach ihrem Ehemann. Leonardo DiCaprio, höchst besorgt um ihren Zustand, ist schon Tage zuvor nach Oer-Erkenschwick geeilt, um ihr beizustehen, was die Freunde und Nachbarn dort ihm noch heute groß anrechnen. Allzu gern hätte der Superstar seiner Oma den „Oscar“ präsentiert, den er 2016 nach mehreren Nominierungen in den Jahren zuvor als bester Hauptdarsteller für „The Revenant“ erhalten hatte.
Aus: Ruhrgebiet für Kenner. Wahres, Rares, Erstaunliches von Rolf Kiesendahl und Sylvia Lukassen. Ellert Richter Verlag Hamburg, 12 Euro.