Virginia City. Sie war über viele Jahre die beliebteste Western-Serie in Deutschland. Vor 60 Jahren startete Bonanza in der ARD.
Flammen züngeln über die alte Landkarte aus Pergament. Erst brennt Virginia City, es folgen Reno und eine Ranch namens Ponderosa. Und dann kommen die Besitzer auch schon angeritten. Adam, Hoss, Little Joe und Vater Ben. Die Cartwrights. Am 13. Oktober 1962 lernen die deutschen Fernsehzuschauer die Serie „Bonanza“ kennen. Deng-dededeng dedede-dengdengdeng dadaa-daah! Es wird eine der längsten Beziehungen der deutschen TV-Geschichte.
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In den USA sind die fast immer makellos aussehenden Rancher längst Stammgäste im Wohnzimmer. In den Sattel gestiegen ist das Quartett, als in den späten 50er-Jahren Pulverdampf über den Fernsehstudios von Hollywood liegt. Weil überall Western gedreht werden. 32 – in Deutschland meist kaum bekannte - Cowboy-Serien laufen jede Woche zur besten Sendezeit. Erinnern können sich die meisten Menschen zwischen Alpen und Nordsee aber nur an James Arness, der als Marshall Matt Dillon in Dodge City stets „Rauchende Colts“ in den Händen hält. Oder vielleicht noch an den vom James Garner gespielten Brat Maverick, der sich munter und vergnügt durch die Saloons des Westens schießt.
Komplett in Farbe gedreht
Anfangs hat es „Bonanza“ in den USA schwer, sich aus der Masse abzuheben. „Nach 15 Folgen wollte ich aussteigen“, hat sich Ben Cartwright-Darsteller Lorne Green Jahre später in Interviews erinnert. Aber der Sender NBC hält fest an den Cartwrights. Denn „Bonanza“ ist die erste Serie, die komplett in Farbe gedreht wird. Saftig grün sind die Wiesen zwischen den endlose Kiefern-Wälder, türkisfarben die Seen und azurblau der mit weißen Wolken gesprenkelte Himmel. Und NBC gehört zu RCA, zu jener Zeit einer der größten Hersteller von Farbfernsehern und händeringend auf der Suche nach buntem Programm, mit dem sich der Verkauf der neuen Fernseher ankurbeln lässt.
Aber auch inhaltlich ist „Bonanza“ anders. Keine Revolverhelden, keine wilden Indianer. Eigentlich ist es gar keine klassische Westernserie. Eher eine Familienserie, die im Wilden Westen spielt. Wobei die Familie ohne eine Frau auskommen muss. Denn die ist gestorben. Wie ihre zwei Vorgängerinnen. Was heute wahrscheinlich eine Mordkommission auf den Plan rufen würde, ist bei „Bonanza“ Schicksal. Und es erklärt, warum Ben Cartwright seine Jungs ganz alleine hat groß ziehen müssen – draußen auf der angeblich 1000 Quadratmeilen großen Ponderosa-Ranch, wo immer irgendwo ein Zaun geflickt werden muss.
Frauen haben es nicht leicht
Drei Söhne also. Da gibt es den Adam (Pernell Roberts), der immer schwarz trägt – auch wenn keiner gestorben ist. Er ist intelligenter, nachdenklicher als seine Brüder. Ein Schöngeist, der viel liest. Dann ist da der dicke Hoss (Dan Blocker) mit der Zahnlücke und dem hohen Hut. Ein sanfter Riese mit viel Humor und noch mehr Appetit, der besser mit Vierbeinern kann als mit Zweibeinern. Und natürlich Little Joe (Michael Landon) mit dem gescheckten Pferd. Ein Hitzkopf und Frauenschwarm.
Heiraten tut Joe dennoch nie. Keiner der Cartwrights macht das. Wann immer ein weibliches Wesen einem der Männer zu nahe kommt, stirbt es. Wird von einer Klapperschlange gebissen, fällt unglücklich vom Pferd oder wird von einem herabstürzenden Felsbrocken begraben. War halt wild, dieser Westen. Die Jungs von der Ponderosa hätten aber auch gar keine Zeit für eine feste Beziehung gehabt. Dauernd müssen sie Sheriff Coffee im nahe gelegenen Virginia City helfen, für Recht und Ordnung zu sorgen.
Folgsame Söhne: „Ja, Pa. Wird gemacht.“
Die Cartwrights seien in Ordnung, lobt der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower, denn: „Die schießen nur von vorne.“ Wenn sie überhaupt mal schießen. Anders als bei den „Leuten von der Shiloh Ranch“ oder auf „High Chaparral“ siegt hier nämlich nicht, wer am schnellsten zieht, sondern wer die besseren Argumente hat. Viele Konflikte werden ohnehin bei einer deftigen Rauferei geklärt - und wenn doch mal einer der Söhne in Virginia City in bedenkliche Situationen geriet, holt der Rest der Familie ihn zurück an den heimischen Kamin. Dumme Gedanken werden dann bei nächster Gelegenheit mit Holzhacken kuriert. Doch das ist nur selten nötig. Meist gehorchen die längst erwachsenen Brüder dem Familienoberhaupt nämlich aufs Wort. „Ja, Pa. Wird gemacht.“
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Die Geduld des Senders mit der Serie wird belohnt. Zwischen 1964 und 1967 wird „Bonanza“ die meist gesehene Sendung in den USA. Und lässt sich in alle Welt verkaufen. Zeitweise sehen wöchentlich 400 Millionen Menschen eine Folge. Irgendeine. Das ist kein Problem, denn horizontales Erzählen gibt es nicht, jede Folge ist in sich abgeschlossen. Man kann zehn verpassen und die elfte trotzdem verstehen. In Deutschland aber ist zunächst nach 13 Episoden schon wieder Schluss. „Zu brutal“, finden die Verantwortlichen in der ARD die Ereignisse auf der Ponderosa.
Adam steigt als erster aus
Als das Farbfernsehen 1967 auch in deutsche Wohnzimmer einzieht, greift sich das ZDF die Rechte und zeigt 208 der insgesamt knapp 430 Folgen. Von da an versammelt sich die Familie sonntags, 18.10 Uhr, vor dem Fernseher und freut sich, wenn Hop Sing, der chinesische Koch, der kein R aussprechen kann, ruft: „Mistel Kaltweit, Essen ist feltig. Schweineblaten! Sehl gut.“ So war das damals.
1965 hat Pernell Roberts die Nase voll. Er will nicht länger einen Mann „Pa“ nennen, der gerade einmal 13 Jahre älter ist als er selbst. „Junk-TV“ nennt er die Serie und hängt das Pferdehalfter an den Nagel. Gleich neben sein Toupet. Als Trio reiten die Cartwrights weiter. Und bleiben die Publikumslieblinge. Bis eine Lungenembolie Dan Blocker 1972 für immer aus dem Sattel wirft. Zu ersetzen ist er nicht. 1973 wird die Serie nach 14 Jahren eingestellt.
Was kam nach „Bonanza“?
Der gebürtige Kanadier Lorne Greene, der seine Privatvilla dem Haus der Cartwrights nachgebaut haben soll, tauscht den Wilden Westen gegen den Weltraum und übernimmt 1978 das Kommando über den „Kampfstern Galactica“. 1987 versagt sein Herz. Michael Landon gründet „Unsere kleine Farm“ und wandelt als „Ein Engel auf Erden“ durchs TV bevor ihn ein Krebsleiden 1991 in den Himmel holt. Pernell Roberts, der nach Bonanza erst Jahre später als „Trapper MD“ wieder ins Scheinwerferlicht rückt, erliegt im Alter von 81 Jahren 2010 ebenfalls einem Krebsleiden. Und auch Hop Sing, der eigentlich Victor Sen Yung heißt, ist längst tot. 1980 stirbt er durch ein Gasleck an seinem Küchenofen.
Die Ponderosa wird geschlossen und sie bleibt es. Zwei Versuche von Neuauflagen – eine davon mit den mittlerweile erwachsenen Kindern der Original-Schauspieler - scheitern. Was bleibt sind Wiederholungen im Bezahlfernsehen und Erinnerungen. An Hunderte Sonntagabende mit den Cartwrights im heimischen Wohnzimmer. Und dieser Titelmelodie, die man nie vergisst und sofort erkennt.
Deng-dededeng dedede-dengdengdeng dadaa-daah!
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