Ein Schatz schlummert unter Deutschlands größtem Fluss – und nicht nur dort: Lithium. Es herrscht Goldgräberstimmung.

In Deutschland herrscht Goldfieber. Für Abenteurer und Hobbyschürfer, die aufs schnelle Geld aus sind, dürfte es allerdings wenig zu holen geben. Denn: Der Schatz liegt im 300 Kilometer langen und bis zu 40 Kilometer tiefen Oberrheingraben. In der Tiefe liegt dort Lithium – in großen Mengen. Lithium ist sehr gefragt und beispielsweise bei der Herstellung der Batterien von Elektro-Autos unverzichtbar. Ohne Lithium wäre die Verkehrswende mit dem Umstieg auf E-Mobilität nicht denkbar. Angesichts dieser Schlüsselrolle ist es kein Wunder, dass der Rohstoff aktuell zu den gefragtesten Produkten überhaupt zählt.

15 Millionen Tonnen dieses „weißen Goldes“ könnten alleine in einem untersuchten Teil des Oberrheintals liegen, schätzen Experten. Ganze 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid könnten jährlich daraus gewonnen werden. Das gesamte Oberrheintal sei damit die größte Lithiumlagerstätte Europas und sogar eine der größten weltweit. Das Unternehmen Vulcan Energy will diesen Schatz heben.

Die Pilotanlage der Vulcan Energy in Insheim bei Landau in der Pfalz. Die Ergebnisse seien sehr erfolgversprechend, sagt das Unternehmen.
Die Pilotanlage der Vulcan Energy in Insheim bei Landau in der Pfalz. Die Ergebnisse seien sehr erfolgversprechend, sagt das Unternehmen. © HO | Annette Cardinale, DEU

„Aus unseren bisher fünf Abbauprojekten können wir bis 2026 eine Menge an Lithium gewinnen, aus der gut 1 Million Autobatterien pro Jahr hergestellt werden können. Wir werden damit 2026 vermutlich den jährlichen Lithium-Bedarf der gesamten deutschen Automobilindustrie decken können“, sagt Geologe Horst Kreuter, Chef von Vulcan Energy.

Vielversprechende Pilotversuche

Kreuter hat das Unternehmen gegründet, „Vulcan Energie - Zero Carbon Lithium“ heißt es korrekt, mit dem er die Lithium-Vorkommen unter dem Rhein an die Oberfläche fördern will. Mit einem klimaneutralen Verfahren, verspricht sein Unternehmen: „Bei unserem innovativen Verfahren nutzen wir die heißen Thermalwässer des Oberrheingrabens, worin große Mengen an Lithium bereits natürlich gelöst sind. Durch die Stromproduktion aus erneuerbarer geothermischer Energie ist der gesamte Prozess unabhängig von fossilen Brennstoffen und verbraucht nur wenig Wasser und Fläche.“

Das bis zu 200 Grad heiße Thermalwasser soll aus 2500 bis 5000 Meter Tiefe nach oben gepumpt und das Lithium herausgefiltert werden. Das benutzte Wasser soll danach wieder in den Untergrund gepumpt werden. Ende 2024 soll es losgehen.

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Vulcan Energie betreibt derzeit eine Pilotanlage in Insheim bei Landau in der Pfalz. Die Ergebnisse seien sehr erfolgversprechend. „Wir haben bereits Abnahmeverträge mit der Industrie über unsere Produktion der ersten fünf Jahre und darüber hinaus“, so Kreuter zur Sonntagszeitung. Unter den Abnehmern sind auch Volkswagen, Renault, Stellantis und LG.

Ängste in der Bevölkerung

Bei all dem Jubel, die Sache hat auch einen Haken. Abgesehen von noch ausstehenden Genehmigungen für derartige Tiefenbohrungen, regt sich auch in der betroffenen Bevölkerung mancherorts Widerstand. Die Bürger befürchten Erdbewegungen durch die tiefen Bohrungen, die ihren Häusern schaden. Bei weit weniger tiefen Bohrungen soll es mancherorts bereits zu Rissen in Häusern gekommen sein.

Vulcan-Energy-Chef Dr. Horst Kreuter.
Vulcan-Energy-Chef Dr. Horst Kreuter. © HO | Annette Cardinale, DEU

Geologe Kreuter behauptet für sein Unternehmen: „Von den Bohrungen geht kein Risiko für die Bevölkerung aus.“ Allerdings: „Es kann bei der Förderung und Reinjizierung des Thermalwassers zu seismischen Aktivitäten kommen“, also Erschütterungen, diese seien allerdings „kaum spürbar.“ Das Unternehmen versucht nicht zuletzt mit der Tiefenwärme bei der Bevölkerung zu punkten. „Tiefenwärme ist ein attraktives Angebot. Krisen wie der Ukraine-Krieg und der damit verbundene Preisanstieg bei den fossilen Rohstoffen führen zu einem Umdenken in der Bevölkerung“, sagt Kreuter.

Nur: „Die Genehmigungszeiten dauern zu lang. Mit Unterstützung der Politik hoffen wir, sie auf ein Drittel der Zeit – das heißt: 3 bis 6 Monate statt 1 Jahr – verkürzen zu können.“ Ein weiterer Wunsch: „Im Baugesetz genießen Wind- und Sonnenenergie bei einigen Vorschriften eine privilegierte Stellung, während dies für Geothermie nicht gilt. Das muss sich ändern.“

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Kreislaufwirtschaft in Brandenburg

Der Rheingraben beherbergt nicht das einzige Lithium-Vorkommen in Deutschland. Im Zinnwald, im Erzgebirge, könnten rund 125.000 Tonnen im Berg liegen, ergaben Erkundungen. Hier soll das Lithium als Gestein im Bergwerk abgebaut werden. 2025 soll mit dem Abbau begonnen werden. Bereits 2024 will im brandenburgischen Guben eine Fabrik zur Herstellung von batteriefähigem Lithiumhydroxid an den Start gehen. Es wäre der erste Konverter-Betrieb in Europa. Die kanadische Firma Rock Tech will dort jährlich 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid für die Batterien von 500.000 Elektroautos produzieren. Rund 470 Millionen Euro sollen investiert werden. Rock Tech Lithium will nach eigenen Angaben als erstes Unternehmen weltweit einen geschlossenen Kreislauf für Lithium schaffen. Im Jahr 2030 sollen rund 50 Prozent der eingesetzten Rohstoffe aus dem Recycling von Altbatterien stammen. Das Unternehmen Kutec aus dem thüringischen Sondershausen baut derzeit ein Gefahrenstofflabor für das Recycling von Lithium-Batterien. Am Erfurter Kreuz entsteht Europas größtes Batteriezellenwerk. Der chinesische Hersteller CATL investiert nach eigenen Angaben 1,8 Milliarden Euro. Im Spätsommer soll die Produktion starten. Weitere Unternehmen stehen mit Plänen zu Lithium-Förderung und -Aufbereitung in den Startlöchern.

Bergleute im Erzgebirge beim Abbau von Erzproben zur Analyse ihres Lithiumgehalt. Im osterzgebirgischen Zinnwald laufen gegenwärtig Erkundungsarbeiten im Auftrag der SolarWorld AG in Zusammenarbeit mit der TU Bergakademie Freiberg.
Bergleute im Erzgebirge beim Abbau von Erzproben zur Analyse ihres Lithiumgehalt. Im osterzgebirgischen Zinnwald laufen gegenwärtig Erkundungsarbeiten im Auftrag der SolarWorld AG in Zusammenarbeit mit der TU Bergakademie Freiberg. © picture alliance / ZB | Wolfgang Thieme

Das ganze folgt einer Strategie: Deutschland und Europa wollen sich unabhängiger von Lithium-Importen machen. Das ist auch nötig: Dadurch, dass die großen deutschen Autohersteller allesamt auf E-Mobilität setzen, soll sich die Nachfrage bis 2025 mehr als verdoppeln auf mehr als 500.000 Tonnen des „weißen Goldes“. Die EU-Kommission sagt voraus, dass Europa im Jahr 2050 gut 60 Mal so viel Lithium benötigen werde wie heute. Bisher stammt fast das komplette weltweit abgebaute Lithium aus Chile, Argentinien und Australien. Ein Großteil davon wird nach China transportiert, wo es weiterverarbeitet und dann erst nach Europa exportiert wird. Experten schätzen das weltweite Vorkommen an Lithium auf knapp 54 Millionen Tonnen.

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Die Nachfrage ist riesig – dementsprechend entwickeln sich die Preise: „Bei einzelnen besonders wichtigen Rohstoffen sehen wir derzeit geradezu eine Preisexplosion“, sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, kürzlich bei einer Veranstaltung. So habe sich Lithium gegenüber dem ersten Quartal um zwei Drittel verteuert, gegenüber dem Vorjahresquartal sogar um 640 Prozent. Kobalt verteuerte sich innerhalb eines Jahres um 53 Prozent. „Die weltweite Nachfrage ist enorm und treibt die Preise immer weiter nach oben“, erklärte Brossardt.

Lithium auch im Grubenwasser

Darum prüfen Unternehmen in ganz Europa die Förderung von Lithium. Auch ehemalige Kohleregionen können sich Hoffnungen machen. In Grubenwasser aus alten Bergstollen sind viele Elemente gelöst, darunter auch Lithium. Wie die Automobilwoche berichtet, könnte dieses Grubenwasser über ausreichend Anteile an gelöstem Lithium verfügen, so dass sich dessen Aufbereitung finanziell rechnen könnte. Im Ruhrgebiet müssen jeden Tag tausende Kubikmeter Wasser aus stillgelegten Bergwerken gepumpt und in Flüsse geleitet werden, da sich das belastete Wasser aus Kohlegruben aus gesundheitlichen Gründen nicht mit Trinkwasser vermischen darf. Den Bergbaukonzern RAG koste diese Maßnahme rund 290 Millionen Euro pro Jahr.

Die Grubenwasseranlage Friedlicher Nachber der RAG in Bochum. Im Grubenwasser soll sich das wertvolle Lithium befinden.
Die Grubenwasseranlage Friedlicher Nachber der RAG in Bochum. Im Grubenwasser soll sich das wertvolle Lithium befinden. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Volker Presser, Professor am Leibniz-Institut für neue Materialien in Saarbrücken, ist der Meinung, dass der Problemfall Grubenwasser zu einem lohnenswerten Lieferanten für gefragte Rohstoffe mutieren kann. „Unser Ansatz ist, Grubenwasser als Ewigkeitschance zu verstehen und durch innovative Technologie als Wertwasser nutzbar zu machen“, erklärt Presser. Zwar seien in einem Liter Grubenwasser nur gut 20 Milligramm Lithium enthalten. Wegen der Unmengen an Wasser jedoch, die aus den Gruben gepumpt werden müssen, soll die Menge an gewinnbarem Lithium bei schätzungsweise 1900 Tonnen pro Jahr liegen. Kurz gegengerechnet mit dem aktuellen Preis für eine Tonne Lithium in Höhe von gut 5500 Euro könnten mit dieser Menge des Rohstoffs, ein wichtiges Material für Lithium-Ionen-Batterien, mehr als zehn Millionen Euro eingenommen werden. Die RAG könnte so die dauerhaften Folgekosten des Steinkohlebergbaus etwas verringern. Die RAG hat diese Chance erkannt und lässt die Umsetzung prüfen: „Die Chancen zu erforschen, die das Grubenwasser mit sich bringt, hat uns überzeugt“, sagt Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Vorstandsmitglied der RAG-Stiftung.

Auch Prof. Ralf Wehrspohn, Gründungsgeschäftsführer des Deutschen Lithium Institut ITEL, sieht gute Chancen für Lithiumförderung aus Grubenwasser. Es herrsche derzeit „ein bisschen Goldgräberstimmung in der Branche“, erklärt er.