Essen. Kaum eine Bühne im Revier, auf der Michael Walta aus Essen nicht schon aufgetreten ist, um die Menschen zum Lachen zu bringen.

Maulwurf Wühli, Nilpferd-Dame Hilde und Herr Schwatz, ein Brocken Kohle, sind seine Bühnenpartner. Und die schräge Dolores von Cartier. Wo Michael Walta als Bauchredner auftritt, hat er seine Puppen im Gepäck. „Meine Figuren sagen, was ich denke“, erklärt der Essener. Und das bedeutet: Sie sind vorlaut, direkt und witzig. Aber immer respektvoll. Bloßgestellt wird keiner in den Shows.

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Langsam steigt die Wilde Hilde zur Hintergrundmusik aus ihrer Kiste und schaut mit blauen Kulleraugen umher. „Da sind zwei Journalisten“, ruft das Nilpferd aufgeregt in höchster Stimmlage. „Die sind wegen dir da“, sagt Walta zu seiner kleinen Bühnenpartnerin. Die schenkt dem Fotografen ein erstes, schüchternes Lächeln. „Ehrlich, Micha?“ - „Jaaa. – „Das macht mich jetzt schon ganz schön fettich“, kokettiert Hilde. Keine Sorge: Alles wird gut. Am Ende singt die hübsche Puppe im Pailletten-Bustier und Tüll-Tutu sogar ein gefühlvolles Lied auf der Probebühne: „Dafür sind Freunde da“ – ein Hilde-Special nach der Melodie von „That‘s what friends are for“.

Walta lässt alle seine Puppen sprechen bei unserem Besuch in seiner Kreativ-Werkstatt „ErlebnisReich“ in Essen-Kupferdreh. Die hat er 2016 eröffnet, als zweites Standbein. Hier will der 53-Jährige bald wieder Workshops geben in Zaubern, Jonglage und Bauchreden. Wie vor der Pandemie. Der Bauchredner empfängt uns im Anzug mit pinkem Hemd und passenden Schuhen zu einer Mini-Show. „Pink ist meine Farbe. Die Welt ist trist genug.“ Zur Hälfte etwa kämen seine Texte spontan aus dem Bauch heraus, also wörtlich genommen, so der Künstler. Was seine Puppen sagen, entscheide er nach Situation und Publikum. Jede Puppe verkörpert einen bestimmten Typ und spricht mit einer eigenen Stimme. Alle sind kleine Stars, denen Walta Leben einhaucht: das sexy Nilpferd, ein Stück Kohle (Herr Schwatz), Maulwurf Wühli und die aufgetakelte Dolores, ein „lekker Meisje aus de Neederlande“.

Viel Technik, viel Übung

Gute und auffällige Puppen sind das eine. Aber Bauchreden verlangt zudem viel Technik und Übung. Die verstellten Stimmen, die Walta seiner Plüschgang leiht, entspringen keineswegs der Körpermitte. „Auch beim Bauchreden wird der Kehlkopf gebraucht. Man spricht die Laute, doch ohne die Lippen zu bewegen.“ Walta verändert seine Stimme sehr geschickt und lenkt die Aufmerksamkeit voll auf seine Puppen. Nach 30 Jahren ist er darin Profi. Bis vor Corona hatte er bis zu 100 Auftritte pro Jahr – an Rhein und Ruhr und weiter weg, trat im TV, auf Firmengalas, Vereinsfeiern und Messen auf. Der schlagfertige Essener wurde oft zu Karneval gebucht, Privatleute buchten ihn zu runden Geburtstagen und Hochzeiten. In der Pandemie war Schluss, alle Termine abgesagt. Doch Walta brachte die Menschen weiter zum Lachen: In seiner Heimat Essen-Burgaltendorf spielte er auf Wunsch vor Fenstern und in Gärten. Bloß keinen zu nahen Kontakt wegen Corona. Bei 15-minütigen Auftritten sammelte er Geld für einen Zirkus in Not.

Bauchredner und Zauberkünstler Michael Walta mit seinen Puppen Nilpferd „Wilde Hilde“, Maulwurf „Herr „Wühli“ „Koslowski“; Kohlebrikett „Herr Schwatz“ und „Dolores von Cartier“.
Bauchredner und Zauberkünstler Michael Walta mit seinen Puppen Nilpferd „Wilde Hilde“, Maulwurf „Herr „Wühli“ „Koslowski“; Kohlebrikett „Herr Schwatz“ und „Dolores von Cartier“. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Seit er seine erste Puppe mit 23 Jahren bekam, hat sich viel in seinem Leben getan. Walta hatte bei Opel Industriemechaniker gelernt und war viele Jahre Betriebsleiter. „Schon mein Vater war Opelaner.“ Als im Dezember 2014 nach 52 Jahren das Werk schloss, wo einst Kadett und Manta, Astra und später der Familienwagen Zafira montiert wurden, ging auch für Walta eine Ära zu Ende. Die letzten 15 Jahre hatte er in der Führungsetage gearbeitet. Nun stand er ohne Job da. Aber nicht ohne Mut. „Ich habe diesen Schnitt genutzt, um meine künstlerischen Fähigkeiten auszubauen.“ Mit 46 Jahren entschied er sich für eine Weiterbildung zum IHK-Event-Manager. Sein neues Wissen floss unter anderem in die Essener Musical-Akademie (EMA4YOU) ein, die er 2009 mit seiner Frau Katja Kientop-Walta gründet hatte: Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden von Lehrern in Gesang, Schauspiel und Tanz unterrichtet und treten regelmäßig in eigenen Musical-Produktionen auf.

Als Corona kam, sattelte Walta halbtags wieder um. Nach seiner Umschulung zum Grundschullehrer unterrichtet er seit August 2020 in Velbert Ethik und Musik. Auch als Pädagoge beweist er Kreativität. In der Pandemie unterhielt er die Schüler mit lustigen Videos und dem Klassenplüschtier Zebra Zottel. Online zauberte er und motivierte die Kinder zum Lernen. Es fällt ihm immer etwas ein. Ideen für seine Shows, so erzählt er, sammele er unterwegs. „Ich sitze gern im Kaffee oder Restaurant und höre den Leuten zu.“

Erst Opelaner, dann Bühne, jetzt Lehrer

Beim Thema Essen platzt die Wilde Hilde ins Interview. „Ich mache gerade zwei Diäten gleichzeitig. Denn von einer werde ich nicht satt“, ruft sie. Passt, wir müssen lachen. „Mir bereitet es Freude, beim Publikum Emotionen zu wecken. Damit spiele ich.“ Seine Begabung habe er erstmals zum 60. Geburtstag des Vaters bewiesen. „Da bekam ich sehr viel Zuspruch für den Auftritt im Gemeindeheim mit dem Raben Freddy, meiner ersten Handpuppe und habe weitergemacht.“ Freddys Nachfolger ist neben anderen Herr Schwatz, ein rechteckiger schwarzer Klotz mit Riesen-Mund. „Er hat eine dunkle Vergangenheit und kommt von ganz unten“, verrät Walta. Vor allem Ruhris mögen das sprechende Brikett. Spätestens, wenn Schwatz das Schlusslied anstimmt: „Und die Kohle hat Probleme, weil die Kohle keiner will“. Alles nach der Melodie von Mackie Messer aus Bertholt Brechts Dreigroschenoper.

Treffen mit Bauchredner und Zauberkünstler Michael Walta in seinem Büro in Essen. Er feiert 30-Jähriges Bühnen-Jubiläum.
Treffen mit Bauchredner und Zauberkünstler Michael Walta in seinem Büro in Essen. Er feiert 30-Jähriges Bühnen-Jubiläum. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Singen ist Waltas Leidenschaft. Früh nahm er privat Gesangsunterricht und startete neben dem Opel-Job eine Ausbildung zum Musical-Darsteller. „1997 bin ich mit Herbert Knebel und Dr. Stratmann bei einer Benefiz-Gala in der Lichtburg aufgetreten und stand mit vielen Bürgermeistern des Reviers und NRW-Ministern schon auf der Bühne.“ Walta wuppte Shows in Hamburg, Hannover Stuttgart und auf Sylt und Rügen und unterhielt Klein und Groß mit seinen Puppen oder Zaubertricks. Wie viele Künstler hofft er nun auf bessere Zeiten, in denen er wieder vor 9000 Zuschauern in der Grugahalle spielen darf wie in 2004. Immer wieder den Humor der Zuschauer zu treffen, sei eine Herausforderung. „Da tastet man sich langsam heran.“ Während andere Künstler ihre Texte vorher weitestgehend auswendig lernten, spreche er aus dem Bauch heraus. Im übertragenen Sinn. Das braucht Fingerspitzengefühl aber auch Witz, Charme und Improvisationstalent.

Seit neuestem singt und spielt Walta in einer neuformierten „Katharina-Valente-Show“. Als wäre das alles nicht genug, absolviert er parallel eine Ausbildung zum Trainer und Coach für Selbstbehauptung und Resilienz von Kindern und Jugendlichen …

Wenn Dolores erwacht

Auf einem Stuhl neben den roten Kinosesseln hat Dolores von Cartier geschlummert. Walta greift die aufgebrezelte Dame mit der langen Nase und den roten Lippen und erweckt sie zum Leben. Sein „lekker Meisje“ ist stolze 1,80 m groß und mit sechs Kilo Waltas schwerste Puppe. Dolores trägt ein Abendkleid und das Herz auf der Zunge: Sie redet ohne Punkt und Pause in niederländischem Akzent. „Früher war ich Haushälterin bei Karl Lagerfeld“, ruft sie und rückt noch schnell ihr schwarzes Kleid zurecht, bevor Walta mit ihr einen flotten Tango hinlegt. Für ein Familienfoto rückt der Bauredner mit allen Puppen zusammen. Maulwurf Wühli fragt nach dem Shot: „Was ist braun, steht im Garten und dreht sich? Ein Maulwurf beim Hammerwerfen. Und was ist braun-blau und hüpft durch den Garten? Der gleiche Maulwurf, dem ist der Hammer auf den Fuß gefallen.“

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