Dortmund. Helfen Mini-Wälder, die Klimakrise abzumildern? Und was können Städte noch tun? Antworten von Landschaftsökologe Dietwald Gruehn, TU Dortmund.
Mehr als fünf Millionen Menschen auf rund viereinhalb tausend Quadratkilometern: Die Stadtplanung im Ruhrgebiet steht seit Jahrzehnten vor der Herausforderung, im größten deutschen Ballungsraum überhaupt noch einen freien Platz zu finden. Der Klimawandel verschärft das Problem – denn nun geht es nicht mehr nur darum, neue Flächen für Wirtschaft, Wohnen und Verkehr zu erschließen. Vor allem in den Zentren sind kreative Lösungen gefragt, um etwa bei Starkregen Versickerungsflächen zu schaffen oder Hitzestaus durch mehr Grün abzumildern. Professor Dietwald Gruehn ist Landschaftsökologe und -planer an der TU Dortmund. Warum selbst kleine Wälder großen Nutzen haben und was auch Privateigentümer tun können, erklärt er im Interview.
Wie sinnvoll sind Tiny Forests, wie sie in Bochum und Essen geplant sind, überhaupt?
Dietwald Gruehn: Speziell bei den Tiny Forests kursiert oft die Auffassung, das bringe nichts, weil die Fläche zu klein ist. Dabei sind sie in ihrer Kühlfunktion sehr sinnvoll. Durch ihre Schichtung und das Blätterdach schaffen sie es, den Wasserhaushalt zu verlangsamen. Und wegen der hohen Bebauungsdichte im Ruhrgebiet lässt sich hier ja ohnehin oft kein großer Wald pflanzen. Schafft man also auf vielen kleinen Flächen Wälder, können sie dennoch zusammen genommen eine beträchtliche Wirkung entfalten und das Stadtklima positiv beeinflussen.
Ab welcher Größe bringt ein solcher Wald denn wirklich etwas?
Man kann keine generelle Flächengröße benennen – ein einziger alter Stadtbaum etwa hat schon eine beträchtliche Filter- und Kühlwirkung, z.B. aufgrund der Beschattung. Aus hydrologischer Sicht bringt jede einzelne kleine bepflanzte Fläche etwas. Auch Moore und Auenflächen haben etwa bei Starkregenereignissen eine positive Wirkung.
Mit welchen weiteren Maßnahmen lässt sich das Mikroklima in den Städten verbessern?
In Berlin zum Beispiel wurden in der Vergangenheit viele Alleen angelegt – die Stadt kommt mit den Nachpflanzungen aber kaum hinterher. Dies wäre aus vielerlei Gründen sinnvoll, da die Bäume nicht nur das CO2 binden sondern durch die Verdunstung gleichzeitig Kühlung schaffen. Außerdem können die Städte die Rahmenbedingungen für Bebauung und Gestaltung verändern. Etwa indem sie festschreiben, dass Regenwasser nach Möglichkeit am Grundstücksort selbst versickert und von der Abwasserkanalisation entkoppelt wird. Auch das Verbot sogenannter Steingärten kann ein Weg sein, von ihnen sollte man unbedingt abraten. Klar ist aber auch: Die Städte allein werden den Wandel nicht bewerkstelligen. Auch Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer werden sich verstärkt mit verschiedenen Risiken auseinander setzen müssen.
Was können Hausbesitzer tun?
Sie sollten versuchen, Niederschlagswasser und Abwasser zu trennen und den Regen auf ihrem Grundstück versickern zu lassen. Das funktioniert zum Beispiel, indem im Unterboden spezielle Substrate eingebaut werden. Hilfreich ist auch die Pflanzung von Gebüschen, wie z.B. Weiden, die das Wasser über die Verdunstung schnell wieder an die Atmosphäre abgeben. Wie eine bessere Kühlung der Häuser einfach und preiswert funktioniert, macht Südeuropa seit Jahrhunderten vor: Dort sind Fassaden und Dächer vielfach weiß gestrichen, da auf diesem Weg das UV-Licht reflektiert wird. Das kann dann sinnvoller als eine Dachbegrünung sein, wenn die Gebäudestatik keinen ausreichenden Bodenaufbau gestattet und somit eine nur sehr spärliche Vegetation zulässt. Eine solche wüstenähnliche Vegetation, die man mittlerweile auf vielen Dächern sieht, hat mangels Verdunstung kaum Kühlwirkung, allerdings kann sie als Lebensraum in der Stadt dienen. Um unsere Energieversorgung CO2-frei zu bekommen, wäre es am sinnvollsten, die Dachflächen für Photovoltaikanlagen zu nutzen, gegebenenfalls auch in Kombination mit Dachbegrünung. Auch hier kann Politik über Förderprogramme Anreize schaffen.
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