Essen. Simone Rethel-Heesters hat 25 Interviews mit jung gebliebenen Menschen geführt, die zeigen, dass Aktivität das beste Mittel gegen das Alter ist.
Es ist die ewig gleiche Krux: Keiner will alt sein, aber alle wollen alt werden. Und tatsächlich bedeutet Alter heute etwas ganz anderes als noch vor ein, zwei Generationen. Wer gesund ist, für den bedeutet Ruhestand im guten Fall nicht Stillstand, sondern Aktivität. Schauspielerin Simone Rethel-Heesters (71), Witwe des immerhin 108 Jahre alt gewordenen Johannes Heesters, hat mit Kamera und Aufnahmegerät 25 ältere und noch nicht ganz so alte, prominente Gesprächspartner besucht, um mit ihnen übers Älterwerden zu reden.
„Warum? Weil mich schon lange der Gedanke beschäftigt, anderen die tiefsitzende Angst vorm Alter nehmen zu können – na ja, zumindest ein wenig“, schreibt sie im Vorwort. Herausgekommen sind gefühlvolle und oft sehr tiefsinnige Gespräche und Bilder, von denen wir Ihnen exklusiv einen kleinen Ausschnitt zeigen. Simone Rethel-Heesters: „Ich will Mut machen!“
Dieter Hallervorden (85)
Rethel-Heesters: Abgesehen von Deinem tatsächlichen Alter: Wie alt fühlst Du Dich?
Hallervorden Ich glaube, dass ich in meinem tiefsten Innersten sehr viel Kind geblieben bin. Ich fühle mich eher wie ein sehr gesunder Sechziger, aber das hat natürlich auch viel damit zu tun, dass man dafür sorgt, dass sich Herz, Verstand und körperliche Tüchtigkeit im Gleichgewicht halten. Ich hatte zwar meine kleinen Laster, ich habe sie aber immer in Maßen gehalten. Mein Körper hat mir ganz schnell angezeigt: Mensch, das ist zu viel, auch beruflich, sodass ich mal kürzertreten und Pausen einlegen musste. Ich habe sehr auf meinen inneren Schweinhund gehört, der mir sagt: Dieter, davon ist es jetzt genug.
Ich habe in meinem Leben sehr viel Sport gemacht. Man kann mir zwar ein Leben nach dem Tod versprechen, aber solange das nicht bewiesen ist, will ich erst mal dieses ausnutzen. Ich habe eine große Lebenslust, allerdings muss ich einschränkend sagen, dass ich Schwierigkeiten habe, längere Zeit allein zu verbringen.
Hast Du Angst vor dem Tod?
Auf den Tod freuen tue ich mich natürlich nicht. Ich möchte nur nicht, wenn ich krank werden sollte, aufgrund von Maschinen lange vor mich hingammeln. Erst mal will ich 100 werden, dann sehen wir mal weiter.
Jutta Speidel (67)
Rethel-Heesters: Bist Du mit Deinem jetzigen Alter in Harmonie?
Speidel Ich bin mit mir in Harmonie. Mit mir und dem, was sich in meinem Alter vielleicht etwas verändert hat gegenüber von vor 30 Jahren. Aber ich muss Dir sagen, ich finde es auch unglaublich schön, was für sich selber zu tun. Ich habe früher viel weniger Wert auf meine Gesundheit oder meine Fitness gelegt. Alles, was ich mache, mache ich sehr bewusst und ich stelle fest: Ich bin eine ziemlich Fitte.
Wärst Du gerne noch mal jung?
Ich bin jung, aber dumm möchte ich nicht mehr sein [Sie lacht heftig.] – jung und dumm, das will ich nicht mehr sein.
Peter Kraus (82)
Rethel-Heesters: Könntest Du Dir vorstellen, ganz aufzuhören, also gar nichts mehr zu machen?
Kraus Nee, das nicht. Ich möchte nur keine Tourneen mehr machen, weil die Vorarbeit immer intensiver und anstrengender wird. Und damit ich das auch durchhalte, habe ich meiner Frau zum 50. Hochzeitstag genau das versprochen. (...) Wobei ich nicht der Meinung bin, dass ich rein künstlerisch Erfolg haben muss, um nicht alt zu werden. Mir genügt es, wenn ich mit meinen privaten Dingen glücklich bin. Wenn ich mit meinem Paddelboot nach Italien rüber fahre und wieder zurück in derselben Zeit wie im letzten Jahr, ist das auch ein Ziel. Man muss nur immer ein Ziel haben, ich muss jetzt nicht Erfolg haben.
Peter Maffay (71)
Rethel-Heesters: Möchtest Du Dir Deine junge Lebenseinstellung erhalten?
http://Autorin_Sabine_Bode-_Alt_ist_zehn_Jahre_älter_als_man_selbst{esc#231125974}[news]Maffay Unbedingt, ja! Ich glaube, das ist auch keine Utopie. Also den Begriff „jung“ festzumachen an Jahreszahlen, ist ziemlich müßig und nicht ergiebig. Ihn festzumachen an einer gewissen Haltung, das funktioniert schon eher. Ich verbinde mit „jung“ Beweglichkeit, auch ein immer noch gehöriges Maß an Risikobereitschaft, auf Dinge zuzugehen, die einem unbekannt sind, und nicht davor gleich einzuknicken. Ich verbinde mit „jung“ auch eine gewisse respektvolle Frechheit den Umständen, aber auch Zeitgenossen gegenüber. Also eine gewisse Unbekümmertheit, von der man weiß, dass sie einem gelegentlich abhandenkommt, das versuche ich mir ein bisschen zu erhalten, weil ich glaube, dass das der Motor ist, um sich nach vorne zu bewegen,in die Zukunft zu gucken, ohne gleich zu hinterfragen,was einen da alles erwartet.
Glaubst Du, Du könntest in den Ruhestand gehen?
Nein. Es gibt einen Satz im Rock’n’Roll: „Love hard, die fast.“
Rita Süssmuth (84)
Rethel-Heesters: Wie gehen Sie heute mit Ihrem Alter um?
Süssmuth Natürlich merke ich das. Ich habe lange Zeit nicht an das Alter gedacht, auch nicht mit 75. Es war für mich nur eine Zahl und eher die Frage, wie viele Jahre habe ich noch. Ich habe immer um die Begrenztheit der Lebenszeit gewusst. Früher habe ich noch gedacht, mit 60 wirst du sterben, aber die 60 habe ich überlebt, wie Sie merken. Keiner weiß, wie viele Tage, wie viele Jahre ihm noch geschenkt sind. Und eigentlich ging’s mir immer darum, etwas mit der Zeit und den Menschen, mit denen ich zu tun habe, zu machen. Das ist bis heute geblieben, wobei ich natürlich merke, es ist im Alter manches schwieriger durchzusetzen. Leichter sind die Gedanken, schwieriger ist die Umsetzung. Aber zu arbeiten macht mir mehr Spaß, als ständig daran zu denken, ob ich morgen vielleicht sterbe. Dieses Morgen zum Heute zu machen, das ist ganz wichtig. Das ist eine schwierige Aufgabe, gebe ich zu, es ist mit Anstrengung verbunden, auch mit Menschen, die mitmachen. Insofern wünsche ich vielen älteren Menschen Kontakt mit Kindern und Jugendlichen.
Mario Adorf (90)
Rethel-Heesters: Was bedeutet für Sie Glück?
Adorf Es gibt ja viele Menschen, die über sich sagen, sie seien glücklich. Ich sah das Glück immer als eine große Seltenheit an, als ein seltener Moment im Leben. Es gab für mich nie eine lange Glücksstrecke, sondern kurze Momente des Glücks. Einen gescheiten Gedanken über das Glück habe ich früh geliebt: Fortuna, das Sinnbild des Glücks, ist zwar blind, aber nicht unsichtbar. Das heißt also, man kann es packen! Man muss nach dem Glück Ausschau halten, man muss es suchen und dann zupacken verstehen. Das heißt aber auch, dass es einer Anstrengung bedarf: Man muss es sich verdienen! Man darf es nicht wie eine Gnade erwarten, die irgendwo oben vom Himmel kommt, sondern muss sich bewusst machen, dass man ein aktives Leben führt, das dann eben auch möglichst viele Glücksmomente hat.
Simone Rethel-Heesters: Alterslos – Grenzenlos: Gespräche über das Leben, Westend-Verlag, 216 Seiten, 34 Eur