Essen. Die Konfirmation wird oft vertagt. Jugendliche sehen ihren Pfarrer per Zoom. Glückliches Gemeindeleben geht anders – aber Not macht erfinderisch.

Das Los entschied, wo Moritz Hack mit seinen Lieben in der Kirche sitzen durfte. Während des Gottesdienstes waren die Bänke eingeteilt in acht Inseln, um viel Corona-Abstand zwischen den Familien zu schaffen. Wer allerdings zu seiner Familie zählt, das musste der Junge schon selbst entscheiden. Denn maximal neun weitere Menschen durften dabei sein.

Da kam es dem heute 15-Jährigen mal zugute, keine „Riesen-Familie“ zu haben. Das Auswählen fiel ihm nicht schwer: Eltern, zwei Patentanten, die beiden Omas, der Opa und seine zwei Schwestern – das passte genau. „Aber keiner meiner Freunde war dabei, das ging nicht“, bedauert Moritz. Eine Konfirmation in diesen Zeiten ist möglich, aber es ist keine normale Feier.

Finja (14) und Moritz (15) vor der Kirche Am Heierbusch in Essen-Bredeney.
Finja (14) und Moritz (15) vor der Kirche Am Heierbusch in Essen-Bredeney. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Der erste Lockdown fiel genau in die Zeit, in der die evangelische Kirche ihre jungen Menschen konfirmiert. Sie mussten sich oft die Frage beantworten: Möchte ich kurze Zeit später im kleinen Kreis feiern – oder doch lieber warten, bis sich das Gotteshaus wieder füllen darf und ich auch Freunde einladen und die Oma umarmen kann?

So werden Konfirmationen, die eigentlich im Mai vergangenen Jahres stattfinden sollten, wieder und wieder verschoben, bis zum Sommer dieses Jahres. Aber ob dann eine normale Konfirmation wieder möglich sein wird? Und: Passt dann das Kleid oder der Anzug überhaupt noch? Jugendliche in diesem Alter wachsen ja gerne mal ein Stück.

Wir feiern die Konfirmation!

In der Emmaus-Gemeinde in Essen hat man sich entschieden: Wir feiern die Konfirmation! Und so wurde der Termin nur einmal verschoben, von Mai auf September. Statt nur zu einem Gottesdienst in die Kirche am Heierbusch in Essen-Bredeney einzuladen, predigte Joachim Lauterjung an einem Wochenende gleich vier Mal vor kleinen Gruppen. Dabei fand der Pfarrer stets neue Worte. „Es war anstrengend, aber schön.“

Die Menschen wieder in der Kirche zu sehen, das hat dem 59-Jährigen gefallen. Herausfordernd sei die Konfirmandenarbeit mit dem neuen Jahrgang: Die gibt es derzeit nur online. „Vor einem Jahr hat man noch gesagt, in einem Dreivierteljahr ist das alles vorbei. . .“, erinnert sich Finja Endriss, während sie am Gummiband ihrer Maske zupft, die die 14-Jährige an der frischen Luft am Handgelenk trägt.

Jesus in der Videokonferenz

Im Herbst konnten sie wenigstens in der Kirche mit Abstand zusammenkommen. Aber nun? Da sprechen sie am Bildschirm über Jesus. Sie würden das meistern, sagt Finja selbstbewusst. Doch: „Man sieht die anderen nur über die Kamera, auch nicht alle. Es ist viel schwieriger, die Leute kennenzulernen.“

Pfarrer Joachim Lauterjung versucht, im Kontakt mit den jungen Menschen zu bleiben. Aber das ist in diesen Corona-Zeiten gar nicht so leicht. Eine Videokonferenz könne das persönliche Gespräch mit dem Blick in die Augen nicht ersetzen.
Pfarrer Joachim Lauterjung versucht, im Kontakt mit den jungen Menschen zu bleiben. Aber das ist in diesen Corona-Zeiten gar nicht so leicht. Eine Videokonferenz könne das persönliche Gespräch mit dem Blick in die Augen nicht ersetzen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Es sind zudem ganz praktische Fragen, die Eltern von Konfirmandinnen und Konfirmanden in diesen Tagen beschäftigen: Wie wollen wir nach dem Gottesdienst feiern? Wird es im Restaurant möglich sein? Zu Hause? Mit wie vielen Menschen dürfen wir feiern? Und ist ein Büfett erlaubt? Man will ja nicht, dass jemand krank wird.

Finja wünscht sich eine Feier im Garten. Unabhängig von der Pandemie gefällt ihr der Gedanke. „Weil ich es mir schön vorstelle, draußen mit den ganzen Leuten.“ Darauf freut sie sich besonders – und sie ist ganz zuversichtlich: „Dann sehe ich meine Familie wieder. Meinen Opa, meine Patentanten habe ich so lange nicht gesehen.“ Und hoffentlich auch wieder die Frau ihres Patenonkels, die im Krankenhaus liegt… „Egal, was man macht, man hat immer im Hinterkopf, dass Corona ist. Ich will, dass es normal ist!“, sagt Finja mit Nachdruck. Ohne Maske, ohne Abstandhalten – andere Konfirmandinnen mit einer Umarmung begrüßen.

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Moritz konnte noch zu einem gewohnten Gottesdienst gehen, ohne sich registrieren zu lassen. Es war auch keine digitale Predigt, wie sie die Gemeinde am Pfingstwochenende anbietet. Danach traf er sich mit den anderen Konfirmanden im Gemeindecafé. „Sie hatten da einen richtigen Stammtisch“, freut sich Lauterjung.

Richtige Treffen fehlen

Das können die Mädchen und Jungen des neuen Jahrgangs nicht. Ausflüge, Grillabende, Foto-Projekte – alles nicht möglich. Auch nicht die Mitarbeit bei den Kinderbibeltagen. „Ein echtes Gruppenerlebnis haben wir nicht“, bedauert Lauterjung, der das miteinander Reden über Zoom schwierig findet. Schließlich gehöre es dazu, dass man sich direkt in die Augen schaue. Noch mehr schmerzt ihn, dass ein Mädchen mit geistiger Behinderung nicht an den digitalen Treffen teilnehmen kann. „Das ist schlimm. Aber natürlich wird sie mitkonfirmiert.“

Marion Greve, Superintendentin des Kirchenkreises Essen. Für sie ist die Konfirmation weit mehr als ein Bekenntnis zum evangelischen Glauben.
Marion Greve, Superintendentin des Kirchenkreises Essen. Für sie ist die Konfirmation weit mehr als ein Bekenntnis zum evangelischen Glauben. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Auf sein erstes Abendmahl, das oft ein Teil der Konfirmation ist, muss Moritz noch warten. Singen durften die Menschen auch nicht. Aber dafür spielte die Band der Gemeinde, bei der der Gymnasiast sonst selbst am Schlagzeug sitzt. Moritz denkt trotz allem gerne an seine Konfirmation zurück: „Es war alles anders, aber individueller, weil man in kleinen Gruppen da war.“ Nun fühle er sich noch mehr der Gemeinde zugehörig.

Coronabedingt durfte Lauterjung Moritz beim Segen nicht die Hand auflegen. Doch in der evangelischen Kirche ist diese Geste auch anderen Christen erlaubt. „Die Jugendlichen haben sich selbst ausgesucht, wer ihnen die Hand auflegt. Es waren mal Paten, Geschwister, Eltern, Großeltern.“ Moritz war sofort klar: Seine Mutter und sein Vater, beide sollten ihm die Hände auf den Kopf legen, während der Pfarrer vorne am Altar den Segen spricht. Lauterjung: „Es war für alle Beteiligten sehr anrührend. Ich überlege, es beizubehalten.“ Für die Konfirmationen nach Corona.

>> Gymnasiasten treffen auf Hauptschüler – Konfirmation ist mehr als das Bekenntnis zum Glauben

Als der erste Lockdown begann, musste die evangelische Kirche die Konfirmationen absagen. Aber: „Die meisten Gemeinden bei uns haben im letzten Jahr die Konfirmationen durchgeführt“, freut sich Marion Greve, Superintendentin des Kirchenkreises Essen.

Oft wurden die Jugendlichen in kleinen Gruppen in vielen Gottesdiensten konfirmiert. 552 junge Menschen konnten sich so im Herbst bewusst für ihren Glauben entscheiden. Zum Vergleich: In den vergangenen Jahren waren es im Essener Kirchenkreis bis zu 874 Jugendliche.

Wie viele Feiern ins neue Jahr verschoben wurden, ob gar junge Menschen abbrechen, dazu liegen der 55-Jährigen keine Zahlen vor. Auch die Evangelische Kirche im Rheinland und von Westfalen kann auf Nachfrage keine Auskunft darüber geben. Um den Kontakt zu halten, seien die Gemeinden zurzeit sehr kreativ, so die Pfarrerin. Nicht alle würden sich online treffen. „Manche gehen auch zusammen spazieren.“

Die Freiburger Studie über Kirchenmitgliedschaft und -steuern habe gezeigt, wie wichtig die Konfirmation sei, damit Jugendliche sich den Gemeinden verbunden fühlen, sagt Greve. Sie betont zudem die Bedeutung für die Gesellschaft: Die Jungen und Mädchen lernten in einer schwierigen Lebensphase, dass Leistung nicht alles ist. „Sie kommen zusammen und mal raus aus ihrer Blase.“ Gymnasiasten treffen auf Hauptschüler, Realschüler auf Förderschüler.

Was natürlich auch jeder weiß: Konfirmation ist ein Familienfest, bei dem junge Menschen im Mittelpunkt stehen – und sich oft auch über Geschenke freuen dürfen.