Bottrop. Kabarettist Benjamin Eisenberg, hat seine Doktorarbeit über Sprachkomik geschrieben. Uns er erklärt er nun, warum uns manches komisch vorkommt.

Was ist eigentlich schlimmer, als wenn man einen Witz erklären muss? Na, wenn man gleich die ganze Komik erklären will! Kein Scherz! Dennoch hat sich Benjamin Eisenberg, der als Solo-Kabarettschmied mit „Pointen aus Stahl“ unterwegs ist und in Bottrop durch die „Comedy im Saal“ führt, lange darüber das Hirn zermartert. Nicht ohne Zuhilfenahme einer hohen Dosis Lachwaren – und aber eben auch mit einer gehörigen Kelle Theorie. Die Arbeit trägt den nicht allzu spritzigen Titel: „Aspekte der Komik-Analyse: Wie entsteht Sprachkomik?“ Herausgekommen sind aber immerhin ein sehr ernster 680-Seiten-Schinken und ein Doktortitel. Grund genug für uns, den frischgebackenen Humorwissenschaftler mal erklären zu lassen, was daran denn komisch sein soll.

Kabarettisten mit Doktortitel, davon gibt’s ja schon einige, nehmen wir Stratmann oder Hirschhausen. Muss ich jetzt „Doktor Eisenberg“ sagen?

Bloß nicht, das klingt ja eher nach einem Bösewicht aus einem Bond-Film, der seine Katze krault!

Aber im Ernst: Warum haben Sie sich mit dem wohl amüsantesten Thema der Welt auf die denkbar unamüsanteste Art und Weise beschäftigt?

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Ich mache das ja ohnehin praktisch schon immer. In der Schule und im Studium habe ich immer versucht, mir die Themen so auszusuchen, dass ich mich in meinem Bereich auch theoretisch weiterbilde. Da es keine Ausbildung gibt zum Komiker oder zum Kabarettisten, habe ich mir den Theorieteil selbst auferlegt. Ich habe schon Hausarbeiten und meine Magisterarbeit dazu geschrieben, da lag es nahe…

Sind sie selbst durch diese Arbeit komischer geworden?

Wenn man eine Idee hat, kann man auf jeden Fall reflektierter damit umgehen. Es ging natürlich vorher auch ohne diese Arbeit, man hat ja schon jahrelang auf der Bühne gestanden und gearbeitet. Aber es ist schon gewinnbringend für sich zu nutzen.

Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Komik und Humor?

Das ist so eine Sache. Ich halte es mit Robert Gernhardt: Humor ist eine Einstellungssache – also das Vermögen, etwas lustig zu finden. Es ist der Sinn für die Komik. Finde ich etwas lustig oder nicht? Das hängt von meinem Humor ab oder von meinem Komikverständnis. Komik selber ist aber etwas absichtlich Gemachtes, es ist immer ein Komikprodukt. Dann kann man aber auch noch unfreiwillig lustig sein – das ist zwar etwas Komisches, aber keine Komik. Das war in meinen Augen eine sinnvolle Unterscheidung, gerade weil diese Ausdrücke nicht immer klar definiert werden.

Und die Komik sollte beim Empfänger auf möglichst kurzem Wege ankommen?

Fast jeder Komiktext hat einen gewissen Grad der Auslassung. Das ist bei Sprache eigentlich immer so, dass sie etwas weglässt, von dem man glaubt, dass es bei den Empfängern schon vorausgesetzt werden kann. Aber gerade bei einem Witz muss man halt die entsprechenden Informationen weglassen, damit dieser nicht schon gleichzeitig erklärt wird. Andererseits kann es allerdings auch ziemlich komisch werden, wenn ein Text überflüssigerweise viel zu viele Informationen gibt.

Sie versuchen zu erklären, wo Komik beginnt – und zwar anhand einer Kartoffel! Das ist ja wohl ein Beispiel, das ganz speziell auf den deutschen Humor zugeschnitten ist…

Benjamin Eisenberg: Dieser Cartoon des Duos „Hauck & Bauer“ ist ein schönes Beispiel dafür, dass eben nicht jeder Gag über Doppeldeutigkeiten erzeugt wird. Wie bei den meisten Gags kommen hier gleich mehrere Strategien zum Einsatz. Da wäre zuerst die handlungstaktische Dummheit des karikierten Mannes, welcher der Angemessenheit entgegen einfach nicht flexibel genug im Denken ist (Separationsaspekt). Wenn er die Frau näher kennenlernen möchte, müsste er hier seine Interessen zurückstellen.So weit kommt er in der Selbstreflexion aber gar nicht erst, da das Wort „Fußball“ als Reizwort zu stark ist. Er lässt die Frau ja nicht einmal ausreden (perfektes Timing für den Gag). Der Reflex funktioniert ähnlich wie bei Pawlows Hunden und der Essensglocke. Dieser Vergleich wird zumindest nahegelegt. Und dann ist hinsichtlich der Frau auf jeden Fall auch eine Wiederholung im Spiel, und zwar als unglücklicher Zufall, schon wieder an denselben Typ Mann zu geraten. Damit spielt der Cartoon natürlich auch auf elliptische Art und Weise auf das stereotype Männerbild an: Alle gleich, haben nur Fußball im Kopf. So gesehen entpuppt sich das Vorhaben, den richtigen Mann zu finden, als Sisyphusarbeit. Damit liegt die Dummheit – als ausbleibender Lerneffekt – natürlich auch bei der Frau: Männer sind so. Versuch zwecklos.
Benjamin Eisenberg: Dieser Cartoon des Duos „Hauck & Bauer“ ist ein schönes Beispiel dafür, dass eben nicht jeder Gag über Doppeldeutigkeiten erzeugt wird. Wie bei den meisten Gags kommen hier gleich mehrere Strategien zum Einsatz. Da wäre zuerst die handlungstaktische Dummheit des karikierten Mannes, welcher der Angemessenheit entgegen einfach nicht flexibel genug im Denken ist (Separationsaspekt). Wenn er die Frau näher kennenlernen möchte, müsste er hier seine Interessen zurückstellen.So weit kommt er in der Selbstreflexion aber gar nicht erst, da das Wort „Fußball“ als Reizwort zu stark ist. Er lässt die Frau ja nicht einmal ausreden (perfektes Timing für den Gag). Der Reflex funktioniert ähnlich wie bei Pawlows Hunden und der Essensglocke. Dieser Vergleich wird zumindest nahegelegt. Und dann ist hinsichtlich der Frau auf jeden Fall auch eine Wiederholung im Spiel, und zwar als unglücklicher Zufall, schon wieder an denselben Typ Mann zu geraten. Damit spielt der Cartoon natürlich auch auf elliptische Art und Weise auf das stereotype Männerbild an: Alle gleich, haben nur Fußball im Kopf. So gesehen entpuppt sich das Vorhaben, den richtigen Mann zu finden, als Sisyphusarbeit. Damit liegt die Dummheit – als ausbleibender Lerneffekt – natürlich auch bei der Frau: Männer sind so. Versuch zwecklos. © Hauck&Bauer | Hauck&Bauer

Das war eher ein Zufall. Ich wollte ganz vorne anfangen: Wann erscheint einem etwas lustig? Und da bin ich auf Gegenstände aus der Natur gestoßen – und dabei habe ich gefunden, was im Internet oft als „witzige Kartoffel“ präsentiert wird. Und im Gegensatz zu ganz normalen Kartoffeln fängt es an, lustig zu werden, wenn sie beginnen, auszusehen wie menschliche Körperteile. Eine Kartoffel, die aussieht wie ein Hintern oder sonstwas, das ist dafür ein griffiges Beispiel.

War es wichtig, dabei hauptsächlich im deutschsprachigen Raum zu bleiben? Den Deutschen spricht man oft den Humor ab, besonders, wenn es sich um diese hinterhältigen Engländer handelt.

Ach, das war der Einfachheit halber – und es gibt ja auch hier genug Beispiele, die zeigen, dass die Deutschen ganz und gar nicht humorlos sind.

Unterscheidet sich deutscher Humor von dem in anderen Ländern?

Definitiv, denn Humor ist ja immer kulturabhängig. Die Frage ist immer: Was wird als normal vorausgesetzt? Und was weicht zu sehr ab? Das ist unterschiedlich von Kultur zu Kultur, vielleicht noch nicht einmal von Land zu Land… Wir haben manche Klischees, aber natürlich lachen die Franzosen oder Chinesen vielleicht auch über Dinge, die wir gern essen.

Mit landestypischen Stereotypen ist es ja immer etwas gefährlich…

Die Frage ist: Welche Stereotype gibt es? In der General Theory of Verbal Humor gibt es solche Standardwitze: „Wie viele Polen braucht man, um eine Glühbirne einzudrehen?“ Weil es sich bei denen halt mit dem Stereotyp vom Polen so verhält wie bei uns mit den Blondinen oder den Ostfriesen. Zumindest für die Textsorte Witz akzeptiert man solche Zuschreibungen, so wie man in einer Fabel akzeptiert, dass Tiere sprechen können.

Also kann ich Stereotype gezielt für Humor nutzen, also etwa wenn Mario Barth über seine Freundin redet und dabei Geschlechter-Stereotype zuhauf herbeizerrt…

Na klar, das kann man. Er arbeitet tatsächlich viel mehr mit Stereotypen als mit klassischen Pointen. Das hat Helga Kotthoff, die sicherlich bekannteste Komikforscherin im deutschsprachigen Raum, in einem Aufsatz sehr eindrucksvoll gezeigt. Es geht mehr um Vorurteile zwischen Männern und Frauen, als dass es mal um eine Pointe geht, bei der etwa ein Wort zwei Bedeutungen hat, wie es bei einem typischen Witz wäre…

Was ist Ihr kurz erzählter Lieblingsgag?

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Der ist – passend zur Karnevalssession, die ja nun leider ausfällt – vom Colonia Duett, und ich versuch es auf Kölsch: Hömma, du Äi, neulisch war isch in de’ Kirsche, und der Pastor hat jesacht, isch soll nisch in den neuen Erottik-Club jehen, weil isch da wat sehen könnte, wat isch nisch sehen sollte. – Und? – Isch war trotzdem da jewesen. – Und wat hasse jeseh’n? – Den Pastor. Tä tä, tä tä, tä tä.

Wenn Sie mal richtig lachen wollen, lesen Sie besser nicht: Benjamin Eisenberg, „Aspekte der Komik-Analyse: Wie entsteht Sprachkomik?“ Universitätsverlag Rhein-Ruhr, 680 Seiten, 95 Euro – sondern gehen zu einer der hoffentlich bald wieder stattfindenden Shows, etwa zu „Comedy im Saal“, 18.4., Bottrop, zur Comedybaustelle, 25.4., Bottrop oder zu „Nachgewürzt“ am 14.&15.5. in Oberhausen, Zentrum Altenberg. Vorher gibt es „Nachgewürzt“ zum politischen Aschermittwoch am 17.2. als Online-Ausgabe auf nachgewuerzt.de. Weitere Termine und Tickets unter benjamin-eisenberg.de