Herne. Live-Führung per Videokonferenz: Museumspädagogen zeigen die Ausstellung für Archäologie in Herne. Fragen sind erlaubt.

Was für Zähne! Schon die spitzen Eckzähne des Höhlenbären sind furchteinflößend. Erst recht, wenn Michael Lagers noch dichter mit der Kamera herangeht und der Bildschirm ausgefüllt ist mit den Raubtierzähnen. Das LWL-Museum für Archäologie in Herne hält wegen der Corona-Regeln zurzeit die Tür fest verschlossen, aber man kann trotzdem eine Führung durch die Ausstellung erleben. Und zwar live – per Videokonferenz.

Die Corona-Not macht eben erfinderisch. Videos und Fotos aus dem Museum sind bereits im Netz. Aber wenn man direkt mit einem Museumspädagogen sprechen und ihn fragen kann, ist das doch noch mal etwas anderes. So klickt der Online-Besucher auf die zuvor per Mail erhaltene Zoom-Einladung. Und schon begrüßen Michael Lagers und sein Mitarbeiter Kai Bernhardt auf dem Bildschirm des Smartphones oder des Computers zur Führung durch die Jungsteinzeit in Westfalen.

Michael Lagers, Leiter der Museumspädagogik, verweist auf die furchteinflößenden Zähne eines Höhlenbären.
Michael Lagers, Leiter der Museumspädagogik, verweist auf die furchteinflößenden Zähne eines Höhlenbären. © LWL/A. Burmann

Vor dem 500 Kilogramm schweren Höhlenbären muss man sich heute nicht mehr fürchten, versichern sie und ziehen den Vergleich: Der Braunbär bringt gerade mal leichte 160 Kilo auf die Waage. Die Zähne des ausgestorbenen Tieres sind zwar spitz, aber doch von der Größe her ein Witz – im Vergleich zum Stoßzahn eines Mammuts.

Drei Meter langer Stoßzahn eines Mammuts

Dabei ist der, den Kai Bernhardt da in beiden Händen hält, klein. „Wir haben hier einen Mammutstoßzahn von einem Jungtier“, erklärt der Historiker. Der von der Mammut-Mama konnte sogar drei Meter lang werden. Und dann hält Bernhardt einen weiteren Zahn hoch, der fast so groß ist wie der Kopf des 32-Jährigen: ein Mammutbackenzahn. Riesig, aber harmlos geriffelt. Schließlich mochte das Tier mit dem dicken Fell am liebsten Grünzeug.

Mit dem so genannten Medienwagen, auf dem ein Laptop und eine Leuchte stehen, rollt Bernhardt durch die Ausstellung. Er richtet Kamera und Licht nach unten auf eine Vitrine, die einem Schneewittchensarg gleicht. Darin liegt das Skelett einer Bäuerin. Warum die Frau auf der Seite liegend mit dem Blick nach Osten – wie so oft zu der Zeit – begraben wurde, könne die Wissenschaft noch nicht erklären. „Was wir aber über diese Frau sagen können, ist, dass sie zwischen 20 und 30 Jahre alt geworden ist und dass sie Probleme mit den Knien hatte.“ Aber warum? „Wie diese Abnutzung der Knie zustande gekommen ist, das zeigt uns jetzt Michael Lagers. Michael?“

Knie kaputt – vom langen Mehlmahlen

Der 46-Jährige steht an einer anderen Stelle des Museums und richtet seine Kamera auf einen Stein. „Mit so einem Mahlstein haben die Menschen hier in der Region, aber auch weit darüber hinaus, vor ungefähr fünf- bis siebentausend Jahren Getreide gemahlen“, so der Historiker. Und dafür haben sie vor den Steinen gekniet. „Was schätzen Sie, wie viel Zeit braucht es wohl, um genügend Mehl zu produzieren, damit eine fünfköpfige Familie eine Hauptmahlzeit bekommt?“ Jetzt ist der Besucher gefragt. Einen Tag lang? „Ganz so heftig war es doch nicht“, so Lagers. „Experimental-Archäologen haben zweieinhalb Stunden bis drei Stunden benötigt, um so eine Menge herzustellen.“

Damit es anschaulicher wird, gibt Bernhardt den Bildschirm frei für ein Video: Darauf ist er selbst zu sehen, wie er vor dem großen Stein kniet, auf dem Getreide verteilt ist. Er streicht den kleineren Stein immer wieder vor und zurück über den größeren – und mahlt so das Mehl. 100 Schübe später: „Daraus könnte man vielleicht ein Pizzabrötchen backen, wenn überhaupt.“ Kein Wunder also, dass an den Knien der hockenden Bäuerin der Zahn der Zeit genagt hatte.

Eigentlich heißt es in dem Museum: Anfassen erlaubt! Zumindest Rekonstruktionen wie die des Neandertalerschädels. Insbesondere Kinder, die sonst mit selbstgebastelten römischen Würfeln oder Ritterhelmen die Ausstellung verlassen, muss man per Video anders ansprechen: So lässt man sie etwa die eigenen Knochen unter den Augenbrauen ertasten. Die sind nicht so ausgeprägt wie beim Neandertaler!

Nur die Nase riecht nichts

Der Geruchssinn aber, der kommt bei dieser Art von Führung zu kurz. Bernhardt zeigt ein Messer mit Holzgriff, Feuersteinklinge und Birkenpech – eine Art steinzeitlicher Heißkleber. „Es riecht nach Holz, nach Rauch, manche sagen, nach geräuchertem Lachs oder Schinken.“

„Das Erlebnis vor Ort wird durch nichts Digitales ersetzt werden können“, betont Lagers. Trotzdem soll es die Live-Führung nicht nur in Corona-Zeiten geben. Menschen, die weiter weg wohnen, können so einen Einblick bekommen. Und das Schöne ist: Fragen zur Jungsteinzeit werden sofort beantwortet. Wie anders der Homo sapiens damals gelebt hat, im Vergleich zum Homo smartphone...

„Wer weiß, wie sie in der Jungsteinzeit zusammensaßen und sich dachten: ,Mensch, wenn ich überlege, wie die früher durch die Wälder gestreift sind, sie mussten sehen, wie sie die Bären finden. Wir heute haben das Vieh hinter dem Haus stehen und können Getreide selbst anbauen’“, gibt Lagers lächelnd zu Bedenken. „Ich glaube, zu jeder Zeit haben sich die Menschen als fortschrittlich erkannt. Es ist immer eine Frage der Perspektive.“

Live ins Museum

Die Video-Führungen (60 bis 90 Minuten) eignen sich für Gruppen, Klassen ab Grundschule, Familien, Freunde. Auch Einzelpersonen können sich anmelden: 02323 94628-0​, lwl-archaeologiemuseum@lwl.org

Da die Museumspädagogen im LWL-Museum für Archäologie die Themen-Touren noch testen, kann jeder Teilnehmer einen Geldbetrag überweisen, den er für angemessen hält.

Hier geht es zu den digitalen Angeboten der LWL-Museen .