Essen. Manchen täte es gut, bei der Nutzung von digitalen Medien aufs Wohlbefinden zu achten. Wir haben uns erkundigt, wie man online glücklich bleibt.
Immer wieder am Montagmorgen, Punkt 9.19 Uhr, ploppt eine Nachricht auf meinem Handy auf und ich erschrecke: Das Telefon zeigt mir an, wie viel Zeit ich in den letzten sieben Tagen mit dem Smartphone verbracht habe. Im Schnitt waren’s aktuell 3 Stunden 13 Minuten. Pro Tag. Größter Zeitfresser: Der Browser, in dem ich vornehmlich Nachrichten lese, Wissenswertes nachschlage, weiter hinten: soziale Medien, YouTube.
3 Stunden 13, das ist viel. Zu viel. Denn ich sitze ja schon bei der Arbeit vorm Computer. Weniger wäre mehr, das weiß ich ja auch. Weniger Bildschirmzeit, mehr Lebensqualität. Mit dieser Einsicht bin ich nicht alleine: Der Branchenverband Bitkom meldete Anfang 2020, dass in Deutschland fast jeder Vierte (24 Prozent) schon versucht hat, einen Tag auf digitale Medien zu verzichten – und gescheitert ist.
Dabei geben die Hersteller den Nutzern mittlerweile sogar Mittel dafür an die Hand: Mit dem „Digital Wellbeing“ bietet Google den Nutzern die Möglichkeit, ihre Zeit am Gerät zu kontrollieren und einzuschränken, bei Apple nennt sich die Funktion „Bildschirmzeit“.
Wie sehr wir unter dem „Zuviel“ an Bildschirmzeit leiden, weiß Kommunikationsforscherin Dorothée Hefner von der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Sie ist Mitautorin des Buchs „Permanently online, permanently connected“…
Frau Hefner, haben unsere Online-Zeiten in den letzten Jahren tatsächlich zugenommen?
Hefner Klar, dadurch, dass wir das Smartphone mit uns herumschleppen und ständig die Chance haben, online zu gehen, hat die Nutzung sehr stark zugenommen.
Vor ein paar Jahren hingen nur die Jüngeren ständig am Handy…
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Das hat sich verschoben: Es gibt bei technischen Entwicklungen die sogenannten Early Adopter, dann übernehmen andere das. Und schließlich eben auch die, die sich am Anfang noch ein bisschen gesperrt haben.
Macht die viele Online-Zeit unsere Lebensfreude kaputt?
Bestimmte Arten von Nutzung können tatsächlich bewirken, dass Menschen sich unglücklicher fühlen. Aber das ist kein einfacher Zusammenhang im Sinne von: Je mehr ich nutze, desto unglücklicher werde ich. Man muss im Detail gucken: Welche Arten von Nutzung gibt es und welche Arten von Menschen. Ein Mensch, der zum Glücklichsein neigt und eine stabile Persönlichkeitsstruktur hat, für den kann es ein Vorteil sein, so mit anderen in Kontakt zu sein. Es sind eher die Personen, die von vornherein zum Beispiel mit sozialen Kontakten Schwierigkeiten haben, die in eine vermehrte Nutzung rein schlittern.
Wodurch kommt das?
Es gibt das Phänomen „Fear of Missing out“, kurz „FoMo“. Das betrifft oft jene, die sich ständig Sorgen machen, ob sie dazugehören und ihren Platz in der Gruppe haben. Sie bemühen sich besonders, up to date zu sein und abzuchecken: Wo stehe ich im sozialen Feld? Das führt dazu, dass sie sich ganz stark mit anderen vergleichen. Und wenn sie sehen, was für tolle Dinge die anderen haben und wie gut die anderen aussehen auf ihren Instagram-Posts, das ist die Art der Nutzung, die unglücklich macht.
Was ist denn ein gesundes Maß der Nutzung von digitalen Medien?
Man kann sagen: Dass die Nutzung dann gesund ist, wenn man sie gut selber kontrollieren kann. Wenn jemand sagt: Eigentlich tut es mir nicht gut, wenn ich das Handy mit ins Schlafzimmer nehme – besser, ich lege das um 21 Uhr weg und mache es morgens wieder an. Jetzt ist die Frage: Schafft die Person das?
Wie lernt man das?
Da gibt es ein paar Kompetenzen. Das ist erstens: Dass man selbst merkt, was einem guttut und was nicht. Also so ein gewisses Maß an Selbstbeobachtung. Und zweitens, dass man dann sein Verhalten danach richtet, was einem guttut.
Gibt es da die Gefahr, dass die Mediennutzung zur Sucht wird?
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Eine Sucht ist an mehreren Kriterien festzumachen. Man muss es immer mehr nutzen. Man reguliert seine eigenen Emotionen mit der Nutzung. Man hat Konflikte aufgrund der Nutzung. Wenn mehrere der Kriterien erfüllt sind, sollte man anfangen, sich Sorgen zu machen.
Wie kann ich bei digitalen Medien den Nutzen optimieren und dabei weniger Zeit aufwenden?
Man sollte für sich Zeiten festlegen, in denen man elektronische Medien nicht nutzt. Während des Essens... Wenn ich mit anderen zusammen bin… Dazu muss man nicht gleich Digital Detox machen. Man darf natürlich auch mal Spaß haben mit seinem digitalen Endgerät. Aber man muss es schaffen, es im richtigen Moment wegzulegen. Und das ist für viele sehr schwierig.
>>>So lassen Sie die Finger öfter vom Smartphone
1. Ziele setzen: Man sollte sich kleine, erreichbare Ziele überlegen. Vielleicht reicht es ja am Anfang, pro Tag eine halbe oder eine ganze Stunde weniger mit dem Smartphone zu verbringen. Dazu sind ein paar Verhaltensweisen sinnvoll:
Bei der Arbeit das Smartphone bewusst außerhalb der Griff- und Sichtweite legen, am besten mit dem Display nach unten.
Die Benachrichtigungssignale von sozialen Netzwerken, Mails und anderen Nachrichten bewusst stumm schalten oder abschalten.
Es reicht, wenn man erst nach dem Frühstück zum Handy greift – vor dem ersten Kaffee oder Tee ist man eh noch zu verschlafen.
Wer’s nicht lassen kann, sollte sich disziplinieren – und vielleicht nur zu jeder vollen Stunde aufs Screen blicken.
Push-Nachrichten so gut wie möglich deaktivieren.
2. Bewusst Limits setzen
Nutzen Sie Funktionen wie „Digital Wellbeing“ und „Bildschirmzeit“ nicht nur, um zu staunen, wie viel Zeit sie mit einzelnen Apps verbringen. Sie können auch bewusst die Zeiten festlegen, in denen Sie bestimmte Apps blockieren. Oder für einzelne Apps ein oberes Zeitlimit festlegen. Oder nur ein gewisses Kontingent an Nachrichten zulassen. Es gibt zig Möglichkeiten. Experimentieren Sie, womit Sie sich wohlfühlen.
3. Offline-Bereiche festlegen
An welchen Orten hat das Smartphone eher nichts zu suchen? Das Schlafzimmer ist so ein klassischer Kandidat, zumal viele Menschen berichten, wegen des kalten Handylichts Probleme beim Einschlafen zu haben. Oder das Badezimmer…
4. Manches wieder analog erledigen
So praktisch ein Smartphone ist, es muss nicht alle Funktionen übernehmen. Wer eine Armbanduhr trägt, wird nicht für die Uhrzeit aufs Handy schielen. Wer einen Wecker hat, verbannt das Handy vom Nachttisch. Wer in der S-Bahn ein Buch oder sogar eine Zeitung (!) dabei hat, muss nicht so viel auf dem Smartphone lesen.