Neuss. Claudia Peeters (49) päppelt Nagetiere auf. Die Neusserin betreibt eine regelrechte Kleintier-Kita. Durchschlafen ist bei dem Vollzeitjob nicht.

Mittagszeit. Pippilotta hat mal wieder Hunger. Also füttert Claudia Peeters sie mit Milchnahrung. Pippilotta nuckelt an einer kleinen Trinkflasche und macht dabei große Augen. „Die Kleine entwickelt sich sehr gut“, sagt Peeters. 18 Gramm bringt Pippilotta auf die Waage – Idealgewicht für ein sieben Tage altes Eichhörnchen.

Es braucht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass das Tier mal einen buschigen Schwanz haben wird, Bäume hochklettert und an Walnüssen nagt. Denn die nackte Pippilotta sieht auf den ersten Blick nicht nach einem Eichhörnchen aus. „Aber man erkennt schon den Pflaum“, erklärt Peeters.

“Pippilotta“ (7 Tage) wird noch aufgepäppelt.
“Pippilotta“ (7 Tage) wird noch aufgepäppelt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Seit drei Tagen lebt das Baby-Eichhörnchen bei ihr. Ein Mann aus Mönchengladbach hatte das junge Tier auf einem Gehweg gefunden. Es wirkte schwach. Der Mann wollte helfen, googelte – und stieß im Internet auf die Eichhörnchen-Notfallstation in Neuss. Die hat Claudia Peeters aufgebaut. Sie füttert die Nagetiere, versorgt sie, wenn notwendig, mit Medikamenten und bereitet sie auf die Auswilderung vor.

Alles fing vor 15 Jahren mit Simon an. Freunde von Claudia Peeters hatten das verletzte Eichhörnchen gefunden und zu Besuch mitgebracht. „Der Kleine guckte bei meinem Bekannten aus dem T-Shirt heraus, danach wir ich hin und weg“, erzählt die heute 49-Jährige. Sie pflegte Simon voller Hingabe. Da das Tier einen Hüftschaden hatte, durfte es nicht ausgewildert werden. Es lebte in einer Voliere. Als Simon starb, trauerte Peeters um das Eichhörnchen.

Die gelernte Erzieherin fasste aber auch den Entschluss, ihr Leben den flinken Nagern zu widmen. Sie sprach mit einer Züchterin und schaffte sich Fachwissen drauf. Mittlerweile weiß Peeters vermutlich mehr über Eichhörnchen als so mancher Biologe. Sie könnte Vorträge über das Tier und sein Wesen halten. Aber dafür fehlt ihr die Zeit.

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„Das ist ein Hobby für mich, aber gleichzeitig ein Fulltime-Job“, sagt Peeters. Die Jungtiere brauchen alle drei Stunden ihr Futter. Durchschlafen ist nicht. Da die Eichhörnchen-Expertin auch noch in einer Tierarztpraxis mitarbeitet, ist sie in der Station auf Unterstützung angewiesen. Ein kleines Team hilft ihr bei der Aufzucht – so wie Iris Spennrath. Die wohnt in Claudia Peeters‘ Nachbarschaft und sah die Eichhörnchen durch die Voliere flitzen. Sofort war sie begeistert. „Ich habe dann angeboten, in der Station mitzuhelfen.“

Kuschelzeit in der Nagetier-Kita.
Kuschelzeit in der Nagetier-Kita. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Peeters nahm das Angebot gerne an. Zu tun ist in der Notfall-Station genug. Gerade jetzt in der Eichhörnchen-Saison, die von März bis September geht. Dann bekommen die Eichkätzchen vermehrt Nachwuchs. Wenn ein Säugling aus dem Nest fällt, kommt es oft zu Verletzungen. Solche Findlinge landen bei Claudia Peeters. Die Zahl der von ihr aufgepäppelten Hörnchen geht schon in den vierstelligen Bereich. „Und da kommen die Igel, Fuchswelpen, Fledermäuse und Feldhasen noch obendrauf.“ Diese Tiere versorgt sie aktuell nur im äußersten Notfall. Ihr fehlt schlichtweg die Zeit für Fuchs und Igel. Und auch der Platz ist endlich. Peeters hat die Eichhörnchen schon über das ganze Haus verteilt. Die jungen Tiere wie Pippilotta leben in einer Voliere im ersten Stock. Im Erdgeschoss gibt es den Kindergarten für die „Generation vier Wochen plus“.

Die jungen haben grade ihre Augen geöffnet und werden noch von Hand gefüttert. Claudia Peeters (49) päppelt Eichhörnchen auf. Sie hat damit einen Fulltime-Job. Zu Besuch in der Notfall-Station in Neuss.
Die jungen haben grade ihre Augen geöffnet und werden noch von Hand gefüttert. Claudia Peeters (49) päppelt Eichhörnchen auf. Sie hat damit einen Fulltime-Job. Zu Besuch in der Notfall-Station in Neuss. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Ab der siebten Woche geht es nach draußen. Dort hat Peeters in Handarbeit ein kleines Paradies für Eichhörnchen geschaffen. Im Außengehege flitzen die Tiere im Laufrad, springen über die Äste, erkunden einen Tunnel. Dort leben auch die Senioren. Die cremefarbene Mucki ist schon drei Jahre alt. „Sie ist so was wie meine Kollegin und hat die Jungtiere im Griff“, sagt Peeters. Mucki wird in der Voliere bleiben, zum Auswildern ist sie ungeeignet.

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Andere Eichhörnchen verlassen die Notfall-Station im Laufe der Zeit. Claudia Peeters öffnet dann eine Schleuse und lässt die Tiere in den Garten. Von dort aus erkunden sie die Nachbarschaft. Wenn Peeters im benachbarten Wald einen Spaziergang macht, trifft sie ihre alten Mitbewohner wieder. „Ich weiß sofort, wen ich vor mir habe“, sagt sie. „Ich erkenne alle wieder.“

Patenschaften

Die Arbeit der Notfall-Station finanziert sich allein durch Spenden. Diese sammelt Claudia Peeters durch den Verein „Eichhörnchen Schutz e.V.“ Wer mitmachen will, kann sich auf eichhoernchen-mit-herz.de.tl informieren. Auch auf der Facebook-Seite „Eichhörnchenrettung.Neuss“ ist Peeters aktiv. Die Neusserin vermittelt auch Patenschaften für die Nagetiere.

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