Mülheim. Die Corona-Krise nagt auch an Atze Schröder. Der Comedian aus Essen macht jetzt auch in Podcast und Autokino – und ätzt gegen Promis von heute.
Da brutzeln sie in der Sonne in ihren Blechboliden, die vielen Hundert Besucher der Live-Vorstellung der „Zärtlichen Cousinen“ im Autokino am Flughafen Essen/Mülheim. 27 Grad zeigt das Thermometer, gefühlt sind’s 35. „Und du trägst auch noch ‘ne Jacke, leck mich am Arsch“, blafft Atze Schröder seinen Kumpel Till Hoheneder an.
Seit Februar vergangenen Jahres tauschen sich Atze, der Profi-Proll, und Till, der Profi-Parodist, einmal pro Woche verbal im Internet aus. „Zärtliche Cousinen“ heißt der gemeinsame Podcast, benannt nach einem französischen Softporno aus dem Jahr 1980. Warum der Name? „Wir haben natürlich versucht, soviel aus dem Film rüberzuretten wie möglich. Aber Anja Schüte, eine der Hauptdarstellerinnen und die Ex-Frau von Roland Kaiser, ist ja jetzt auch nicht mehr ganz so jung“, so Atze Schröder.
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Atze und Till wurden vom Management "zum Podcast gezwungen"
Gut, dass das nicht ganz ernst gemeint ist, ahnt wohl jeder, der den berühmtesten Perückenträger Essen-Krays schon mal live gesehen hat. Tatsächlich entstand der Podcast-Name „aus einer Bierlaune“, wie Schröder im Interview vor der Show zugibt. Und der Podcast an sich war anscheinend auch erst gar nicht so gewollt. Nochmal Atze: „Wir wurden ja eigentlich von unserem Management dahin gezwungen. Wir wussten erst gar nicht, was ein Podcast ist.“ Das war allerdings kein Problem, wie Hoheneder ergänzt: „Die sagten zu uns: Setzt euch einfach mal ins Studio und tut so, als seid ihr an einer Bar. Joa, das haben wir dann gemacht.“
Und damit geht es in Corona-Zeiten auf die Bühne. Geld macht damit wohl keiner, Autokino-Liveproduktionen sind teuer. Aber: „Es entwickelt sich gerade so eine Cousinen-Gemeinde. Auf Facebook gibt‘s eine Fangruppe. Das nimmt so viel Fahrt auf, da dachten wir uns: ,Komm, wir tun mal was für die Community und lassen uns auf der Bühne blicken’, so Hoheneder. Eine Win-Win-Situation für Künstler wie Anhänger.
Die Bühne ist neben der riesigen Leinwand vergleichsweise winzig. Mit einem klassischen Comedy-Programm hat das Gebotene sowieso wenig zu tun. Atze und Till spielen sich in Ping-Pong-Manier Erinnerungen aus 30 Jahren im Showgeschäft zu. Da wird über die „vier Rentner in Nuttenstiefeln“, gemeint sind KISS, gelästert. Da geht es um die stets zwischen Souveränität und Fremdschämen schwankenden Moderationstaktiken von Entertainer-Legende Thomas Gottschalk. Und auch über „den Dieter, den Thomas, den Heck“ aus der „Zett-Dee-Eff-Hitparade“, sowie dessen Qualitäten am Glas wissen Hoheneder und Schröder viel zu erzählen.
Es geht auf der Bühne weiterhin nur um Prominente vom alten Schlag
Auffällig: Bei den angesprochenen und von Hoheneder beeindruckend originalgetreu parodierten Promis handelt es sich fast ausschließlich um Veteranen. Gibt es in der neuen Generation keine Stars mehr? „An der These ist was dran. Wenn ich alle zwei Jahre an meinem neuen Programm schreibe, dann gibt es immer einen Block, in dem vor allem Promis durch den Kakao gezogen werden. Wer war auffällig, wer hielt seinen Arsch aus dem Fenster? Das sind seit 20 Jahren eigentlich dieselben Namen. Und das ist wirklich traurig“, bedauert Atze Schröder.
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Helmut Kohl, Peter Maffay, Howard Carpendale, Herbert Grönemeyer – die nahm Hoheneder schon zu Hochzeiten seines früheren Projekts „Till & Obel“ in den 90er-Jahren regelmäßig aufs Korn. Und die Parodien eben dieser Stars kommen auch jetzt noch gut beim lautstark hupenden Publikum an.
Zudem wissen sie jetzt, was sie ab September erwartet, wenn die „Zärtlichen Cousinen“ durch Deutschland touren wollen (siehe Info). „Alles, was wir erzählen, ist vor allem darauf bedacht, dass der andere es lustig findet und dann verbal kontert. Und daraus ergibt sich die Unterhaltung für das Publikum“, stellt Till Hoheneder klar. Zweifellos kein normaler Live-Auftritt. Aber was ist in diesen Zeiten schon normal?
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>>> INFO: Zärtliche Cousinen auf Tour
Termine: 5.9. Kamp-Lintfort (Stadthalle), 6.9. Wipperfürth (Alte Drahtzieherei), 10.9. Marl (Theater der Stadt) 11.9. Essen (Zollverein Halle 12), 17.9. Kleve (Stadthalle), 1.11. Köln (Theater am Tanzbrunnen). Karten gibt es ab ca. 32 € (für Marl schon ab ca. 27 €) an allen bekannten Vorverkaufsstellen. Die Shows in Waltrop (Majestic Theater) am 1.+2.9. sind bereits ausverkauft.
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