Essen. Frauen verdienen weniger, bekommen knappere Renten. Sie sollten sich um ihr Geld kümmern. Aber: Finanzen scheinen immer noch Männersache zu sein.

Als ich das erste Mal eine große Summe Geld investierte, hatte ich schwitzige Hände und Herzklopfen. Ich war acht, vielleicht neun, und meine Mutter hatte mir Geld für den Schulausflug gegeben: fünf Mark! Im Museumsshop erstand ich ein faustgroßes Plastikmammut. Nicht, weil ich damit spielen wollte. Allein dass das Tier ausgestorben war, machte die Plastiknachbildung in meinen Augen zu einem unbedingt besitzenswerten Gut.

Altmodisches Finanzgebaren

Mein erwachsenes Ich hat sich in finanziellen Dingen nicht wirklich weiterentwickelt, befürchte ich. Viel Geld auszugeben macht mich noch immer nervös, wenngleich meine Definition von „viel“ nicht mehr dieselbe ist wie damals. Obwohl ich nicht mehr in Steinzeittiere investiere, haftet meinem Finanzgebaren etwas steinzeitlich-altmodisches an: Mein Geld liegt auf einem kostenpflichtigen unverzinsten Girokonto und einem Tagesgeldkonto mit Nullkomma-X-Zinssatz. Außerdem habe ich bisher damit kokettiert, mich für „Finanzthemen“ nicht zu interessieren, womit ich ein weibliches Klischee erfülle, das ebenfalls unzeitgemäß anmutet: Frauen, so die Essenz verschiedener Statistiken, halten Börse, Aktien und Fonds offenbar mehrheitlich für Männersache.

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Frauen und Finanzen – passt das?
Frauen und Finanzen – passt das? © Shutterstock | Cristian Storto

Die Inflation frisst das Ersparte

Das wäre vielleicht gar nicht so schlimm, würden nicht Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer und weniger Rente kassieren. Eigentlich müssten sie besonders versessen darauf sein, dass dieses Wenige nicht durch die Inflation, also die allgemeine Teuerungsrate, noch weniger wird. Besitzt frau heute 10.000 Euro, kann sie sich laut Onlineportal Finanztip in sieben Jahren nur noch Waren im Wert von 9000 Euro kaufen. Es sei denn, sie tut etwas. Investieren eben. Bloß: Wie geht das?

Ich suche einen Finanzberater auf, der mich mit der Zugewandtheit eines Menschen empfängt, der etwas verkaufen will. Die Erstberatung kostet mich keinen Cent – wenn ich mich aber für den Erwerb eines „Finanzproduktes“ entscheide, ob über einen Sparplan mit monatlichen Raten oder eine größere Einmalzahlung, verdient der Berater. Bei einem Aktien-, Renten- oder Mischfonds etwa, also einem aktiven Aktienfonds, der so heißt, weil über seine Zusammensetzung Fondsmanager entscheiden, werden verschiedene einmalige und regelmäßige Gebühren fällig: Darunter der sogenannte Ausgabeaufschlag (je nach Fonds zwischen drei und sechs Prozent), der sowohl die Tätigkeit der Manager als auch die Leistung des Beraters bezahlt – wie eine Provision.

Berater sind interessengetrieben

Sogenannte börsengehandelte Fonds (Exchange Traded Funds, besser bekannt als ETFs) gehören in der Regel zu den passiven Fonds: Sie bilden einen bestimmten Bereich des Marktes ab. Kosten werden auch hier fällig, etwa Kauf- oder Depotgebühren, jedoch kein Ausgabeaufschlag. Der Berater rät mir von ETFs ab: „Zu spekulativ.“ Ein anderer jedoch wird mir später ETFs empfehlen. Erste Erkenntnis: Berater sind interessengetrieben, schließlich müssen sie mit ihrer Arbeit Geld verdienen. Manche Produkte lohnen sich für sie schlicht nicht, was aber nicht bedeutet, dass sie sich für mich nicht lohnen könnten, oder?

Die erste große Investition eines kleines Mädchen: ein Plastik-Mammut.
Die erste große Investition eines kleines Mädchen: ein Plastik-Mammut. © Papo

Verstehen, was mit dem Geld passiert

Schnell bin ich in einem Nebel aus Fragezeichen versunken, zu beschämt über meine Unwissenheit, um genau nachzuhaken. Wobei mein finanzieller Bildungsstand ebenso wie meine bisherige „Anlagestrategie“ absolut dem Durchschnitt entsprechen dürfte. Aber sollte ich nicht verstehen, was mit meinem Geld veranstaltet wird? Wie gut oder schlecht, wie günstig oder teuer sind die Angebote? Kann ich einem Finanzexperten mein Geld einfach anvertrauen, weil wir hier schließlich Gesetze haben – und Google-Bewertungen?

„Man sollte ein gesundes Misstrauen mitbringen und Dinge kritisch hinterfragen“, sagt Dr. Ralf Scherfling, Experte für Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzen­trale. Gerade bei der Altersvorsorge sei es doch eine Katastrophe, wenn das über Jahrzehnte angesparte und fest eingeplante Geld plötzlich weg ist. Er empfiehlt, immer mehrere Angebote einzuholen und genau zu vergleichen, weil die Kosten der Investments stark schwanken können. „Wenn wir uns Schuhe oder einen Fernseher kaufen wollen, vergleichen wir ja auch!“

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Unabhängige Empfehlungen

Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit einer Honorarberatung: Dabei überlässt man die Bezahlung des Beraters nicht den Provisionen, sondern übernimmt sie selbst, um möglichst unabhängige Empfehlungen zu erhalten oder bereits vorliegende Angebote noch einmal überprüfen zu lassen. Die Kosten für die Beratung fallen recht unterschiedlich aus: 100 bis 200 Euro für ein Erstgespräch sind laut Scherfling nicht unüblich. Für welchen Weg man sich auch entscheide, am Ende solle man das Produkt zumindest in Grundzügen verstehen und vor allem dessen Risiken kennen. Denn Fonds werfen unterschiedlich schnell unterschiedlich viel Rendite ab – und das mit unterschiedlich hoher Wahrscheinlichkeit. Deshalb stuft man sie in Risikoklassen ein.

Geld soll sich vermehren. Aber mit der Anlagestrategie muss man sich entscheiden oder bescheiden – denn mit der erhofften höheren Rendite steigt auch das Risiko...
Geld soll sich vermehren. Aber mit der Anlagestrategie muss man sich entscheiden oder bescheiden – denn mit der erhofften höheren Rendite steigt auch das Risiko... © istock

Hohe Rendite = hohes Risiko

Sehr hohe Renditeerwartungen sind oft mit großen Risiken verbunden, größtmögliche Sicherheit geht in der Regel zulasten eines großen Gewinns. Eine entscheidende Variable ist die Zeit: Wer viel Zeit hat, kann das Risiko gering halten und sein Geld in Ruhe „arbeiten“ lassen – optimal sind laut Experten zehn bis fünfzehn Jahre. Wer nur wenig Zeit hat, muss eine höhere Risikobereitschaft mitbringen, wenn er überhaupt etwas verdienen will. Eine weitere Erkenntnis: Das angelegte Geld sollte niemals der persönliche „Notgroschen“ sein. „Der Aktienmarkt ist in ständiger Bewegung“, sagt Scherfling, „Sie sollten nicht gezwungen sein zu verkaufen, wenn die Kurse gerade unten sind.“

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Nicht nur Zeit, auch Wissen ist Geld

Zeit ist also wirklich Geld. Aber auch Wissen ist wichtig. Je mehr von beidem, desto besser. Noch habe ich nicht entschieden, ob ich den Finanzberater beauftragen möchte, oder ob ich mich selbst kümmern will. Irgendwie geht es mir wohl nicht ausschließlich ums Geld verdienen, besitzen, vermehren.

Mit dem Mammut in der Hand habe ich damals ja auch nicht bloß Besitzerstolz gespürt, sondern noch etwas anderes: das erhebende Gefühl, eine (zumindest aus Kindersicht) weitreichende Entscheidung eigenverantwortlich getroffen zu haben.

Service

Die Verbraucherzentrale bietet selbst eine Honorarberatung an, bei der man bereits vorliegende Angebote etwa für die Altersvorsorge oder die Immobilienfinanzierung überprüfen lassen kann.

Zudem stellt der Verein umfangreiche Materialien zum Einstieg in das Thema und zur Vorbereitung eines Beratungsgesprächs bereit, auf: www.verbraucherzentrale.nrw/wissen

Unter dem Punkt „Geld Versicherungen“ zum Beispiel das Stichwort „Finanzberatung“ in die Suchmaske eingeben.

Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Finanztip-Serie „Frauen und Finanzen“ auf www.finanztip.de/blog/neue-serie-frauen-und-finanzen-teil-1-das-einkommen

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