Dortmund. Escaperooms sind derzeit geschlossen. Eine Firma, die einen Rätselraum für Kinder anbietet, hat eine spannende Variante für daheim entwickelt.

Anfang März: Auf der einen Seite des holzgetäfelten Raumes hängt eine große Weltkarte. Alte Fässer sind überall im Zimmer verteilt, auf denen Kerzenleuchter stehen. In einer Ecke gibt es eine große Truhe, gefüllt mit goldenen Plastikkugeln. Ein Steuerrad ist zu sehen. Dicke Taue, Knochen, eine Glocke – und dann sind noch zwei Bullaugen in die Wand eingelassen. Ganz klar, das ist das Innere eines Schiffes, den Knochen nach zu schließen eines Piratenschiffs. Gerade ruft der achtjährige Malte begeistert: „Das ist ja ein Magnet!“ – „Vielleicht müssen wir hier gar nicht reinkommen“, vermutet Kian (12). Und Mika (9) schreit: „Ah, ich weiß es!“.

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Als Mikas Freund Jaron seinen neunten Geburtstag hatte, waren unter den Geschenken des Rätsel-Fans Drei-Fragezeichen-Sachen und Spionage-Brillen. Sein größter Geburtstags-Wunsch war es jedoch, einmal Teil eines Live-Rätsels zu sein, in eine andere Welt einzutauchen und Denkaufgaben gemeinsam mit anderen Kindern zu lösen. Mit drei Freunden und seinem Bruder ist er deshalb zu „Key & Free“ gegangen, einem so genannten Escape Room, in Dortmund, um dort eine spannende Geschichte zu erleben. Key & Free hat neben fünf Rätselräumen auch einen speziell für Kinder von acht bis zwölf Jahren. Das Besondere dabei: Eine Stunde lang verbringen die fünf Jungen in einem Raum. Oder besser: in einem an den Strand gespülten Schiff des gefürchteten Piraten Käpt’n Hook. Ausgestattet mit einem Funkgerät, über das sie sich jederzeit Hilfe vom Spielleiter holen können, lösen sie Aufgaben, suchen nach Hinweisen, knacken Schlösser, um zuletzt den großen Schatz zu finden. „Zwischendurch habe ich richtig vergessen, dass wir nur in so einem Raum waren“, sagt Geburtstagskind Jaron hinterher.

Im Team Rätsel lösen

Können Kian und Jaron das Rätsel lösen?
Können Kian und Jaron das Rätsel lösen? © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Das war – wie schon erwähnt – Anfang März, just an dem Samstag, bevor Kultur- und Freizeiteinrichtungen corona-bedingt geschlossen wurden. Jaron und seine Freunde waren eine der letzten Gruppen, die einen der sechs Rätselräume des Dortmunder Escape-Room-Anbieters besuchten. Seit mehreren Wochen ist es nicht möglich, Räume zu erkunden, Teil einer Geschichte zu werden und durch gemeinsame Kombinationsgabe im Team den Ausgang zu finden. Jetzt haben die Betreiber allerdings ein Escape-Abenteuer konzipiert, das online spielbar ist: „Lost Memories“.

Die Geschichte dahinter ist sehr speziell, aber es macht Spaß, die Rätsel zu lösen. Soweit schon mal das Fazit. Die Story ist allerdings nicht wirklich kindgerecht. Die wenigsten Kinder, von neun bis zwölf Jahren, interessieren sich für Cyberterrorismus. Die Rätsel aber sind auch für Kinder ab zehn Jahren und in Zusammenarbeit mit Erwachsenen lösbar und aufregend.

Willkommene Hilfe in der Sackgasse

Zwei Hacker sind in der „Memory-Bank“ eingebrochen, die Erinnerungstechnologie verwahrt. Diese Erinnerungstechnologie konnten sie zwar nicht stehlen, dafür aber die Daten zu dem streng-geheimen „Space Project“, der neuesten Entwicklung der Bank. Die Spieler werden zu „Zeitagenten“, beauftragt durch die Memory-Bank, die die Verbrecher identifizieren und das Weltraumprojekt retten sollen.

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Für 9,90 Euro (20 Prozent davon werden gespendet) und von bis zu vier Endgeräten aus suchen und finden die Spieler Hinweise, knacken Codes, entziffern Geheimschriften. Dafür nutzen sie verschiedene Medienformen – Videos, Tonaufnahmen, Internet, Telefon, soziale Netzwerke – und werden im Laufe des Spiels vor verschiedene Entscheidungen gestellt. Manche führen in Sackgassen. Andere verändern den Ausgang des Spiels.

Dabei wird der Spieler wie in den Räumen begleitet und bekommt Hilfe, wenn er nicht weiter weiß. Dafür sind im Spielverlauf Codes versteckt, die sich auf einer Hilfe-Seite eingeben lassen. So unterscheidet sich diese Online-Variante von klassischen Computerspielen: Es wird sich nicht auf einer grafisch hoch aufbereiteten Seite bewegt, sondern zwischen verschiedenen Medienformen.

Die Tüftler werden Teil der Geschichte

Samira Cadera, die für das Online-Spiel in die Rolle der Geschäftsführerin der „Memory Bank“ geschlüpft ist, war eine von acht Mitarbeitern, die das Spiel entwickelt haben. Zuvor arbeitete sie, hauptberuflich als Insolvenzsachbearbeiterin tätig, seit über drei Jahren an den Wochenenden als Spielleiterin bei Key & Free. „Zuerst haben wir die Geschichte entwickelt, für die uns die Räume am Westenhellweg als ehemalige Bank eine Art Vorlage lieferten“, erzählt die 23-Jährige. „Danach kamen die Rätsel.“

Mika, Jaron, Malte und Kian vor der Truhe mit den goldenen Plastikkugeln.
Mika, Jaron, Malte und Kian vor der Truhe mit den goldenen Plastikkugeln. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Wie in den Rätselräumen, bei denen die Spieler körperlich anwesend sind, werden die Tüftler auch hier zum Teil der Geschichte. Es gilt, ein Rätsel zu lösen. Zudem ist das Spiel so konzipiert, dass es gemeinsam mit mehreren Personen spielbar ist, erzählt Geschäftsführer Simon Muszkiewicz. Zusammen mit drei Freunden hatte er das Rätsel-Raum-Unternehmen vor fünf Jahren gegründet. Damit brachten sie etwas, das in in den Neunzigerjahren aus Computerspielen heraus in die analoge Welt gelangt war, neu nach Dortmund. „Ohne Handy und abseits der virtuellen Welt Teil einer Geschichte zu werden und dabei in verschiedene Welten einzutauchen, das ist es, was den Reiz der Escape Rooms ausmacht, und warum die Leute so fasziniert davon sind“, sagt Eric Wolanski, ein weiterer Geschäftsführer.

Der Weg zurück in die virtuelle Welt

Mit der Entwicklung des Online-Spiels gingen die Betreiber nun den Weg zurück in die virtuelle Welt – allerdings über zwei Jahrzehnte später mit ganz anderen technischen Möglichkeiten als damals. Besonders viel Wert legten sie darauf, dass die Spieler einen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte haben können. „Butterfly-Effekt“ nennt Entwicklerin Samira Cadera das. Und das sei es, was neben dem Kniffeln und Knobeln den besonderen Reiz ausmache. Wenn man das Spiel also, wie in den Räumen, im Team spielt, ergeben sich viele Diskussionen und jeder trägt seinen Teil zur Lösung bei. keyandfree.de/online-escape-game/

Weitere Online-Escape-Rooms, nicht nur für Kinder

Ruhr Escape aus Essen: Die Spieler helfen Sherlock Holmes. Zwei bis sechs Spieler, von bis zu vier Standorten aus. Den Mitspielern werden unterschiedliche Hinweise angezeigt. 60 Minuten, 9,90 Euro (zehn Prozent werden gespendet). escape-at-home.de

Locked Adventures aus Bochum: Gleich drei Escape Rooms für zu Hause. Jeweils ein bis vier Spieler, empfohlen ab acht Jahren, Spieldauer: drei bis vier Stunden, 9,90 Euro (50 Prozent werden gespendet). locked-adventures.de/the-locked-cases

Enigmania aus Dortmund/ Duisburg: Nach ein paar Tagen im Ferienhaus sind nur zwei der sieben Personen zurückgekehrt. Wer knackt das Rätsel? Ein bis sechs Spieler, 90 bis 120 Minuten, empfohlen ab 16 Jahren, 20 Euro. enigmania.de