Duisburg. Das Coronavirus stoppt weiterhin auch jeden Ausstellungsbesuch. Mit Sicherheit ein Treffer sind aber virtuelle Museen – wie beim MSV Duisburg.
Wann können wir wieder Fußballspiele sehen? Wann dürfen wir wieder Ausstellungen besuchen? Gute Fragen in Zeiten der Corona-Krise, auch für unsere beliebte Serie „Das besondere Museum“ – denn sicher ist sicher und zu ist zu. Da kann es trotzdem ein Treffer sein, dass manche Sammlungen aus manchem Grunde überhaupt nicht begehbar sind, sondern allenfalls online zu besuchen. Wie zum Beispiel das MSV-Museum, das einfach noch keine geeigneten Räumlichkeiten gefunden hat und die Schätze des Meidericher Spielvereins aus Duisburg deswegen ausschließlich im Internet präsentiert.
Mit schönem Gruß nach Hoffenheim oder Rasenball Leipzig
Mit schönem Gruß nach Hoffenheim oder Rasenball Leipzig: Repräsentative Räumlichkeiten kann man vielleicht kaufen – Tradition nicht. Die Duisburger gibt es seit 1902, sie sind Gründungsmitglied der Fußball-Bundesliga, wurden auf Anhieb Vizemeister – nach dem Höchsten der Gefühle ging es stetig bergab – und standen gleich vier Mal im Pokalfinale. Dass alle vier Endspiele verloren wurden, passt ein bisschen zu den Blau-Weißen, die mit dem Lizenzentzug 2013 sogar kurz ganz vor dem Aus standen.
Dafür haben sie mit Zebra Ennatz, benannt nach dem Spitznamen von Europameister und Klubikone Bernard Dietz – das neben dem Geißbock vom 1. FC Köln bekannteste und beliebteste Maskottchen des ganzen Landes. All diese Geschichten erzählen hier hunderte von Exponaten, einige stellen wir hier gleich vor.
Wie die Trommel von Allesfahrer Lars mit Autogramm von Bachirou Salou, dem sehnsüchtig vermissten Super-Stürmer, oder das nicht minder prachtvoll verzierte Schlaginstrument von Edelfan Thorsten, das eines Tages „von einer größeren und lauteren“ ersetzt wurde. Zeithistorisch sogar die „Schürze der Solidarität“ für die Kruppschen Stahlarbeiter von 1997, als mit Joachim Hopp selbst noch einer für den MSV in der ersten Klasse immerhin kickte, der halbtags am Hochofen malochte.
Wer den virtuellen Rundgang unternimmt, klickt sich durch die (im dritten Jahr des Bestehens noch einigermaßen spärlich bestückten) Jahrzehnte, sieht den Fest-Krug zum „75.“ mit Spielernamen wie „Bobbel“ Büssers. Wo sind heute eigentlich die Kosenamen geblieben für die kurzbehosten Millionarios? Dass früher zumindest alles billiger war, lässt sich auf der Karte der Gaststätte „Haus Marienbild“ mit Speisen und Preisen anno 1963 ablesen. Darauf etwa der gute Rheinische Sauerbraten mit Klößen und Mus für 4,75 DM. Auf der Rückseite werden die Summen schon größer, im Vergleich zu heute allerdings immer noch lächerlich günstig. Denn Rudi Gutendorf hatte in aller Kurzärmeligkeit seiner Zeit den Vertrag als Diplom-Fußballlehrer darauf fixiert und signiert. 2500 Mark Grundgehalt, muss man sich mal vorstellen.
„Wertvoll ist, was persönlich ist“
Das Wertvollste? Da muss Volker Baumann nicht lange überlegen, das gibt es nämlich nicht. „Wertvoll ist, was persönlich ist“, erklärt der Sprecher und verweist etwa auf den Spielerpass von MSV-Legende Michael „Tornado“ Tönnies oder die Aufstiegs-Fußballtreter von Siegtorschütze Aziz Ahanfouf. Ideellen Mehrwert wie das Willkommens-Telegramm zur Neugründung der Bundesliga. Vor allem aber erzählt er von Begegnungen wie mit Schlussmann Manfred Manglitz, der dem Museum ein Album mit alten Zeitungsausschnitten übergab, die dessen Vater über ihn gesammelt hatte. Baumann: „Dabei war der gar nicht einverstanden gewesen mit der Karriere seines Sohnes, was es ja noch besonderer macht – da kriege ich Gänsehaut.“ Kürzlich war er sogar in Spanien eingeladen zum 80. Geburtstag des „Langen“, der an der Costa Blanca lebt und wie andere frühere Größen regelmäßig ins Stadion kommt und da vom Museumsverein betreut wird.
Der hat immerhin 100 Mitglieder, wobei sich der Jahresbeitrag von 19,02 Euro natürlich auf die Gründung der Meidericher bezieht. Speicherfunde und Nachlässe werden weiter gern entgegengenommen, zu den Begegnungen mit anderen Traditionsvereinen wie Eintracht Braunschweig bringen die Macher das Museums-Echo heraus, eine klassische Stadionzeitschrift. Nicht digital zum Downloaden – sondern zum Blättern auf den Rängen. Und wer will, also wer’s wirklich wissen möchte, kann in einem unglaublich detailgetreuen Arenamodell seine eigene, individuell gestaltete Zuschauerfigur auf seinem Stammplatz erstellen lassen. Diese Dauerkarte kostet 38 Euro.
Volker Baumann (seit 1974 Fan, als er mit selbstgebastelter Fahne – einem blau-weiß bepinseltem Kopfkissen am Bambusstab – sogar freien Eintritt bekam) hat noch viel vor: So unterstützt der Landschaftsverband Rheinland die Pflege des Archivs, man ist mit 40 anderen ballsportlichen Online-Schatzkammern Mitglied im Netzwerk fussballmuseen.de – und noch so ein Gedanke wäre die Gründung einer Art Ebay nur für eigene Fans, die dort untereinander ihre Devotionalien versteigern können zum guten Zweck: für den chronisch klammen MSV. Ganz wie im Museumsmotto: Geschichte erleben – Tradition bewahren – Zukunft gestalten.
Das liebste Ausstellungsstück
Was für ein Hammerbild! Dachte sich auch Volker Baumann, als er diese Spielszene aus dem Jahr 1920 in der 100-Jahr-Chronik des Vereins entdeckte: vor der Schlotkulisse der Schachtanlage Westende 3, die Zebras natürlich zu erkennen an den gestreiften Jerseys. Dicht gesäumt die Anhänger mit Hut (alt) und Kappe (jung), das Torgestänge notzusammengelattet und wohl mit Kaninchendraht ausgekleidet.
Das Foto dann aber tatsächlich ausfindig zu machen, „das war echte Detektivarbeit“. Nach zig Schüssen ins Abseits auf der Suche nach dem Original schließlich der Volltreffer im Archiv des Stadthistorischen Museums. Baumann happy: „Das Negativ war vergraben im allerletzten Ordner auf der drittletzten Seite.“ Heute hängt der vergrößerte Abzug im Büro des 57-jährigen Gebäude-Energiemanagers.
msv-museum.de