Essen. Schlimme Zeiten sind gut für den Humor: Warum es gerade jetzt so wichtig ist zu lachen - und wie es schon früher Kriege und Leid geholfen hat.

Haben Sie heute schon gezählt, wie viele Toilettenpapierwitzchen per Handy, Tablet und Computer an Ihnen vorbeigerauscht sind? WhatsApp läuft langsam über, Facebook und Instagram sind ganz verstopft von meist flachen, manchmal aber auch hintersinnigen Memes. Es sind Zeiten, in denen es leichter ist, an blütenweiße, zewasofte Witzbildchen zu kommen als an eine echte Rolle Klopapier, da grinst sogar der Charmin-Bär…

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Und wenn’s nur wäre, dass Herr-der-Ringe-Unhold Gollum die begehrte weiße Rolle umklammert mit den Worten „Mein Schatz“ oder ein Bündel 50-Euro-Scheinchen als akzeptabler Ersatz fürs Klopapier empfohlen wird. Ganz zu schweigen von den geknebelten Kindern im Homeoffice und auf Desinfektionsmittel umgestiegenen Drogendealern.

Im Internet herrscht Hochkonjunktur für lustige Memes

Da draußen steht die Welt ziemlich still, schlittert langsam Richtung Wirtschaftskrise – und wir machen uns lustig! Warum? Weil es der Humor ist, der uns hilft, über den Dingen zu stehen.

Ein schneller Erfolg im Web: Gollum-Meme mit Klopapier.
Ein schneller Erfolg im Web: Gollum-Meme mit Klopapier. © privat

Es sind ganze Horden von professionellen und privaten Spaßmachern, die uns die Zeit ein wenig erträglicher machen, Internet-Memes haben derzeit entweder wieder Konjunktur – oder man nimmt sie stärker wahr, weil die Gefahr durch das Virus ja alle betrifft. Während Netz-Vordenker Sascha Lobo vor fünf Jahren noch tönte, das Netz habe die Welt in eine Humorkrise gestürzt, wird man heute davon überzeugt, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Aber solchen Humor gab’s auch früher, in schweren Zeiten ohne Netz und doppelten Boden.

Großes Gelächter selbst im Angesicht der Nazi-Schrecken

Selbst in den schlimmsten Zeiten der Weltgeschichte, während Kriegen, Elend, Hungersnöten ist es den Menschen gelungen, sich über die eigene Situation lustig zu machen – oder über ihre Gegner. Das beste Beispiel liefert Charlie Chaplin (1889-1977), der ja gerade in schlechten Zeiten dem Filmhumor zu größten Höhenflügen verhalf. Als armer Tagelöhner oder Tramp schlug er sich durchs Leben, als der Erste Weltkrieg tobte, zeigte in zig Filmen von „The Kid“ bis „Goldrausch“, was es hieß, in Armut zu leben, karikierte in „Modern Times“ (1936) das triste Leben von Fabrikarbeitern und entlarvte sogar schon zu Beginn des Zweiten Weltkriegs mit seiner Satire „Der große Diktator“ (1940) den Größenwahn Adolf Hitlers.

Benigni-Film:
Benigni-Film: "Das Leben ist schön". © Arte / Degeto

Dass man selbst über die nationalsozialistische Mordmaschinerie in den Konzentrationslagern Komödien machen kann, bewies Roberto Benigni 1998 in „Das Leben ist schön“. Ganz im Sinne von Jean Pauls Satz: „Humor ist überwundenes Leiden an der Welt.“ Und wer nun einwendet, dass Benignis Clownerien im Angesicht des absoluten Grauens erst im Nachhinein ersonnen worden sind: Vom Psychologen Viktor Frankl (1905-1997) berichtet man, dass er sich während seiner Inhaftierung im KZ Auschwitz mit anderen Gefangenen verabredet hat, jeden Tag einen Witz zu erzählen. „Im Nachhinein sagte er, dass dieses Festhalten an der Freiheit im Kopf ihm in der verzweifelten Situation immer wieder Kraft gegeben habe“, schreibt Humorist Eckart von Hirschhausen im Vorwort zu Hellmuth Karaseks Buch „Soll das ein Witz sein?“ (2011, Bastei Lübbe, 384 Seiten, 9,99 €).

Lachen ist gut gegen Stress und für den Blutdruck

Überhaupt gelingen von Hirschhausen in diesem Vorwort ein paar gute Anmerkungen darüber, warum wir so dringend lachen müssen: „Humor ist vor allen Dingen ein soziales Phänomen, das Aggressionen mindert, Menschen zu Gruppen zusammenfügt und Stress abbaut.“ Gute Diagnose, Doc Hirschhausen.

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Er geht sogar noch weiter: „Wenn man die Physiologie des Lachens betrachtet, erkennt man, dass Humor das natürlichste Anti-Stress-Mittel ist, das es überhaupt gibt.“ Gut für den Blutdruck, gut fürs Immunsystem, gut gegen Schmerzen, das weiß sogar ein Klinik-Clown.

Ob Lachen wohl gegen Corona wirkt? Zumindest hilft es, locker zu bleiben, wenn man im Supermarkt gerade vor einem leeren Regal steht.

Die schönsten Mangel-Witze aus der DDR

Auch andere Subjekte sucht sich das Netz mittlerweile...
Auch andere Subjekte sucht sich das Netz mittlerweile... © Facebook | Facebook

Die derzeit am weitesten verbreitete Gattung von Scherzen: Witze über den Mangel. Auch weil die Deutschen zur einen Hälfte noch ausreichend Erfahrung damit haben, dass etwas fehlt: „Grenzen dicht, Regale leer, willkommen in der DDR!“ kursiert gerade als Meme. Und ja, die DDR bettete den fruchtbarsten Nährboden für Witzchen darüber, dass es vor allem „nüscht“ gab. „Ein Mann im Kaufhaus fragt: ,Haben Sie denn hier keine Socken?‘ Die Verkäuferin: ,Nee, keine Socken haben wir im dritten Stock. Hier haben wir keine Schuhe!‘“ Den Witz gibt’s in zig Varianten – und seine Prominenz wird wohl nur übertroffen von „Zonen-Gaby“, dem Cover-Girl des Satire-Magazins „Titanic“ vom November 1989. Gaby hielt eine geschälte Gurke in der Hand, die Zeile dazu lautete: „Meine erste Banane“ – fertig war ein Klassiker.

Nur nicht den Humor verlieren

Dass auf einmal Dinge fehlen, das war in unserer westlichen Gesellschaft aber doch ein überraschendes Phänomen – und so erklärt sich, dass man sich zunächst witzelnd darauf stürzte. Nach den ersten Wochen der Krise – und angesichts von Kontaktverboten und anderen Einschränkungen – verlagern sich die Witze: Die Kerze, die mit dem Ausgehverbot zu kämpfen hat, die wildgewordenen Massen, die sich auf die armen Heuschnupfen-Kandidaten stürzen… Wer ahnt, in welche Richtung es noch geht?

Auch wenn man die ernsten Hintergründe und Gesundheitsgefahren nicht vergessen darf, die Corona mit sich bringt, sollte man auch locker bleiben. Denn egal, wie wir aus dieser Krise wieder herausfinden und was sie uns abverlangt: Es wäre schade, wenn uns dabei der Humor abhanden käme. Oder wie schon Charles Dickens am Ende seines David Copperfield fragte: „Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?“

Weshalb wir uns das Lachen nicht nehmen lassen: Drei Humor-Profis sagen aus...

Lioba Albus, Dortmund, bekannt auch durch ihre Figur Mia Mittelkötter:

„Nichts stärkt die Lungen so sehr, wie ein richtig schöner, dicker Lachanfall – und nichts vertreibt dunkle Gedanken besser als ein guter Gag zu rechten Zeit! Solange uns also das Wasser nicht bis zur Unterlippe steht, lautet mein Rat: Mund weit auf und von ganzem Herzen laut und kräftig gelacht!“

René Sydow, Witten, geboren am Bodensee, Kabarettist, Regisseur, Buchautor, Slam-Poet und Schauspieler:

„Humor ist ein essenzielles Lebensmittel, gerade in Krisenzeiten. Denn solange man lacht, heißt das: Alle Gefühle glauben an einen glücklichen Ausgang.“

Martin Fromme, Herne, einst die Hälfte des Duos Telök:

Comedian Martin Fromme.
Comedian Martin Fromme. © Funke Foto Services GmbH | Bastian Haumann

„So, willze lieba normal doof sein, oda willze wat inne Omme haben? Humor ist dazu da, einfach mal locker durch die Hose zu atmen. Druck aus dem Kessel zu nehmen. Für mich persönlich ist Humor eine kurze Auszeit, das beste Anti-Stress-Mittel, Lebenseinstellung. Die Krise ist unglaublich hart für alle, aber ohne ein entspannendes Lächeln hätte man schnell ein versteinertes Backpfeifen-Gesicht.“

Martin Fromme setzt sich für Menschen mit Behinderung ein und verlost derzeit gegen Isolations-Frust Auftritte: facebook.com/martin.fromme1/ oder info@martin-fromme.de