Gladbeck. Weil keiner mehr ins Studio kommt, kommt das Studio halt nach Hause: Yoga-Streaming als Existenzkampf! Ein Beispiel von Selbstständigen in Nöten.

Not macht erfinderisch, Existenznot macht großzügig. Irgendwo zwischen diesen Gemengelagen entstand bei Nina Arndt die Idee, ihre Dienste ab sofort online anzubieten, für alle – und obendrein kostenlos. Nina Arndt ist Yoga-Lehrerin. Doch in ihr Studio kommt keiner mehr.

„Das war ja absehbar, von daher waren wir vorbereitet“, sagt die 37-Jährige, die sich vor der Corona-Krise nicht in „hilft ja nix“- und „machste nix“-Floskeln flüchten will. Mit ihrem Mann Michael (52) betreibt sie seit 2013 erfolgreich das zertifizierte Black Label Yoga in Gladbeck als Familienunternehmen. Wie also umgehen mit der Situation, dass sich sämtliche Freizeitaktivitäten verbieten, um das Ausbreiten der Pandemie in beherrschbare Maße zu zwingen? So wie viele kleine Selbstständige jetzt vor einer vor allem finanziell ungewissen Zukunft stehen. Deshalb lesen Sie an dieser Stelle exemplarisch unsere Geschichte aus Gladbeck.

„Ob wir pleite gehen, wissen wir in einem halben Jahr“

Dienstag, 17 Uhr, die Premium-Klasse steht auf dem sportlichen Stundenplan. Statt der Teilnehmer, die sonst auf Matten um Michael Klumpp (52) ihre Übungen absolvieren, blickt der Cheftrainer des Studios nun in eine Webcam. „Über unseren YouTube-Kanal bieten wir einen kostenfreien, für jedermann machbaren Yoga-Einsteigerkurs an“, erklärt er.

Und das können wir uns ungefähr so vorstellen: In mehreren, kurzen Lektionen werden die Prinzipien und Bewegungen des Yoga online zur Verfügung gestellt, sodass Interessierte mit nur geringem Zeitaufwand das indische Philosophie- und Bewegungssystem in seinen Grundzügen erlernen können. Klumpp: „Man braucht lediglich bequeme Kleidung, vielleicht eine Yogamatte oder ein großes Saunahandtuch und ein paar Minuten Zeit, um jeden Tag ein bisschen was für die Gesundheit zu tun.“ Gerade Yoga sei hervorragend geeignet, das Immunsystem der Menschen zu stärken und dem ungewohnten Alltag Struktur zu geben. Sein nobles Anliegen: „Wir möchten durch die Unsicherheit helfen und Halt geben.“

Das kann sicher nicht schaden in Zeiten von Quarantäne, Home-Office und drohender Ausgangssperre wegen Covid-19. Aber kann es nicht dem Anbieter schaden? Und ob. „Ob wir insolvent gehen, wissen wir in einem halben Jahr“, sagt Betreiberin Nina Arndt und ihre Worte klingen nicht nur fatalistisch. Sie ist es auch: „Es ist jetzt Schicksal, ob wir es schaffen. Als Selbstständige sind wir schnell am Limit!“

Kreative Kämpferin: Yoga-Lehrerin Nina Arndt in Gladbeck.
Kreative Kämpferin: Yoga-Lehrerin Nina Arndt in Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Allein wegen der fehlenden Firmenkunden, rechnet sie vor, fallen monatlich 3500 Euro Einnahmen weg. Dazu kommen die Kunden, die Zehner- oder Fünferkarten kaufen: alles auf Null, sowie sämtliche Personal-Trainings. „Wir rechnen immer nur die geleisteten Kurse ab.“ Auch die Verkäufe über die Boutique mit Zubehör wie Yogamatten: nichts. Nina Arndt: „Die Liquidität ist weg!“ Für unsere rund 200 Kunden im Abo haben wir deshalb einen privaten Livestream eingerichtet, auf dem im geschlossenen virtuellen Raum einmal am Tag eine Yogasession mit Micha stattfindet.“ So wolle man wenigstens einen Stamm aktiv zu halten versuchen. Die Laufzeiten gehen allerdings maximal über sechs Monate. Deswegen die zusätzlichen Gratis-Lektionen für Online-Einsteiger. „Wir haben uns überlegt, allen in unserer Region etwas zurückzugeben, da wir gemeinsam jetzt durch so schwere Zeiten gehen müssen.“

Ein (legitimer) Hintergedanke ist dabei natürlich, dass sich so viel Loyalität auszahlt – indem die Kunden eines Tages zahlend zurückkommen. „Wir möchten doch auch in Zukunft noch mit den Menschen arbeiten“, so der Wunsch von Nina Arndt. Und vielleicht verhelfe es auch schon per Streaming dem einen oder anderen zur Entspannung, „bevor man dem Partner eins mit dem Bügeleisen überzieht. Familien fürchten den Lagerkoller, in China gehen bereits die Scheidungsraten hoch. Da kann mit Yoga als Mittel ein Gefühl von Stabilität für den Geist auch ganz ohne Esoterik schlichtweg Leben retten.“

Und die Hoffnung auf ein gutes Ende ist auch noch nicht gestorben: „Dass die Politik Programme für Selbstständige beschlossen hat und selbst die Finanzämter jetzt menschlich sein müssen – und bis Ende des Jahres keine Konten pfänden dürfen…“

Zum Youtube-Yoga

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Yoga für Anfänger

Laut einer repräsentativen Studie des Berufsverbands Deutscher Yoga-Lehrenden von 2018 praktizieren 3,4 Millionen Menschen aktiv Yoga. Im Jahr 2014 waren es demnach erst 2,6 Millionen. Auch Nina Arndt widmet sich neben dem Unterricht seit drei Jahren der Ausbildung von Yogalehrern. Seit 2017 ist man sogar offizieller Partner zweier deutscher Surf-Meisterschaften und betreut u. a. Deutschlands erfolgreichste Wind- und Kitesurfer in Sachen Yoga. Wer das kostenfreie und unverbindliche Angebot nutzen möchte, kann auf der Internet-Videoplattform „YouTube“ den Kanal von „Black Label Yoga“ suchen und abonnieren. Dort gibt es eine Playlist mit dem Titel „Yoga für Einsteiger“ – und zum Anfangen ist es nie zu spät: Die älteste Teilnehmerin geht schon auf die 80 zu...

Das Lungenvirus macht auch vor Herzblut nicht halt

Auch dies nur ein hoffnungsvolles Beispiel von vielen: Weil in der Gastro-Branche ebenfalls kalte Platte ist, hat auch das Projekt LebensWert im Duisburger Norden kreativ reagiert. Das syrisch-deutsche Restaurant Sham und das Café Offener Treff, betrieben von Flüchtlingen, kann mit herkömmlichem Speisenbetrieb nichts mehr zur Finanzierung des Hilfsprojekts beitragen – hier heißt das: Sozialberatung, Amtsbegleitungen, Deutschkurse und Bewerbungstrainings können zwar aktuell und fürs Erste ohnehin nicht geleistet werden, sind aber durch den Einnahmerückgang auch perspektivisch in Gefahr.

Die gemeinnützige GmbH hat halt, und auch das natürlich kein Einzelfall, weiterhin laufende Posten: Personal, Miete, Betriebskosten – insgesamt rund 20.000 Euro!

Koch Jamil Maamo (35) mit einer Warmhaltebox vor dem syrischen Restaurant Sham in Duisburg.
Koch Jamil Maamo (35) mit einer Warmhaltebox vor dem syrischen Restaurant Sham in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Meine Nerven liegen so ziemlich blank“, sagt Gründer Pater Tobias (56), auch angesichts der wie vielerorts ebenfalls einbrechenden Spendenaufkommen – das Lungenvirus macht vor Herzblut nicht halt. Restaurant und Café bieten Lieferservice und Fensterverkauf an. Motto: „Wir kochen für Zuhause!“ So kann man sich in Hamborn Essen liefern lassen oder selbst abholen. „Leider können wir gerade nicht viel tun, aber: Wir können kochen. Und genau das machen wir jetzt“, sagt der Pater. Wir möchten damit ein positives Zeichen setzen und zeigen, dass es irgendwie weitergeht.“ Der soziale Gedanke zählt dabei, vor allem für Menschen, die auf die Hilfe angewiesen sind – denn bei „Pay as you like!“ zahlt jeder, was er eben kann.

Wie geht das?

Mo-Fr 8 bis 14 Uhr, Sa/So 11-14: „Fensterverkauf“, Holtener Str. 176, 47167 Duisburg-Neumühl. Vorbestellungen für den Lieferservice für alle, die nicht selbst kommen können (Frühstück und Mittagessen) bei tobias@abtei-hamborn.de oder 0203/44989672.

Dann halt so!

In Bottrop bietet das Gym EasyFitness@Home gratis Kurse an fürs heimische Workout.

In Herne gibt es von BodyInstyle Übungen kostenlos ins Wohnzimmer übertragen.

In Essen kocht Nelson Müller täglich auf YouTube zu Mittag.

In Gelsenkirchen u.a. wollen die kleinen Buchläden das große Geschäft nicht Amazon überlassen – und liefern umsonst aus. Webseiten checken!

In Duisburg fährt der Sexshop Pussy Pleasure Dildo-Taxi.

In Oberhausen gibt es Gottesdienste live und vom Theater Lesungen (Facebook oder Youtube) – oft gegen PayPal, als virtueller Hut, der rumgeht.

In Duisburg bestreitet Anja Lerch ihren Singabend via FB.

Für alle Eltern zur Unterstützung liefert kigaportal.com gratis Oster-Ideen für die Kinder.