Dortmund. Katharina Appia ist ungewollt kinderlos und redet offen darüber. Ihr Podcast „(Über)Leben ohne Kind“ ist dabei auch für Eltern hörenswert.

„Ist doch nicht so tragisch, dann schafft euch halt nen’ Hund an.“ Oder: „Na, dann genießt doch euer schönes Leben!“ Nur zwei von vielen blöden Sprüchen, die Katharina Appia im Laufe der vergangenen Jahre zu hören bekommen hat. Die 41-Jährige ist ungewollt kinderlos und hat sich vor wenigen Wochen mit einer Coaching-Praxis im Dortmunder Süden selbstständig gemacht. Dort will sie Menschen, die ihr Schicksal teilen, bei ihrem Lebensplan B helfen. Wie schwer der Weg dorthin ist, weiß die 41-Jährige selbst aus leidvoller Erfahrung. Nach der vierten Fehlgeburt schloss sie mit ihrem Kinderwunsch ab.

In ihrem Podcast „Alles da, nur Ella nicht. (Über)Leben ohne Kind“ spricht Katharina Appia sehr offen über all die unbequemen Wahrheiten, die ihrer Meinung nach endlich ausgesprochen werden sollten: Das Gefühl des Scheiterns. Den völlig haltlosen Vorwurf nach dem fehlenden Sinn in einem Leben ohne Kind. Und die Gewissheit, von einem anderen Planeten zu stammen, sobald man Freunde mit Kindern besucht. „Tröstlich war für mich, dass mein Mann und ich mit unserer ungewollten Kinderlosigkeit nicht allein sind. Bei etwa jedem sechsten bis siebten Paar klappt es laut Bundes-Familienministerium nicht mit dem Wunschkind“, erzählt Katharina Appia in ihrer ersten Podcast-Folge. Darin nimmt sie die Zuhörer auch mit auf eine schmerzhafte Reise in ihre Vergangenheit.

Alle Zeichen stehen auf Schwangerschaft, dann kommt die Ernüchterung

Beratung und Angebote für ungewollt kinderlose Paare

Katharina Appia hat eine Weiterbildung zur Coachin und systemischen Beraterin gemacht, ist darüber hinaus auch Trauerbegleiterin. Sie hat ein offenes Ohr für Menschen und Paare, bei denen der Kinderwunsch nicht in Erfüllung geht. Weitere Informationen gibt es hier. In ihrem vorheriger Berufsleben hat sie Medienwissenschaft, Soziologie, Internationale Beziehungen und Entwicklungspolitik studiert und für große Organisationen gearbeitet.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinderwunschberatung hat ein Verzeichnis erstellt, in dem alle psychosozialen Beratungsfachkräfte eingetragen sind, darunter auch zahlreiche Anlaufstellen im Ruhrgebiet.

Darüber hinaus bieten zahlreiche Träger wie etwa die Awo, das SkF oder Donum Vitae kostenlose Gesprächs- und Beratungsangebote an. Informationen gibt es bei den jeweiligen Ortsverbänden.

Vor sechs Jahren begannen Katharina Appia und ihr Mann mit der Familienplanung, zwei Monate später war sie schwanger. Voller Vorfreude habe sie mit vielen anderen Schwangeren im Wartezimmer ihrer Frauenärztin gesessen. Bei der folgenden Untersuchung erkannte die Gynäkologin zwar eine Fruchthöhle in der Gebärmutter, allerdings fehlte der Embryo. Sie solle in zwei Wochen wiederkommen, dann könne man mehr erkennen, empfahl die Ärztin ihr damals. Katharina Appia verlor ihre gute Hoffnung nicht, zweifelte nicht eine Sekunde daran, bald Mama zu werden. Am liebsten von einer kleinen „Ella“, wie sie ihre Tochter gern genannt hätte. „Später wurde bei mir ein so genanntes Windei diagnostiziert. Dabei hört die Zellteilung des Embryos einfach auf, weswegen die Fruchthöhle leer bleibt“, erklärt Katharina Appia.

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Das sei besonders gemein gewesen, da ihr Körper alle Signale einer Schwangerschaft gesendet habe, wie sich die 41-Jährige erinnert: „Meine Brüste spannten, die Hormone veränderten mich: Ich musste mir einen neuen BH kaufen und wegen jeder Kleinigkeit weinen.“ Drei dieser sogenannten Windeier sollen in den folgenden Jahren noch bei ihr diagnostiziert werden. Bei der vierten Schwangerschaft war das Kind wegen einer Trisomie-Form nicht überlebensfähig. „In dieser Zeit gestand ich mir ein, dass es vielleicht einfach nicht sein soll. Im vergangenen Jahr kam dann die Idee zu dem Podcast, ich wollte mich nicht länger verkriechen und über das Erlebte sprechen. Damit will ich anderen zeigen, dass sie nicht allein sind“, sagt Katharina Appia.

Frage nach ausbleibendem Nachwuchs ist für Katharina Appia ein No-Go

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Nicht zuletzt will sie ihren Beitrag zum gegenseitigen Verständnis von Eltern und Kinderlosen leisten. Denn obwohl sie mittlerweile wieder Kinder von Freunden und Verwandten in ihr Herz lassen könne, schmerzten manche unbedachte Bemerkungen, Begegnungen oder Gespräche noch immer. „Fast alle meine Freundinnen haben Kinder und ich möchte unbedingt daran teilhaben. An manchen Abenden gibt es aber kein anderes Gesprächsthema mehr, dann wird es schwierig“, sagt Katharina Appia, „da denke ich mir dann schon manchmal: Hört bitte auf, nur über eure Kinder zu sprechen.“

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Einige Fragen gehören für sie generell gestrichen. Etwa die nach dem ausbleibenden Nachwuchs: „Na, wann ist es denn bei euch soweit?“ oder „Wollt ihr denn keine Kinder?“ Für Katharina Appia sind das No-Go-Fragen: „Das konfrontiert Kinderlose jedes Mal erneut mit ihrer unerfüllten Sehnsucht.“ Auch mit wohlmeinenden Ratschlägen wie „Dann adoptiert doch ein Kind“ sollten Außenstehende sparsam sein. Ebenso übrigens wie mit Verweisen auf die Errungenschaft der modernen Reproduktionsmedizin. Katharina Appia und ihr Mann etwa entschieden sich bewusst dagegen, weil es sich für sie „nicht richtig“ angefühlt habe, wie die Coachin sagt: „Familienplanung ist etwas sehr Persönliches und nichts, das sich mal eben in der Kantine beim Mittagessen besprechen lässt.“