Wülfrath. . Der Zeittunnel in Wülfrath zeigt nicht nur, wie Kalkstein entstand und abgebaut wurde. Er erzählt auch die Geschichte der Erde – Dinos inklusive.
Alle Urlauber aufgepasst: Das Mittelmeer wird verschwinden. Und das ist ausnahmsweise mal ein natürlicher Prozess. Denn die Kontinentalplatten haben nicht aufgehört, sich zu bewegen. Im erdgeschichtlichen Museum in Wülfrath wird auf Bildschirmen gezeigt, wie sich unsere Welt verändert hat – und weiter wandeln wird. Aber seien Sie beruhigt, bis es das Mittelmeer nicht mehr gibt, weil Afrika und Europa eins werden, vergehen noch ein paar Jahre. Mindestens 50 Millionen.
Vor rund 400 Millionen Jahren stand die Region dagegen unter Wasser – und damit beginnt die eigentliche Geschichte dieses Museumsortes. Denn die Meerestiere, die zur Devon-Zeit hier in einem Korallenriff gelebt haben, sorgten dafür, dass Wülfrath und Umgebung Europas größtes Kalksteinabbaugebiet wurden. Schließlich versteinerten diese Wesen, wie der „Eulenkopf“ (Ein Fossil des Armfüßers aus Hagen-Halden ist ausgestellt.) Und der 160 Meter lange „Zeittunnel“, wie das Museum seit der Gründung 2003 genannt wird, war mal der Zugangstunnel zum 1958 stillgelegten Steinbruch, dem „Bochumer Bruch“.
Kollision von Kontinentalplatten
Mit Loren, gezogen von einer dampfenden Schmalspurlokomotive, transportierte man den Kalkstein. Der „Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation“ brauchte den Rohstoff. Auch August Thyssen war in der Region vertreten. „Steinbruch Rohdenhaus ist heute noch aktiv“, so Museumsleiterin Andrea Gellert. Denn der Kalkstein wurde für die Stahlproduktion unerlässlich. Er bündelt die Nebenbestandteile des Erzes zur Schlacke, die man dann gut entfernen kann.
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In einer Nische des Tunnels erkennt man eine Kalkstein-Schicht. Nicht waagerecht, sondern nahezu senkrecht. Auch das liegt an der Kollision von Kontinentalplatten, so die 52-Jährige. Sie haben die alten Gesteinsschichten in Bewegung gesetzt, so dass sie nun wellenförmig angeordnet sind. Anschließend trugen Eis und Regen die oberen Schichten ab: Das ermöglichte den Kalkstein-Tagebau.
So entstand die Kohle im Ruhrgebiet
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Der Besucher durchschreitet den Tunnel zum Steinbruch – und damit die Geschichte unserer Erde. Vom Devon-Zeitalter geht es zum Karbon mit den Steinkohlewäldern – „aus ihnen entsteht die Kohle im Ruhrgebiet“, so Gellert. Sehr grün war es damals und damit der Sauerstoffgehalt hoch. Ideal für Insekten. Meganeura, die riesige Schwester der Libelle, hatte eine Flügelspannweite von 70 cm. Das ist etwa so lang wie der Arm eines Menschen.
Das größte Massensterben
Wie veränderte sich das Klima – und damit Flora und Fauna? Für jedes Erdzeitalter wird diese Frage auf Schautafeln beantwortet. Und auf Bildschirmen sieht der Besucher, wie sich die Kontinentalplatten verschoben haben. Im Perm-Zeitalter entsteht das Variszische Gebirge, das höher ist als die heutigen Alpen. Es ist sehr heiß, ideal für Amphibien, die sich zu den ersten Reptilien weiterentwickeln. Doch ein starker Klimawandel sowie Vulkanausbrüche führen zum größten Massensterben.
Erst danach beginnt die Zeit der Dinos: Trias und Jura. Im Museum gibt es ein lehrreiches Dinosaurier-Quiz. Und Ausschnitte aus dem BBC-Film „Reich der Giganten“ veranschaulichen, wie sie gelebt haben – bevor das nächste Massensterben in der Kreide-Zeit sie vernichtete.
Säbelzahnkatze, Urpferd und Killerschwein
Es entstehen blühende Pflanzen. Und im Tertiär: Säbelzahnkatze, Urpferd und Killerschwein. Aber nicht nur sie: Der Mensch entwickelt sich. Im Quartär lebt das Mammut – und auch der Neandertaler (das Neanderthal-Museum ist nicht weit!). Eine der letzten digitalen Anzeigen widmet sich nicht mehr den Erdplatten. Es zeigt eine Autobahnkarte, um den Einfluss der Menschen auf die Natur zu verdeutlichen. „Ab hier übernehmen wir“, sagt die Historikerin Andrea Gellert. „Ob das so gut ist, ist eine andere Frage.“ Dass sich die Natur die von Menschen veränderte Landschaft aber zum Teil auch wieder zurückholt, entdeckt der Besucher, wenn er den Tunnel verlässt und einen freien Blick auf den früheren Steinbruch genießt. „Sehen Sie die weißen Flecken?“, sagt Andrea Gellert und zeigt mit ausgestrecktem Arm auf die gegenüberliegende Seite. „Das ist Kot vom Uhu.“
Der Vogel ist eigentlich ein Felsenbrüter. Aber am künstlich geschaffenen rund 70 Meter hohen Hang mit seinen Felsspalten scheint er sich wohl zu fühlen.
>>>Das liebste Ausstellungsstück: der Hammer
Wenn man diesen Hammer schwingen will, geht man besser in die Knie. Eine falsche Bewegung und man hat Rücken. „Das Ding wiegt 10,2 Kilo“, sagt Andrea Gellert. Es gehörte dem Steinbruch-Arbeiter Helmut Müller, der sich ehrenamtlich im Museum engagiert und das Gerät dort demonstriert hat. In drei gezielten Schlägen habe er einen großen Kalkstein zerschlagen. Der Stiel aus Haselnussholz dämpfe zwar ein wenig die Erschütterung, so die Museumsleiterin. Trotzdem symbolisiere der Hammer die harte Arbeit der Leute im Steinbruch. Zumal früher eine Schicht zehn Stunden lang dauerte.
>>>Das Museum sucht einen neuen Träger
Der Zeittunnel wurde 2018 wiedereröffnet, nachdem die Tafeln erneuert und um digitale Angebote ergänzt worden sind. Trotzdem hat die Stadt nun beschlossen, das Museum zum Jahresende 2020 nicht mehr zu finanzieren. Ein neuer Träger wird gesucht.
Ein Wanderweg führt zu einem weiteren Steinbruch: Die „Entdeckerschleife – Steinbruch Schlupkothen“ beginnt am Zeittunnel (neanderlandsteig.de).
Das Museum ist vom Beginn der Oster- bis Ende der Herbstferien geöffnet, Hammerstein 5, Wülfrath. Eintritt: 4 €; Kinder (6 - 14): 3 €. Jacke mitnehmen!
Das Tunnelcafé ist am Wochenende und feiertags geöffnet. Infos, etwa zum Kinderprogramm 02058/ 894644, zeittunnel-wuelfrath.de