Gelsenkirchen. . Es sind nur ein paar Quadratmeter, aber „das kleine Museum“ besitzt großen Charme. Vollgestopft ist es mit Andenken und Anekdoten aus dem Revier.

Es heißt „das kleine Museum“ und selbst das ist noch gestrunzt. Das also sehr kleine Museum hat trotzdem großen Charme, ist es doch in einem Reihenhäuschen beherbergt, wo die Arbeit wohnt: in Gelsenkirchen-Buer – direkt in der restaurierten Bergbausiedlung Schüngelberg am Fuße der Rungenberghalde. Mittenmang im Pott drin, hereinspaziert, kost’ nix!

Dieses Museum ist so unmuseal, wenn man für die Präsentation museumspädagogische Maßstäbe anlegt oder gar gegenwärtige Ausstellungs-Architektur erwartet (was immer das sein soll). Und genau deshalb macht es so viel Spaß. Es gibt wat zu gucken, und weil alles übereinander und nebeneinander hängt und liegt, davon gleich so viel.

Dieses rollende Rostgerippe? „Ein Teckel!“

Eine bunte Andenkensammlung an den Pütt hat Wilde sich zusammengestellt.
Eine bunte Andenkensammlung an den Pütt hat Wilde sich zusammengestellt. © Fabian Strauch

Das fängt schon außen an: die Barbara, Schutzpatronin der Bergleute an der Fassade, Kauenkörbe und Abbauhammer, volle Kanne! Dieses rollende Rostgerippe? „Ein Teckel“, klärt Hannes Wilde auf. Der 68-Jährige war 37 Jahre als Schlosser au’m Pütt und weiß bei seinen Führungen, dass ein Teckel ein Sonderwagen für die Materialförderung ist, für Grubenholz zum Beispiel. Den Schalke-Wimpel muss niemand erklären – so richtiger Knappenstolz will da allerdings auch nicht aufkommen angesichts der Leistungen des (hahaha) „Kumpel- und Malocherklubs“ in der jüngsten Saison. Immerhin ist das Hinweisschild „Absteigestelle“ nicht wörtlich zu nehmen gewesen...

„Heimspiel und Historie“ zeugt übrigens von einem Programm, das den Eintritt zum Fußball mit einer Stadtrundfahrt verbindet. Ja, das kann schon mal hässlich werden...

Andenken an die Bergbautradition des Viertels

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Von Marc Oliver Hänig (Text)und Fabian Strauch (Fotos)

Nu’ aber hinein in die gute Steiger-Stube. Vom Mutterklötzchen über den Scheißkübel bis zum Arschleder, Alltägliches zum Anfassen. Der Geschichtskreis der Zeche Hugo, die war bis zum Jahr 2000 nebenan aktiv, bewahrt seither das Andenken an die Bergbautradition des Viertels. Ehrenamtlich, Ehrensache. Auf 81 Quadratmetern das alles, ein Zimmerchen, schmaler Flur mit zweckentfremdeter Küche, die Treppe hoch (im Aufgang gerahmte Fotos von Grubenpferden) und dort, wo einmal das Wohnzimmer war, geht es weiter. Und damit ist der Rundgang auch schon vorbei. Aber nicht der Nachmittag. Wildes gespielter Jammer wegen allzu geselliger Kumpel: „Hinten raus laufen dann immer die Alt-Internationalen ein, die diskutieren ohne Ende – und dann komm ich hier überhaupt nicht mehr raus.“ Warum? „Na, wer von hier wech ist, weiß alles besser!“

Die Hautschutzseife heißt „Bergauf"

Zum Beispiel, wie schwer die Pottlampe ist. „Komm, Junge, fass mal an.“ Okay, sehr schwer. Neun Kilo, Hammer. Nicht zu verwechseln mit der Wetter-Lampe. Wetter, wissen wir, bezeichnet die Luft unter Tage. Und die Lampe zeigt eben an, ob die Luft rein war. Sonst: Donnerwetter!

Der Teufenanzeiger im „kleinen Museum“ rattert sogar noch.
Der Teufenanzeiger im „kleinen Museum“ rattert sogar noch. © Fabian Strauch

In der Vitrine verkieste Seeigel und Steine mit Muschelabdruck, wie kommen die da hin? Bei Probebohrungen der Markscheider, sieh an, sieh an. Da, lustig, die Hautschutzseife heißt „Bergauf“. Noch besser: neben Schalke-Pils und Grubenwasser-Schnaps ein Klarer namens „Kumpeltod!“ Paar Figürskes sowieso, Kohlegüterzüge der Spielzeugeisenbahn und für Fachferne ein „Merkblatt zum Verhalten von Nichtfachleuten gegenüber elektrischen Anlagen in Bergmannsbetrieben“. Unter Glas Banknoten aus vergangenen Zeiten, als die Währungen verrückt spielten. Fünfzig Pfennig, zehn Milliarden Mark, ein „Hugoraner“ – gedrucktes Geld aus Buer. Apropos: Auf den Lohnausweiskarten, die hängen bei Hauerschein und Knappenbrief, musste man eine Geheimzahl angeben: so eine Art PIN-Nummer aus dem Carbon-Zeitalter. Dass sich die harte Arbeit gelohnt haben soll, dafür sprachen auch die Anwerbungen: Branntwein und Zigaretten werden da portioniert ausgelobt, das Flicken der Unterwäsche übernimmt die Instandsetzung, super Slogan: „Gesunden Männern steht der Bergmannsberuf offen!“

Jetzt ist da gar nichts mehr offen außer für Besichtigungen. Immerhin, freut sich Hannes Wilde, „seit dem Schluss boomt es hier richtig!“

  • „das kleine Museum“ an der Eschweilerstraße 47 in Gelsenkirchen (0209/594659) ist dienstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet sowie nach Vereinbarung. Der Eintritt ist frei, eine freundliche Spende wird aber nicht abgelehnt. Angeboten werden auch Haldenwanderungen mit Grubenlampen, mit Bergmannsessen, für Gruppen (10 bis 15 Personen).

>>> Das liebste Ausstellungsstück: Belegschaftsbücher

In diesem Belegschaftsbuch fand Hannes Wilde den Namen seines Vaters.
In diesem Belegschaftsbuch fand Hannes Wilde den Namen seines Vaters. © Fabian Strauch

Belegschaftsbücher. Hat man je was Lahmeres gehört? Abwarten, denn jetzt wird’s sofort spannend! Obwohl anno 2000 die omnipräsente Datenschutzgrundverordnung noch Amtsschimmel-Fiktion war, so gab es doch schon den Datenschutz und der wollte es so, dass eben diese Belegschaftsbücher mit dem Hugo-Aus vernichtet werden mussten. „Ein paar wurden vergessen“, hüstelt Hannes Wilde. Und diese paar, ganz schön groß und schwer und staubig, rückdatierend schließlich bis ins Jahr 1873, sind zufällig im kleinen Museum gelandet. Da konnte man ja mal ein bisschen rumblättern, dachte sich der Wilde Hannes – und traute seinen Augen nicht, als er plötzlich auf den Wilde Herrmann in den säuberlich verzeichneten Spalten stieß: 11. August 1913, „mit Markennummer“. Oh, mein Papa! Ein Gänsehaut-Moment, der keinen Knappen kaltlässt. Lahm ist anders. Wilde erzählt, dass Ahnenforscher bis aus Holland in die Siedlung kommen, um der persönlichen Spur der Kohle zu folgen. Er kann sein eigenes Familienkapitel abschließen.