Velbert. . Es ist spannender, als der Name „Schloss- und Beschlägemuseum“ vermuten lässt. Wir wagen in Velbert den Blick durchs Schlüsselloch.
Die Geschichte von Türschlössern und Geldschränken lässt sich locker als historischer Krimi erzählen. Gehen wir mal nach England zur Zeit, in der Charles Dickens seinen Oliver Twist oder David Copperfield auf die Straße schickte, in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Schlösser nicht nur wichtig, sondern überlebenswichtig waren.
Denn damals, man glaubt’s ja heute kaum, gab’s keine anständige Polizei auf den Straßen – und krumme Hunde und andere zwielichtige Gestalten stiegen nachts in schlecht geschützte Wohnungen ein, gaben den braven, wohlhabenden und vor allem schlafenden Bürgern einen Schlag auf den Kopf und raubten ihnen so Geld und Leben. Was also brauchte man? Gute Türschlösser und am besten noch gute Geldschränke.
Zufriedenheit statt Gähn-Geräuschen
„Tresore aus dem 19. Jahrhundert sind vom Sicherheitswert den heutigen ganz weit überlegen“, erzählt Ulrich Morgenroth. Der 49-Jährige leitet das Schloss- und Beschlägemuseum in Velbert und kann direkt vom Aussperren zum Einsperren überleiten, denn auch Schlösser von Gefängniszellen und Handschellen schnappen im Velberter Museum zu.
Das ist unglaublich viel spannender, als der Name „Schloss- und Beschlägemuseum“ vermuten lässt: „Unsere Besucher denken vorm Besuch erstmal…“, und dann hebt Morgenroth dezent die Hand zum Mund und macht ein unmissverständliches Gähn-Geräusch. Dann führt er sogleich an, dass mehr als 99 Prozent der Besucher zufrieden wieder heimgehen.
Salopp gesagt: Velbert profitiert von Einbrechern
An manchen Stellen weht auch ein Hauch von „Harry Potter“ durchs Museum, denn wenn man sich die Geldkisten anschaut, die von außen ein wenig nach Schatzkiste aussehen, dann staunt man beim Blick unter den Deckel: Kunstvolle, oft verzierte Mechanismen bewegen sich beim Drehen des Schlüssels wie von Zauberhand. „Diese eine Kiste hat allein 26 Riegel“, sagt Morgenroth. Sie sehen fast filigran aus – und man könnte Angst bekommen, dass mal ein Stück abbricht und alles Geld für immer eingeschlossen ist. „Da bricht aber nichts“, sagt der Museums-Chef. Man glaubt es angesichts der Tatsache, dass viele der Kisten seit zweieinhalb Jahrhunderten in Gebrauch sind und täglich zig Schließvorgänge ausführen mussten.
Die Sorge um die Sicherheit von Heim und Geld, sie treibt die Menschen heute noch um – und Velbert ist für Schlüssel und Schlösser das, was Solingen für Messer ist. Man könnte salopp zuspitzen: Velbert profitiert von den Einbrechern. „Weil alle sich bedroht fühlen und alle bereit sind, Geld zu investieren, um das Zuhause abzusichern“, so Morgenroth. „Es ist eine Industrie, der es sehr gut geht.“ Die Ironie für die Anbieter von Sicherheitssystemen liegt allerdings darin, dass die Systeme nun so gut sind, dass die Einbruchszahlen sinken – und man sich so ein bisschen das Geschäft vermasselt.
„Die Römer haben fantastische Schlösser gehabt“
Schlösser allerdings gibt’s nicht erst seit vorvorgestern. Eher schon seit 4000 Jahren, wie die Ausstellung zeigt. Einfache Fallriegelschlösser aus Holz etwa. Die Notwendigkeit kam zur Pharaonenzeit, allerdings nicht, um die Pyramiden zu sichern. „Die Menschen schlossen sich in großen Siedlungen zusammen. Da wohnten viele Leute, die keine persönliche Beziehung mehr zueinander hatten. Und dann musste man beginnen, sich auch mechanisch gegen die Nachbarn abzusichern“, berichtet Morgenroth und springt weiter an die Ufer des Tiber, denn „die Römer haben fantastische Schlösser gehabt, fast so gut wie die, die wir heute noch verwenden.“
Dass wir selbst in den entlegensten Winkeln der Welt (außer in Hotels) gewohnt sind, einen Schlüssel in ein Loch zu stecken und zu drehen, ist nur eine Übereinkunft, keineswegs eine Notwendigkeit. „Deshalb könnte man ganz tolle Schlösser erfinden, die anders funktionieren. Die würde aber keiner kaufen. Weil keiner bereit ist, etwas anderes zu tun, als den Schlüssel zu drehen.“
Panikschlösser, Amokschlösser – Elektronik greift ein
Einen Blick in die Gegenwart und nahe Zukunft wagt man in Velbert auch. „Das Spannende ist heute die Systemintegration von Elektronik. Früher hatte die Tür genau zwei Funktionen: zu oder auf. Heute haben sie Panikschlösser, Amokschlösser und vieles mehr. Die Elektronik greift ein, auch bei Schließanlagen. Heute kann man steuern, dass der Schlüssel, den die Putzfrau hat, nur von morgens sechs bis morgens um neun Uhr gilt. Da können Sie dann auch noch nachgucken, ob sie da war und auch wirklich geputzt hat.“
Das Schöne für Morgenroth ist übrigens, dass er auch an aktuellen Entwicklungen teilhaben kann, teils die Velberter Schlösser-Firmen besucht und bei denen er quasi durchs Schlüsselloch zuschaut, wie heute produziert wird. Und ein bisschen gerät er selbst ins Schwärmen für die Schlösser-Produktion: „Das ist dann immer ein bisschen so wie ,Die Sendung mit der Maus‘ – nur eben live.“
>>>> Das liebste Ausstellungsstück
Im Museum geht’s ja nicht nur darum, Exponate auszustellen. Neben der Forschung beschäftigt sich das Schloss- und Beschlägemuseum in Velbert auch mit der Beratung. Nicht nur für Schlüsseldienste, sondern auch für Filmrequisiteure. „Wir haben etwa für ,Anonymus’ und für ,Das Parfüm’ Beratungen gegeben. Und gezeigt, wie man richtig fesselt“, erzählt Ulrich Morgenroth. Die Vorlage für das schwere Eisen, in das man den Mörder im Parfüm gelegt hat, hängt noch in Velbert an der Wand. Und ein ganz besonderer Filmschatz liegt sorgsam aufgefächert unter Plexiglas: „Der Schlüsselbund, den ,Das kleine Gespenst’ durch seinen Film getragen hat, ist von uns“, erzählt Morgenroth ein wenig stolz. Auf Burg Eulenstein jedenfalls hat es des Nachts ordentlich geklimpert dank dieses unverzichtbaren Requisits – und selbst der Uhu Schuhu war davon beeindruckt.