Duisburg. . „Mythos Erde“ heißt das 3000. Heft der Science-Fiction-Serie. Einige große Fans gibt es in Duisburg, beim „Perry Rhodan“-Stammtisch.

Irgendwann packt Stefan Wepil seine Bilder auf den Tisch: exotische, riesige Pflanzen, von jemand anderem erdacht und beschrieben, von ihm gemalt. „Pflanzenhybride“, erklärt der 50-jährige Computer-Sachbearbeiter aus Bottrop: „Sie können bis zu 300 Meter groß werden, das kann man sogar berechnen“ – die Runde am Tisch schaut wissend – „jedenfalls auf einem Planeten, wo die Schwerkraft 0,4 g beträgt“ – die Runde nickt. Dann das nächste Bild: „Arkonidische Pfahlbauten.“ Das ist der Moment, in dem Werner Pöhling die Veranstaltung erdet: „Sieht aus wie ein bestimmter Wasserturm bei Wuppertal.“ Ist natürlich nur ein Spaß. Wasserturm, so’n Quatsch!

Mehrmals im Jahr trifft sich im „Café Museum“ in der Duisburger Innenstadt der „Perry-Rhodan-Stammtisch“, einer von etwa 25 im deutschsprachigen Raum. Acht Männer und eine Frau an diesem Abend, Heft 3000 steht bevor und ein Soloroman von Andreas Eschbach über die Vorgeschichte, bevor Perry Rhodan Perry Rhodan wurde: Wenn das kein Anlass ist. Denn Perry Rhodan ist die größte zusammenhängende Erzählung der Welt, die wahre unendliche Geschichte.

Unterschiedliche Handlungsstränge und Jahrhunderte

„Mythos Erde“ heißt der 3000. Band der Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“. Er erscheint am 15. Februar.
„Mythos Erde“ heißt der 3000. Band der Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“. Er erscheint am 15. Februar.

Mit allen Parallel-, Neben- und Unterserien kommt sie inzwischen auf etwa 5500 irgendwie zusammenhängende Ausgaben, auf hunderttausende Seiten – wer soll das alles lesen? Und so eint die Teilnehmer am Stammtisch, dass sie keine Berührungspunkte haben.

„Wann sind wir?“, fragt etwa jemand im Lauf des Abends und meint den aktuellen Stand der Handlung, das laufende Jahr. Es ist: 1552 NGZ. Das verstehen Sie jetzt nicht, aber das ist ja das ganze Geheimnis. Der Perry-Rhodan-Leser verrät sich nämlich immer mit folgendem Satz: „Ich habe anfangs nichts verstanden.“

Bis auf ein generelles Interesse an der Serie sind die Neun vom Stammtisch so fast alle in unterschiedlichen Handlungssträngen und Jahrhunderten unterwegs. „Die Erstauflage, die aktuellen Hefte lesen die wenigsten von uns“, sagt Pöhling, ein früherer Pressesprecher in der Duisburger Kulturszene. Einer ist mit Heft 497 eingestiegen („Das erste Heft vergisst man nie“) und dann zu den Anfängen der Handlung gegangen, ein anderer kämpft sich seit Heft 120 voran, ein dritter ist nur in der Parallelserie „Perry Rhodan neo“ unterwegs. Einwurf am Tisch: „Neo geht gar nicht.“ So treffen sie sich, reden über Rhodan, Gott und die Welt; manchmal ist auch einer der Autoren zu Gast, dann sitzen sie da mit Stapeln von Heften und lassen sie signieren. Das Essen wird kalt.

Ein Prost auf Perry Rhodan: der Duisburger Stammtisch mit Stefan Wepil (links) und Werner Pöhling (rechts).
Ein Prost auf Perry Rhodan: der Duisburger Stammtisch mit Stefan Wepil (links) und Werner Pöhling (rechts). © Olaf Fuhrmann

Wegen der anschwellenden Unüberschaubarkeit gab es praktischerweise schon in den 70er-Jahren die ersten mehrbändigen Lexika, die Leser sich neben das Heft legen und nutzen konnten. Pöhling etwa hat das so gehalten, wenn da – ein Beispiel – „Ayscho“ stand. Ayscho? Lexikon: „Grüne Sonne in der Galaxis Gruelfin, fünf Planeten, davon der dritte Mysyscher*.“ Siehe Mysyscher. Oder da stand: Harzel-Kold. Harzel-Kold? „Vater des Gäa-Mutanten Boyt Margor*. Im Jahr 3491 trifft der als Vaku-Lotse tätige Vincraner* mit der Gäanerin Virna Marloy* zusammen.“ Siehe Boyt Margor, siehe Vincraner, siehe Virna Marloy . . . (Die Rechtschreibprüfung meines Schreibprogrammes hat sich soeben entleibt).

„Die ersten Hefte habe ich von meinen Vater bekommen, unzusammenhängend“, erinnert sich der Maschinenbauer Günter Gelhausen: „Ich habe sie immer wieder gelesen und hatte keine Ahnung, worum es geht.“ Gelhausen kommt aus Meinerzhagen und macht sich mehrmals jährlich auf die 120-Kilometer-Strecke zum Duisburger Stammtisch. Denn wenn man die eigene Ahnungslosigkeit nur lange genug durchhält, dann geht die Welt des Perry Rhodan irgendwann doch auf, so Gelhausen: „Man erkennt die Stränge und Nebenstränge und kann sie irgendwann verbinden.“ Lesers Glücksmoment.

Ungefähr 3000 Jahre voraus

70 Pfennig kostete das erste „Perry Rhodan“-Heft, das 1961 erschien.
70 Pfennig kostete das erste „Perry Rhodan“-Heft, das 1961 erschien. © Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt. Illustration: Johnny Bruck

So, Ulrich Scharfenort aus Rheinhausen packt nun die Kiste aus, die er mitgebracht hat. Poster, Schlüsselanhänger, Werbeartikel. „Ich lese nur die Hefte, ich brauche nicht so ein Hintergrundzeug“, sagt Scharfenort. Da, die alte Autogrammkarte eines Autoren. „Der ist auch schon tot!“ Das bleibt nicht aus bei einer Serie, die seit 1961 erscheint, seit über 57 Jahren: Und die Gründer waren ja schon erwachsene Männer. Die Handlung, die damals mit einer ersten imaginierten Mondlandung 1971 begann, ist inzwischen ins Jahr 1552 NGZ enteilt („Neue Galaktische Zeitrechnung“ heißt das) und damit ungefähr ins Jahr 5000 der unseren.

Ein anderer am Stammtisch ist eingestiegen mit „97 oder 98, wo Gucky die letzten Mausbiber rettet“ (dem Mann kann geholfen werden: 98, „Entfesselte Gewalten“, ein herzlicher Dank der „Perrypedia“ im Internet). „Dann bin ich zu 1200 gegangen, ich habe überhaupt nichts verstanden, aber ich fand es trotzdem fesselnd.“

Und nun, da 3000 bevorsteht, „Mythos Erde“, das Heft erscheint nächste Woche? Gedruckte Leseproben gibt es bereits, andere stehen im Netz. Perry Rhodan und seine Gefährten kommen in die Milchstraße zurück, soviel steht fest. „Offensichtlich hat es sie in eine unbekannte Zeit oder in ein Paralleluniversum verschlagen“, sagt Pöhling: „Man ist im Cairianischen Zeitalter, ohne dass die Protagonisten überhaupt wissen, was das bedeutet.“ Und die Leser verstehen natürlich auch nicht. Schau an, altes Erfolgsrezept, da bist du wieder: Pöhling, der die Erstauflage lange ignoriert hat, steigt nun wieder ein.

>>>> Perry Rhodan in Zahlen

30 bis 50 Hefte sollte die Serie ursprünglich umfassen, so die Vorgabe des Verlags.

1,5 Milliarden gedruckte Exemplare mindestens beträgt die Auflage nach Schätzungen, die 2011 angestellt wurden, zum seinerzeit 50-jährigen Bestehen.

1 Milliarde gedruckte Werke: Damit gilt der langjährige Titelbildzeichner Johnny Bruck als meistgedruckter Künstler der Welt.

84 Autoren haben bisher an der Hauptserie und den Nebenserien mitgeschrieben.22 von ihnen sind mittlerweile verstorben.

4 Hefte auf Hebräisch waren die ersten, inoffiziell in eine andere Sprache übersetzten. Das Projekt endete allerdings aus unbekannten Gründen.

8 Lichtminuten beträgt die Entfernung „Erde – Sonne“. Mehrere Lichtwochen groß hingegen waren die größten Raumschiffe bei Perry Rhodan. Manche Leute halten der Serie übrigens einen leichten Hang zum Gigantismus vor.

46.674 Beiträge stehen in der Perrypedia, dem Lexikon zur Serie. Aber das ist schließlich nur der Stand von Ende Januar...