Bochum. . „Fußball ist nicht das Wichtigste im Leben – es ist das Einzige!“ Dieser Satz des Bochumer Ben Redelings ziert nicht nur seinen Erfolgsroman.

Der Mann meint es auch so! Und weiß, worüber er spricht: Der 42-Jährige ist Deutschlands erfolgreichster Fußball-Komiker. Redelings schrieb zahlreiche Bücher über unsere Region, in der das Herz des Fußballs schlägt. Die „Deutsche Akademie für Fußballkultur“ hat den VfL-Fan als „ungekrönten Meister im Aufspüren kurioser Fußballgeschichten“ bezeichnet. Mit seinen „Scudetto“-Abenden steht er deutschlandweit auf der Bühne. Zur WM haben wir ihm elf Fragen gestellt:

Gibt es bei Jogis Jungs noch Spieler mit Kult-Potenzial? Und ist es für einen Sprüche-Sammler nicht schade um einen aussortierten Typen wie Sandro Wagner?

Redelings: Ach, das weiß man ja zumeist erst hinterher. Wer hätte 2014 damit gerechnet, dass Christoph Kramer so eine Stimmungskanone ist. Den Schiri im Endspiel zu fragen, ob das auch wirklich das Finale ist? Da muss man erst einmal drauf kommen – bzw. kurz vorher einen vor den Kopf gekriegt haben. Das war schon extrem lustig. Wiewohl der Abgang von Wagner auch nicht von schlechten Eltern war. Hatte was von einem Kind, das TV gucken will, von den Eltern aber ins Bett geschickt wird und sagt: „Das habt ihr jetzt davon. Dann schaue ich eben nie wieder mit euch Fernsehen!“

Effenbergs Stinkefinger, Zidanes Kopfrempler, Schumachers Skandal: WMs liefern Stoff für große Geschichten – wieso eigentlich?

Bitte nicht die Beißer-Attacke von Suarez bei der letzten WM vergessen! Ich kann kein Dracula-Gebiss irgendwo rumliegen sehen, ohne an die klaffende Fleischwunde in der Schulter des Italieners Giorgio Chiellini zu denken. Eine WM ist eine Verdichtung von Zeit und Raum. Alles kompakt in einem Land verteilt auf vier Wochen. Der Lagerkoller, der Erfolgsdruck und die Augen der Weltöffentlichkeit heizen den Kessel so an, dass er sich Luft verschaffen muss. Da wollen wir uns als Zuschauer nicht beklagen. Das macht ja den Reiz einer WM aus.

Sie sammeln rund um die Uhr Anekdoten – ist das eigentlich schon zwanghaft?

Zwanghaft ist kein schönes Wort – trifft aber den Impuls, der mich umtreibt. Das ist wie mit dem Witz und der Großmutter: Für eine schöne Anekdote und einen launigen Spruch würde ich meine Oma verkaufen. Ich habe fürs Buch »55 Jahre Bundesliga« zweieinhalb Jahre vergilbte Zeitschriften durchblättert – Seite für Seite, viele Tausende. Für Außenstehende muss das eigenartig ausgesehen haben – für mich war das eine wunderschöne Zeit.

Stimmt es, dass Sie noch im Kreißsaal an einem Fußball-Buch gearbeitet haben? Und wie groß ist die Versuchung, seine Kinder nach Kickern zu benennen?

Stimmt. Ich habe bei unserem ersten Sohn das Manuskript zu „Dem Fußball sein Zuhause“ mit im Kreißsaal gehabt. Das war eine gute Entscheidung, es hat ziemlich lange gedauert, bis der kleine Racker rausgekommen ist. Ich habe ihm und seiner Mutter das Buch gewidmet. Und ja: Ich habe, als meine Frau über den passenden Namen sprechen wollte, als allererstes meine Sammlung an Panini-Alben hervorgeholt. Zu meiner Überraschung fand meine Frau die Idee gar nicht so übel. Das sind die Momente, in denen man freudig rekapituliert: Alles richtig gemacht bei der Wahl der Ehefrau!

Der deutsche Dauermeister München stellt wieder die meisten Spieler im WM-Kader. Wie verhindert man, dass der eigene Nachwuchs Bayern-Fan wird?

Manche meiner Kollegen meinen, das wäre ganz einfach. Ich habe da Heidenrespekt vor. Auch wenn wir auf einem guten Weg sind, so kenne ich die Geschichten von Ur-VfLern, deren Söhne in der Pubertät den Irrweg beschritten haben. Aber einige, so die erfreuliche Nachricht, haben „nach Hause“ zurückgefunden.

Die WM 2006 in Deutschland ist noch immer sehr präsent hier. Ihre stärkste Erinnerung?

Es ist in der Tat das Sommermärchen gewesen, als dass wir es heute in Erinnerung haben. Vier Wochen Sonnenschein, viele tolle Momente. Einen dieser Augenblicke habe ich im Viertelfinale gegen Argentinien erlebt. Als der letzte Elfmeter geschossen war, fand ich meinen Kopf eingeklemmt in der Achselhöhle eines von oben bis unten tätowierten Mannes wieder. Der hatte sich während des Spiels auf unsere Bank gequetscht. Niemand hat sich was zu sagen getraut, weil der Typ angsteinflößend aussah. Im Moment des größtes Glücks klemme ich in seiner Achselhöhle. Als er losließ, guckte er mich freudestrahlend an, umarmte mich und sagte: »Geil, wa?!«

Russland 2018 und Katar 2022 sind umstritten, der Videobeweis auch. Was war früher besser?

Ich habe im Buch „Sticky Fingers“, das ist eine Geschichte übers „Rolling Stone“-Magazin, gelesen, dass die Hippie-Hymne „San Francisco (Be Sure to Wear Flowers in Your Hair)“ von Scott McKenzie eine Marketing-Auftragsarbeit für ein Festival gewesen sei. Da bin ich fast vom Hocker gefallen, hätte ich nicht im Bett gelegen. Man neigt ja dazu, die Vergangenheit zu verklären. Lassen wir es dabei bewenden, dass uns unsere schönen Erinnerungen an früher niemand nehmen kann.

Sollte „Die Mannschaft“ nicht wieder ein WM-Lied gesungen haben – und wenn ja, mit wem: Helene Fischer oder Mark Forster?

Mit keinem von beiden. Vielleicht ist diese schöne, manchmal auch skurril anmutende Tradition ausgestorben, weil es nicht mehr diese Art von Künstlern wie Udo Jürgens oder Michael Schanze gibt. Das ist schade, aber nicht zu ändern.

Sie schreiben übers Spielen, weil Ihre eigene große Nationalmannschaftskarriere woran nochmal genau gescheitert ist…

Brille, Bier und Mädchen. In dieser Reihenfolge. Früher habe ich auch gerne von einem fiesen Knieschaden erzählt, aber das hat man mir mit zunehmendem Alter, okay, mit zunehmendem Bauchumfang nicht mehr abgenommen. Aber ein Probetraining beim VfL Bochum hat es in der Tat gegeben. Dort habe ich einen Elfmeter verschossen – und schon am nächsten Wochenende hatte mich mein Stammverein wieder. Alles sehr tragisch gelaufen – wie bei so vielen von uns.

Ursprünglich wollten Sie Lehrer werden. Was lehrt uns denn wohl der Fußball fürs Leben?

Alles. Das meine ich ernst. Wer den Fußball im Kern verstanden hat, weiß, dass man sich manchmal im Leben – im Fußball sind es ziemlich genau 90 Minuten – richtig fetzen kann. Aber am Ende sind wir alle gemeinsam und in derselben Sache unterwegs. Das Motto im Fußball und im Leben lautet: In den Farben getrennt, in der Sache vereint. Oder anders gesagt: Es gibt nur ein großes Fußballfeld, auf dem wir alle spielen. Wir sollten schauen, dass wir uns alle gemeinsam darum kümmern!

Na, und wer holt denn nun diesmal die goldene Trophäe?

Na ja, einfache Frage, einfache Antwort – wenigstens, wenn man es mit dem Kopfballungeheuer und Hammer Jung Horst Hrubesch hält: „Wenn wir alle Spiele gewinnen, können wir Weltmeister werden!“

Mehr Fußball-WM-Sprüche von Ben Redelings.

Buch und Termine

„Ben Redelings‘ WM-Album“ (Verlag Die Werkstatt/12 Euro) ist eine Fundgrube mit über 500 lustigen Fotos der WM-Geschichte: von singenden Holländern, nackten Italienern und infantilen Brasilianern – mit den besten Sprüchen und Fotos der WM 2014.

Weitere Termine: 9.6. Herten: WM-Spezial (mit Oli Hilbring), 12.6. Bochum: Fußballquiz zur WM, 13.11. Dortmund: Dem Fußball seine Dönekes (mit Fritz Eckenga) 14.11. Dortmund: Trainingslager (mit Uli Borowka) 20.11. Bochum: Fußball. Die Liebe meines Lebens 20.12. Bochum: Winterball – die Scudetto-Weihnachtsfeier. Und: Alle Termine 2018 für das Fußballquiz im Fußballmuseum Dortmund sind bereits ausverkauft! Ab sofort gibt es Tickets für 2019: 23.1., 21.3., 10.5., 7.6. Infos & VVK: www.scudetto.de