Bochum/Essen. . Grüne Mode fürs gute Gewissen. Immer mehr Designer setzen auf umweltfreundliche und faire Kleidung, die Spaß macht. Beispiele aus der Region:

„Wenn man die Verhältnisse vor Ort einmal gesehen hat, kann man nicht mehr mit gutem Gewissen mitmachen“, sagt Rebecca Kerkhoff. Sie ist einer der Pioniere in Sachen nachhaltige Mode, arbeitete einst für einen Discounter und betreibt heute mit ihrem Mann unter dem Namen „Native Souls“ zwei Läden. Einen in Bochum an der Kortumstraße und einen in Essen am III. Hagen. Weil sie zu tiefe Einblicke hatte in eine Welt, in der Menschen ausgebeutet, Umwelt und Tiere geschädigt werden. Sie gesteht, etabliert habe sich Fairtrade-Mode noch nicht. „Aber man macht das ja aus Überzeugung.“

Fast Food, den Begriff kennt jeder. Das Pendant dazu ist Fast Fashion. Billig, von kurzer Lebensdauer, für wenige Einsätze gemacht. Das passt zum Konsumentenverhalten der heutigen Zeit. Sieben bis zehn Mal wird ein Kleidungsstück getragen, dann landet es im Müll. So die Statistik. Allein 800 000 Tonnen Textilien werden jährlich nach Deutschland importiert. Vielfach hergestellt unter fragwürdigen Bedingungen. Und die Bekleidungsindustrie wandert durch die Welt.

Ein Blick in den Laden „Native Souls“.
Ein Blick in den Laden „Native Souls“. © Fabian Strauch

„Alle denken immer an Bangladesh. Bis heute kommen aus der Region die meisten Kleidungsstücke. Äthiopien kann aber mittlerweile die Preise unterbieten“, sagt Kerkhoff. Die 41-Jährige ist eine echte Kennerin der Branche. Das Tragische: Ob Discounter oder mittleres Preissegment, der Lohnanteil pro Shirt unterscheidet sich kaum. Bei einem Endpreis von 4,95 Euro machen 13 Cent den Lohnanteil aus, bei einem Shirt, das 29 Euro kostet, sind es 18 Cent. So erklärt es eine Online-Ausstellung des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg.

Die Bauern werden nicht ausgebeutet

„Wir haben uns lange mit der Thematik beschäftigt. Schon vor der Geschäftsgründung.“ Vor acht Jahren wagte das Paar den Schritt. Zunächst mit Fremdware, die es auf Messen fand. Die Schwierigkeit: „Wir können nicht alles kaufen, denn es muss immer fair produziert sein. Bio alleine reicht nicht.“ Die Geschäftsfrau verweist auf das „GOTS“-Label (Global Organic Textile Standard), ein Zeichen für internationale Standards.

Hier werden die Bauern nicht ausgebeutet. Ihre Baumwolle entsteht ohne den Einsatz von Pestiziden, giftige Chemikalien sind im ganzen Fertigungsprozess verboten. Auch Sozialkriterien müssen eingehalten werden. Kinderarbeit und Zwangsarbeit sind verboten. Soll heißen, alle Beteiligten müssen gut von und mit ihrer Arbeit leben können. Ob man das am Preis merkt? „Man muss die Preise mit anderen Marken vergleichen, natürlich nicht mit Discountpreisen. Aber bei den bekannten Marken bezahlt man den Namen, bei uns die Qualität“, sagt Kerkhoff und hat gleich einen Vorschlag. „Der Staat sollte nachhaltige Mode unterstützen, sie vielleicht anders besteuern.“

Eigene zeitlose Kollektion

Was bei „Native Souls“ gekauft wird, ist dafür gemacht, jahrelang getragen zu werden. Die gelernte Schauwerbegestalterin bringt mittlerweile eine eigene Kollektion heraus. „Das war von Anfang an mein Wunsch.“ Die lange Nutzungsdauer gibt ein Stück weit den Stil vor. „Wir verwenden sehr natürliche Farben, produzieren zeitlose Basics.“ Dann zeigt sie weiche Shirts, Cardigans, auch T-Shirts mit Aufdruck – zuweilen mit politischer Botschaft: „Be the voice of the voiceless“ („Sei die Stimme der Simmlosen“).

Produziert wird die Kollektion nach eigenem Entwurf auf Sri Lanka. „Wir sind von Hause aus Asienliebhaber. Und dort gibt es eine uralte Textilgeschichte die unterbrochen wurde durch den Bürgerkrieg. Wir haben die Notwendigkeit gesehen, die Menschen dort zu unterstützen.“ Die Designerin war schon mehrfach vor Ort. „Wir haben uns alle Fabriken angeschaut, die Spinnerei, die Färberei, die Näherei und die Druckerei. Das Schöne ist, die arbeiten sehr transparent. Wir haben einen Partner vor Ort, der mit allen Beteiligten zusammenarbeitet und die Produktion begleitet.“

Fairtrade-Shops im In- uns Ausland

Was dort entsteht, landet schon lange nicht mehr nur in ihren Läden. Auch andere Fairtrade-Shops im In- und Ausland haben ihre Mode im Angebot. „Unsere Sachen werden gut angenommen.“ Und sie haben, wie vieles in dem Concept-Store, eine eigene Handschrift, einen eigenen Chic. Die Designerin bringt solch eine Erkenntnis zum Lachen: „Viele Kunden kommen rein und sagen, das ist ja gar nicht mehr alles wie ein Jutesack. Nein. Fairer Handel kann locker mithalten bei der konventionellen Mode und besticht zudem durch Qualität.“

In dem Laden gibt es einiges zu entdecken. Seife auf Zuckerbasis, so ökologisch, dass sie zum Duschen in der Natur taugt, ohne der zu schaden. Und Strumpfhosen, die sich richtig gut anfühlen. „Die sind aus recycelten Fischernetzen, hergestellt von einer dänischen Firma.“ Hinter jedem Produkt steht eine Weltanschauung. Eine, die eine bessere Welt etwas näherbringt. Und eine die verdeutlicht, den ersten Schritt kann jeder für sich machen.

Rebecca Kerkhoff macht sich stark für ein Umdenken. „Unabhängig vom Geldbeutel kann jeder neue Wege gehen, sein Konsumverhalten ändern. Weniger kaufen und die Dinge mehr wertschätzen.“ Man kann Secondhand kaufen oder Teile mit der Freundin tauschen. Das kann einen schönen Anprobier-Nachmittag bescheren. Natürlich geht es auch online über Tauschbörsen. Ebenso kann man Kleider online leihen. Egal wie. Sich gegen „Fast Fashion“ zu entscheiden, sei gar nicht schwierig. Rebecca Kerkhoff sieht dazu keine Alternative: „Wir müssen umdenken!“

>> SPORT IN BIO-SHIRTS UND SHORTS

„Wenn man sich mit Yoga beschäftigt, ist man um Nachhaltigkeit bemüht. Da hat uns genervt, dass so viele Sportmode konventionell produziert wird.“ Was also tun? Sportmode selbst herstellen, nachhaltig und soweit es geht in Deutschland, das war die Antwort von Nina Arndt und ihrem Mann, Michael Klumpp, auf diese Frage. Nach kurzer Zeit folgte 2017 bereits der Lohn für das kleine Gladbecker Label: Der Green-Tec-Award.

Nina Arndt zeigt einer Näherin in einer Firma bei Chemnitz die Schnitte.
Nina Arndt zeigt einer Näherin in einer Firma bei Chemnitz die Schnitte. © Christoph Wojtyczka

Los ging alles vor sechs Jahren. „Wir wollten auf der einen Seite ein Yogastudio öffnen und auf der anderen Seite nachhaltige Textilien anbieten. Aber das ist ein so globalisierter Markt, das ist schwierig. Wir haben gesagt, wir müssen in Deutschland produzieren. Damit wir zu jeder Zeit hinfahren können.“ In der Nähe von Chemnitz wurde das Paar fündig. „Das war in der DDR ein großer Textilstandort. Als die Wende kam, haben die Damen ihren Betrieb übernommen und sich auf Sportswear spezialisiert.“ Eine Geschichte mit Charme. „Wir waren bei der Produktion dabei. Das ist ein kleiner Betrieb. Freitags ab 13 Uhr erreicht man da keinen mehr“, erzählt Nina Arndt (35). Auch dass die Biobaumwolle aus Griechenland stamme und in Italien verarbeitet werde. „Das bekommt man nicht näher hin.“

Verkauft wird die kleine Kollektion im eigenen Studio, online oder auf Messen. „Die meisten Kunden haben wir in Hamburg, Berlin und Süddeutschland. Das Ruhrgebiet ist nicht so unsere Zielgruppe.“ Für nachhaltig produzierte Mode gebe es hier kaum eine Nachfrage. Müsste man da nicht eigentlich Überzeugungsarbeit leisten? „Nein. Man bringt die Menschen in eine Verteidigungshaltung. Das will ich nicht. Die Rahmenbedingungen sind eher für mich als Produzentin wichtig. Die Nachfrage nach fairer Mode muss aus sich heraus kommen, politisch begleitet werden.“ Gesetzliche Mindestrichtlinien könnten helfen. „Damit nicht immer der Verbraucher in der Verantwortung steht.“