Oberhausen. . Oliver Walenciak steigt regelmäßig ins große Becken des Sealife, um die Fenster zu reinigen. Dabei hat er vor dem Hai noch am wenigsten Angst.
Man muss schon ziemlich lange suchen, ehe man jemanden ausfindig macht, der so richtig Lust aufs Fensterputzen hat. Denn, Hand aufs Herz: Wer empfindet die Wischerei am gläsernen Objekt nicht als äußerst lästige Pflicht?
Oliver Walenciak ist so einer, der sich doch recht gern der klaren Sicht widmet, selbstverständlich streifenfrei. Aber er hat sicher auch den außergewöhnlichsten Arbeitsplatz für einen Reinigungs-Profi. Und keine Scheu, sich für diesen Job richtig nass zu machen, denn er ist Fensterputzer im Haifischbecken.
Also zumindest, wenn man es zuspitzt. Denn die Haie sind nicht die einzigen im großen Becken des Sealife Oberhausen, des gewaltigen Meeres-Aquariums. Überhaupt: Haifische werden dank manches reißerischen Ozean-Thrillers gern überschätzt. „Die Haie machen nix“, sagt Walenciak. Um ehrlich zu sein: Die Haie, die wollen nicht mal spielen. Sondern einfach in Ruhe ihre Bahnen drehen.
Das Maul ist sehr scharf und sehr kräftig
Nein, Gefahr droht von ganz anderer Seite – und die ist ein ganz schöner Brocken: Die 135 Kilogramm schwere Meeresschildkröte ist es, die dem Unterwasser-Fensterputzer am ehesten gefährlich werden könnte bei der ordnungsgemäßen Reinigung der Scheiben.
Natürlich nicht aus bösem Willen, denn Schildkröten sind nun wirklich nicht als besonders aggressiv bekannt. Eher schon als besonders neugierig. „Sie ist einfach sehr verspielt, immer hungrig und will alles probieren. Und probieren kann sie nur mit ihrem Maul – das ist halt sehr scharf und sehr kräftig“, sagt Walenciak.
Deshalb gehen die Taucher immer zu zweit ins Wasser. Einer für die Reinigung, einer für die Sicherung. Denn wer sich auf die Scheiben konzentriert, hat nicht unbedingt noch immer Zeit, den Kopf zu wenden, um zu schauen, ob von hinten die große Schildkröte angeschwommen kommt. „Wenn sie dann man zum Spielen aufgelegt ist, dann möchte ich das nicht haben. Zum Glück ist bisher noch nie etwas passiert. Aber was heißt schon zum Glück? Wir wenden eben die Gefahr ab dadurch, dass immer noch ein zweiter Taucher dabei ist.“
Dieser zweite Mann ist heute Timo Haußecker. Er hält Walenciak den Rücken frei, wenn die beiden im Neopren-Anzug mit Sauerstoffflasche ins 26 Grad warme Wasser steigen.
1,5 Millionen Liter fasst das Becken
Man stellt sich übrigens gar nicht vor, was für ein Aufwand in einem Riesenbecken wie dem Oberhausener betrieben wird. Und Riesenbecken ist nicht übertrieben, denn die meisten Besucher bekommen wohl nicht mit, dass es sich meist um ein und dasselbe Becken handelt: Wo die Zuschauer durch die Tunnel gehen, sehen sie in den ebenjenen Wassertank wie dort, wo das Glasbodenboot seine kleine Strecke entlang dümpelt. 1,5 Millionen Liter fasst das Becken.
„Hier macht es tatsächlich schon ein bisschen Spaß, zu tauchen“, erzählt Walenciak. Und überall sind eben die dicken Plexiglas-Scheiben, denen man besondere Aufmerksamkeit widmen muss, denn sie putzen sich ja nicht von selbst.
Die meisten Fenster müssen täglich gereinigt werden. Viele Scheiben können recht einfach von außen mit einem Wischer und entsprechender Verlängerung geputzt werden. Viele der schlechter erreichbaren Stellen wie jene im Tunnel werden, Heim-Aquarianer kennen das, mit Hilfe eine Magneten gereinigt, der extrem stark ist, weil er ja durch die dicken Plexiglasschichten dringen muss.
Damit die Fische sich auch wohlfühlen
Und einmal pro Woche muss jemand wie Walenciak rein ins kühle Wasser, um all die Stellen zu putzen, an die man sonst schlecht rankommt. Mit einem speziellen Wischer für Ocean-Tanks, der nur dort eingesetzt wird und – das versteht sich ja von selbst – natürlich nie mit Putzmittel in Berührung kommt, denn das bekäme den Fischen nicht.
Und natürlich ist das Unterwasserputzen etwas schwieriger als an der frischen Luft: „Man übt einen gewissen Druck aus – und wird dann zurückgeschoben. Das macht die ganze Sache ein bisschen anstrengend.“
Oliver Walenciak, das muss man jetzt mal kurz auflösen, ist natürlich nicht hauptberuflich Fensterputzer, der nur einmal pro Woche zur Arbeit geht. Er ist Kurator und Biologischer Leiter im Sealife, trägt einen Doktortitel und ist dafür zuständig, welche Fische in welchen Becken gezeigt werden und wie die Becken auszusehen haben, bis hin zur Deko. Und natürlich auch, wie die Wasserqualität ist. Das hält einen schon ganz schön beschäftigt.
Man muss nicht Kurator sein, um sich unter Wasser um die Scheiben zu kümmern: „Das machen auch die Tierpfleger.“ Vorausgesetzt, sie haben einen Taucherschein und kennen sich mit der Technik aus. Und fast möchte man wetten, dass sie im Meeresbecken viel lieber die Fenster putzen als zu Hause.