Moers. . Neue Serie über die Halden: Der Geleuchtwart auf Rheinpreußen zeigt den Menschen die größte Grubenlampe. Schon so manche Liebe ist dort oben entfacht.

Ein Poltern auf der Treppe: Eins, zwei, drei, ... zehn Feuerwehrmänner mit Pressluftflaschen auf dem Rücken stürmen auf die Aussichtsplattform. Was machen sie hier? Auf dem „Geleucht“, der begehbaren Grubenlampe, die so groß ist, dass sie einem Riesen gehören könnte. Brennt es? Nirgends ist ein Feuer zu sehen. Nur Brand, Karl Brand. Denn der 65-Jährige ist der „Geleuchtwart“.

Der Titel führt in die Irre. Denn Brand wartet lediglich auf Neugierige. Auch zündet er das Licht nicht an, in der 30 Meter hohen Lampe. „Das macht ein Automat.“ Brand nennt sich daher lieber: „Ansprechpartner für Besucher“. Klingt nicht so geheimnisvoll, aber die Menschen entdecken gerne mit ihm die Geheimnisse auf der Halde Rheinpreußen in Moers. Sie schauen zum Horizont – und werden dabei ganz ruhig.

Karl Brand öffnet den Turm auf der Halde Rheinpreußen für Besucher. In der Hand hält er das Vorbild für Otto Pienes Kunstwerk „Das Geleucht“: eine Davy-Lampe.
Karl Brand öffnet den Turm auf der Halde Rheinpreußen für Besucher. In der Hand hält er das Vorbild für Otto Pienes Kunstwerk „Das Geleucht“: eine Davy-Lampe. © FUNKE Foto Services

Schornsteine und Kühltürme tupfen weißen Qualm an den blauen Himmel. Durch das viele Baumgrün schlängelt sich der Rhein. Und am Fuß des bis 1990 aufgeschütteten Tafelberges schwimmt ein Ruderboot auf dem schimmernden Waldsee.

„Niederrhein Guide“ steht auf Brands Kappe. Er führt auch Wanderungen über die Halde an, etwa bei Vollmond. Unter Tage hat er nie gearbeitet. Tischler war er, später hat er Küchen verkauft. Eines Tages, als noch keiner an das Halden-Kunstwerk dachte, fand Brand einen Stein mit fossilen Farnblättern. „Das war alles schon mal an der Erdoberfläche“, erinnert er an die Entstehung von Kohle. Brands Interesse für den Bergbau war geweckt. Er griff zu, als man einen ehrenamtlichen Hüter der größten Grubenlampe suchte. Auch über das Geröll aus den Stollen weiß er zu berichten, wie es zu hässlichen Hügeln aufgetürmt wurde und sich in attraktive Ausflugsziele verwandelte.

RWE-Turm so klein wie ein Stecknadelkopf

Spaziergänger machen Fotos vom Geleucht. Ein Jogger läuft schwitzend die Halde hinauf. Kinder brausen jauchzend mit Rädern den Weg hinab. Viermal in der Woche schließt Brand im Sommer die Tür zum Geleucht auf, geht vorbei an der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute, 53 Stufen hoch zur Aussichtsplattform.

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Der Wind trägt leises Rauschen von der A42 hinauf, die Autos – so winzig klein – überqueren die Schrägseilbrücke über den Rhein. Duisburg mit dem Thyssen-Krupp-Stahlwerk liegt vor uns. Augen zusammenkneifen und die Skyline von Essen sehen. Der RWE-Turm ist auf Stecknadelkopfgröße geschrumpft. Brands Zeigefinger wandert zum Landesarchiv im Duisburger Innenhafen und auf einen leuchtenden Punkt zu, der in Wirklichkeit 25 Meter hoch ist. Eine weitere Landmarke. Sie markiert die Mündung der Ruhr in den Rhein: „Rheinorange“.

Zukünftige Brandmeister trainieren auf dem Geleucht.
Zukünftige Brandmeister trainieren auf dem Geleucht. © FUNKE Foto Services

In rotes Licht wird abends ein Hang der Halde getaucht. Auch das Geleucht erstrahlt dann in dieser Farbe. Sie steht für Energie und für einen glühenden Eisenstrom – ein weiterer Bezug zur Montanindustrie. Und natürlich symbolisiert Rot die Liebe: Auf einer Picknickdecke auf der großen Wiese vor dem Geleucht küsst sich ein Paar. Brand hat den Turm schon mal geöffnet, damit ein Mann die Grubenlampe – Stufe für Stufe – mit Kerzen und Rosen schmücken konnte. Es war nicht der einzige Heiratsantrag auf diesem Gipfel.

Das Geleucht aus Stahl von Otto Piene, das seit 2007 mit privater Unterstützung leuchtet, ist ein Kunstwerk, das nicht lange erklärt werden muss. Und doch gibt es Geschichten dazu: Brand hält das Vorbild in der Hand – eine Davy-Lampe. Ihr Drahtgeflecht verhinderte die Schlagwetterexplosion, bei der sich ein Methan-Luftgemisch entzündet. Auch veränderte sich die Flamme je nach Gas-Konzentration. Dadurch rettete die Lampe im 19. Jahrhundert vielen Bergleuten das Leben.

Kopf nach links: Zeche Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort. Kopf nach rechts: „das Goldschächtchen“, wie der lukrative Schacht IV von Rheinpreußen genannt wurde. Ansonsten liegt Moers selbst, Brands Zuhause, etwas versteckt hinter Bäumen: „Die Wetterseite ist bewaldet, damit eine Abrutschung verhindert wird.“

Der Leuchtturm des Ruhrgebiets

Die Halde Rheinpreußen ist der höchste Punkt in der Umgebung von Moers-Meerbeck.
Die Halde Rheinpreußen ist der höchste Punkt in der Umgebung von Moers-Meerbeck. © Wolf Ademeit (CC:BY-NC-ND)
Der Abraum stammt aus der Zeche Rheinpreußen, dem ersten linksrheinischen Bergwerk.
Der Abraum stammt aus der Zeche Rheinpreußen, dem ersten linksrheinischen Bergwerk. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
Um die Halde zur Landmarke auszubauen, wurde auf der Halde ein etwa 30 Meter hoher Turm in Form einer Grubenlampe errichtet. Den Entwurf für
Um die Halde zur Landmarke auszubauen, wurde auf der Halde ein etwa 30 Meter hoher Turm in Form einer Grubenlampe errichtet. Den Entwurf für "das Geleucht" lieferte der Künstler Otto Piene. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
Blick von der Halde: Zu sehen ist der Rhein mit der Brücke der A42 und den Industrieanlagen von ThyssenKrupp, die Müllverbrennungsanlage in Oberhausen und der Landschaftspark Duisburg-Nord rechts hinter der Haus-Knipp-Eisenbahnbrücke.
Blick von der Halde: Zu sehen ist der Rhein mit der Brücke der A42 und den Industrieanlagen von ThyssenKrupp, die Müllverbrennungsanlage in Oberhausen und der Landschaftspark Duisburg-Nord rechts hinter der Haus-Knipp-Eisenbahnbrücke. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
Schweißtreibende Einheiten absolvieren die Auszubildenden der Brandmeister am Ort der Industriekultur.
Schweißtreibende Einheiten absolvieren die Auszubildenden der Brandmeister am Ort der Industriekultur. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
Offiziell ist Karl Brand der
Offiziell ist Karl Brand der "Geleuchtwart", jedoch kann man das missverstehen. Er nennt sich lieber "Ansprechpartner für Besucher". © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
Die Halde Rheinpreußen ist dieses Jahr im August - nach dem Bau eines neuen Fluchtwegs - wieder Schauplatz eines besonderen Spektakels, denn mit ihrer Höhe von rund 100 Metern bietet sie nicht nur faszinierende Blicke, sondern...
Die Halde Rheinpreußen ist dieses Jahr im August - nach dem Bau eines neuen Fluchtwegs - wieder Schauplatz eines besonderen Spektakels, denn mit ihrer Höhe von rund 100 Metern bietet sie nicht nur faszinierende Blicke, sondern... © Olaf Fuhrmann / FUNKE Foto Services
... auch immer genügend Wind, damit Drachenfreunde ihre bunten Himmelsstürmer steigen lassen können.
... auch immer genügend Wind, damit Drachenfreunde ihre bunten Himmelsstürmer steigen lassen können. © Olaf Fuhrmann / FUNKE Foto Services
Zum Einbruch der Dunkelheit erleuchten ein Halden-Hang und das Geleucht rot.
Zum Einbruch der Dunkelheit erleuchten ein Halden-Hang und das Geleucht rot. © Hans-Dieter Stuckart (CC:BY-NC-ND)
Klicken Sie sich durch weitere Bilder von der Halde Rheinpreußen.
Klicken Sie sich durch weitere Bilder von der Halde Rheinpreußen. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
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Klicken Sie sich durch weitere Bilder von der Halde Rheinpreußen. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
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Ein Blick von der Halde Rheinpreußen auf den Waldsee.
Ein Blick von der Halde Rheinpreußen auf den Waldsee. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
Klicken Sie sich durch weitere Bilder von der Halde Rheinpreußen.
Klicken Sie sich durch weitere Bilder von der Halde Rheinpreußen. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
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Klicken Sie sich durch weitere Bilder von der Halde Rheinpreußen. © Volker Herold / FUNKE Foto Services
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Klicken Sie sich durch weitere Bilder von der Halde Rheinpreußen. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
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Klicken Sie sich durch weitere Bilder von der Halde Rheinpreußen. © Sebastian Konopka / FUNKE Foto Services
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Brand mag jedes Wetter. Das Spiel der Wolken bei Sonnenschein ebenso wie Blitze, die den Himmel erleuchten. Der Wind weht selbst an milden Tagen – am 22. und 23. August lassen die Menschen bei einem Fest wieder Drachen steigen. Die Aussicht, die Weite. Das alles genießt Karl Brand. Und die Zufälle: Die Feuerwehrmänner sind Azubis. Als Brandmeister sollen sie mal Menschen aus brennenden Hochhäusern retten. Dafür trainieren sie auf der Halde. In ihrer Ausrüstung sind sie hinaufgelaufen. „Das geht schon gut in die Beine“, sagt einer, während ihm eine Schweißperle die Stirn hinabläuft. Brand: „Dafür wird man belohnt: mit diesem Ausblick.“ Die jungen Männer stellen sich an die Brüstung des Geleuchts. Sie schauen zum Horizont, ihr Atem wird ruhiger.

Mehr Informationen: Das Geleucht