Essen. . Lokführer, Piloten der Lufthansa und Mitarbeiter der Logistik-Branche lassen ihre Muskeln spielen. Das Jahr der Streiks. Von Verlierern und Gewinnern.

Die Deutschen zählen eigentlich nicht zu den streikfreudigsten Völkern. 2014 hat sich die Wahrnehmung geändert. Insbesondere kleine Berufsgruppen ließen die Muskeln spielen und demonstrierten mit Arbeitsniederlegungen, wie bedeutend sie für das öffentliche Leben sind.

Die größte Wucht entfaltet freilich gleich mehrfach im Verlauf des Jahres die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) unter ihrem gleichermaßen beinharten wie umstrittenen Vorsitzenden Claus Weselsky.

Mitte November ruft er seine Mitglieder zum 90-stündigen Mega-Streik auf. Der Zorn auf die GdL ist groß, die Auswirkungen sind in der gesamten Bundesrepublik zu spüren, weil zahllose Zugverbindungen ausfallen oder Bahnen unendlich viel Verspätung haben. Kurz vor Weihnachten bewegen sich Bahn und GdL dann zumindest in ihren Tarifverhandlungen aufeinander zu. Ob die GdL künftig – wie gefordert – auch für die Zugbegleiter verhandeln kann, wird das neue Jahr zeigen.

Streik auch in der Luft

Gestreikt wird aber nicht nur auf der Schiene. Gleich mehrfach legen die Piloten der Lufthansa die Arbeit nieder. Sie protestieren gegen die von der Airline geplante Abschaffung der Frührente mit 55 Jahren für Lufthansa-Piloten. Als Folge der Warnstreiks fallen Tausende Flüge aus. Nach dem freiwillig ausgerufenen Weihnachtsfrieden drohen die Piloten für 2015 mit weiteren Kampfmaßnahmen.

Der Ausstand der Kapitäne ist aber nicht der einzige Grund für gestresste Fluggäste. Im Februar 2014 ruft die Gewerkschaft Verdi das private Sicherheitspersonal am größten deutschen Flughafen in Frankfurt zum Warnstreik auf. Etliche Flüge müssen gestrichen werden, weil die Abfertigung nicht besetzt ist. Verdi fordert für das Sicherheitspersonal mehr Geld.

Uber sorgt für Wirbel bei Taxi-Fahrern

Auch die Straße als Verkehrsträger bleibt nicht von Arbeitskämpfen verschont: Im Juni protestieren europaweit zehntausende Taxifahrer gegen neue Konkurrenz aus dem Internet. In Deutschland bietet das US-Unternehmen Uber über eine Handy-App günstige Mitfahrgelegenheiten an.

Mitten im Advent lädt Verdi Beschäftigte in den Paketzentren der Deutschen Post zu Betriebsversammlungen ein. Während dieser drei Stunden bleiben die Pakete liegen. Einen viel längeren Atem hat die Gewerkschaft in den Logistikzentren des Online-Versenders Amazon. Die Warnstreiks werden bis kurz vor Weihnachten ausgedehnt, um Amazon zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag zu bewegen. Bislang ohne Erfolg. Im Laufe des Jahres streiken auch Ärzte, Kita-Beschäftigte der AWO und Mitarbeiter des Textildiscounters Kik.

Mit ihrem Tarifeinheitsgesetz reagiert die Große Koalition auf die Streikwelle. Es soll verhindern, dass kleine Berufsgruppen die Republik lahmlegen können.

Letzte Schicht bei Opel 

Nach 52 Jahren endet in Bochum ein Stück Industriegeschichte: Bei Opel läuft der letzte Zafira-Van vom Band. Der Autobauer stellt am 12. Dezember die Produktion im Ruhrgebietswerk ein.

Letzte Nachtschicht bei Opel in Bochum.
Letzte Nachtschicht bei Opel in Bochum. © Ralf Rottmann / FUNKE Foto Servi

Die rund 3000 Mitarbeiter stehen vor einer ungewissen Zukunft. Die meisten von ihnen wechseln für maximal zwei Jahre in eine Transfergesellschaft. Einige können im verbleibenden Opel-Ersatzteillager mit 700 Arbeitsplätzen unterkommen.

Neben großer Wehmut herrscht in Bochum aber auch Aufbruchstimmung: Die neuen Planungen für das riesige Opel-Areal mit Autobahnanschluss haben längst begonnen. Die erste Groß-Ansiedlung zeichnet sich bereits ab: Die Posttochter DHL will auf dem Werksgelände ein neues Paketzentrum bauen.

Verlierer der Energiewende 

Die Energieversorger an Rhein und Ruhr galten über Jahrzehnte als Gelddruckmaschinen. Die Energiewende hin zu den erneuerbaren wie Wind und Sonne erwischt Eon, RWE und viele Stadtwerke mit voller Wucht. Sie können mit Kohlekraftwerken kein Geld mehr verdienen. Deutschlands größter und zweitgrößter Versorger rutschen in die roten Zahlen.

Trendwende bei Eon: Wind statt Kohle.
Trendwende bei Eon: Wind statt Kohle. © WAZ FotoPool

Die tiefgreifendsten Konsequenzen aus der neuen energiepolitischen Zeitrechnung zieht der Düsseldorfer Riese Eon. Der Aufsichtsrat beschließt eine Radikalkur: Eon will sich künftig allein auf erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen konzentrieren. Atom- und Kohlekraftwerke werden in eine neue Gesellschaft ausgegliedert.

So weit sind die Umbaupläne beim Essener Wettbewerber RWE noch nicht gediehen. Hier wie bei Eon verlieren tausende Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze. Die Ruhrgebietsstädte, die beträchtliche Anteile an RWE besitzen, müssen sich auf schmale Dividenden einstellen.

Neue Chefs bei Karstadt 

Die Chefs wechseln, die große Unsicherheit bei Karstadt bleibt. Im August übernimmt der österreichische Milliardär René Benko den kriselnden Essener Warenhaus-Konzern vom deutsch-amerikanischen Milliardär Nicolas Berggruen.

Zuvor hatte bereits die ehemalige Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt nach nur wenigen Monaten auf dem Geschäftsführer-Sessel bei Karstadt das Handtuch geworfen. In der Zentrale in Essen-Bredeney führt nun der als Sanierer bekannt gewordene Handels-Manager Stephan Fanderl das Regiment.

In einem ersten Schritt will er Mitte 2015 sechs Warenhäuser schließen. Weitere Standorte stehen auf dem Prüfstand. Die Gewerkschaft Verdi befürchtet, dass Karstadt knapp 2000 der 17 000 Vollzeitstellen abbauen will.