Essen. Wenn im Advent die Kerzen entzündet werden, beginnt auch seine große Zeit: der Schatten. Wir beleuchten das Phänomen in all seinen Facetten und erklären, warum man im Schatten noch lesen kann, wie Goethe über ihn dachte und wieso wir Schattenseiten nicht immer verstecken sollten.

Nur bei Hitze kann uns der Schatten wirklich entzücken. Dann hoffen wir auf laubreiche Schattenspender. Denn das Sprichwort, wonach sich dort, wo viel Licht ist, auch viel Schatten findet, stimmt längst nicht immer. Aber so hatte Goethe es im ersten Akt seines „Götz von Berlichingen“ ja nicht gemeint, als er den berühmten Ritter mit Blick auf dessen Sohn Karl sagen ließ: „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten.“ Was heißen soll: Zwar zieht das grell Erleuchtete sämtliche Blicke an, doch dadurch werden die Schattenseiten übersehen. Niemand strahlt eben überall. Kein Licht ist ohne Dunkel.

Niemand will von besonders lichtbedürftigen Zeitgenossen in den Schatten gestellt werden. Aber Menschen können sich wandeln und dadurch aus dem Schatten heraustreten: Sich so von Übermächtigem freizumachen, kann völlig neues Licht auf uns werfen. Wer so etwas selbst erleben möchte, sollte allerdings darauf achten, dass möglichst nichts einen Schatten auf ihn wirft, schon gar kein böser Verdacht. Sonst könnte bald jemand den Auftrag erhalten, dem Betreffenden wie ein Schatten zu folgen.

Das Wissen um einen solchen Dauerverfolger kann uns so sehr den Schlaf rauben, dass wir irgendwann nur noch ein Schatten unserer selbst sind: eine völlig entkräftete Version eines ehedem energischen Menschen. Treffend wäre dann auch die etwas aus der Mode geratene Redensart: Der Kerl gleicht dem Schatten an der Wand. „Dieser radikale Vergleich wurde früher besonders auf das veränderte Aussehen Liebender bezogen, die darunter litten, betrogen oder verlassen worden zu sein, und in ihrer Hoffnungslosigkeit wie unheilbare Kranke aussahen“, schrieb der Volkskundler Lutz Röhrich in seinem „Lexikon der sprichwörtlichen Redewendungen“.

Der Schatten lieferte die Nahrung für Sagen

„Der Schatten spielte früher eine viel größere Rolle als heute im Zeitalter der Elektrizität“, erklärt Röhrich. „Durch das Fackel- oder Kerzenlicht entstanden in den nur schlecht ausgeleuchteten Winkeln der Räume riesige Schatten, die der Fantasie über unheimliche Wesen ständig neue Nahrung gaben und vieles bei der Sagenbildung erklären.“ Dazu passt die Redensart, wonach Menschen sich manchmal „vor ihrem eigenen Schatten fürchten“, also ohne Grund ängstlich sind. Wer sich dann wehren möchte und um sich schlägt, betreibt Schattenboxen, wie es in China als Taijiquan (oder kurz: Tai-Chi) eine alte Kampfkunst ist und heute der Entspannung dient. Zumindest kann man dabei keinen Gegner verletzen.

Nach antikem Verständnis wechseln die Lebenden ins Schattenreich der Verstorbenen hinüber. Dem mythischen Helden Achilles behagte der Aufenthalt dort nur maßvoll. Als der griechische Dichter Homer seinen Odysseus in der berühmten „Odyssee“ hinab in die Unterwelt – den Hades – steigen lässt, trifft der Irrfahrer dort Achilles. Und der räumt ein: „Lieber ein Bettler sein im Reiche des Lichts als ein König im Reiche der Schatten.“ Auch der Held der Kämpfe um Troja wollte offensichtlich kein Schattendasein mehr führen.

Psychologie – die Schattenseiten des Menschen 

Alle Menschen haben Schattenseiten wie Geiz, Faulheit oder einen Hang zur Angeberei. Oft hassen sie diese Eigenarten selbst und tun alles dafür, sie zu verbergen. Dabei wäre es viel gesünder, das Gute darin zu sehen und für sich einen fruchtbaren Kompromiss zwischen geliebten und ungeliebten Aspekten der Persönlichkeit zu finden.

Die meisten versuchen also, den schönen Schein zu wahren. Sie präsentieren sich mit Wesenszügen, die sie für vorteilhaft halten. Doch das hat eine Konsequenz, die selten gesehen und deren Sprengkraft – wenn überhaupt erkannt – weithin unterschätzt wird. „Wir stellen gewisse Aspekte von uns ins Licht, diese sollen gesehen werden, und dadurch geraten andere Aspekte von uns in den Schatten“, schreibt die Schweizer Psychoanalytikerin Verena Kast in ihrem Buch „Der Schatten in uns“. Oder aber „wir versuchen schon von vornherein gewisse Seiten von uns im Halbdunkel zu lassen oder auch ganz im Dunklen“.

Jeder Mensch hat Schattenseiten: Neid, Habgier, den Hang zur Prahlerei.
Jeder Mensch hat Schattenseiten: Neid, Habgier, den Hang zur Prahlerei. © Getty Images

Diese Persönlichkeitsanteile bilden den Schatten eines Menschen – eine Sichtweise, die auf den Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung (1875–1961) zurückgeht. Er unterschied „Persona“ und „Schatten“: zum einen den persönlich willkommenen, zum anderen den abgelehnten Teil unserer Persönlichkeit, der sich jedoch laut Kast „wie alles Verdrängte, auch immer wieder gegen unseren Willen“ zeigt. Der Schatten steht allerdings auch für nicht gelebte Möglichkeiten, die ein Mensch entfalten könnte, um mehr als bisher er oder sie selbst zu sein.

Doch für unsere Schattenseiten, wie Neid oder Fremdenfeindlichkeit, aber auch für extremere Seiten unserer Sexualität, schämen wir uns umso mehr, je weniger vorzeigbar wir sie finden. Treten diese Eigenarten dann doch zutage, „verliert der Betreffende zumindest vorübergehend das Gesicht, was bei den meisten Menschen mit Angst und Scham verbunden ist“, so Kast.

Verrückt erscheint ein Phänomen, das reflektierten Menschen vertraut sein dürfte: „Schattenaspekte, die wir uns ungern eingestehen, können wir besonders gut in anderen entdecken“, hat die 71-jährige Psychologie-Professorin auch als Therapeutin oft erlebt. Unsere Mitmenschen können Schattenseiten verkörpern, „die zu uns gehören, die zu leben wir uns aber nicht getrauen“. Deshalb projizieren wir sie auf manche Zeitgenossen, will heißen: Wir stülpen sie ihnen über. Seelisch gesund ist das am Ende zwar nicht, doch so können wir Verdammenswertes bekämpfen oder verunglimpfen, ohne uns selber bloßzustellen.

Der Klatsch über Promis verrät unsere Schattenseiten

Schön zu erkennen ist dieser Mechanismus am verbreiteten Interesse an Klatsch und Tratsch über Filmstars, Adlige und Vermögende – vor allem dann, wenn die Betreffenden sich etwas haben zu Schulden kommen lassen. Dann empören sich viele über den „ausschweifenden Lebensstil“ lebenslustiger Politiker, die Affären von Schauspielerinnen oder die Steuerschulden reicher Unternehmer.

Äußerst lustvoll ereifern sich auf diese Weise Millionen Menschen, die es selbst – oft aus durchaus verständlichen Gründen – nicht wagen, sich das herauszunehmen, womit die Berühmtheiten auffallen. Indem nun die vermeintlich ehrbaren Bürger die Exzesse der Exzentriker scharf verurteilen, enthüllen sie dadurch oft bloß verdrängte Seiten ihrer eigenen Persönlichkeit, die ein Schattendasein führen müssen, weil sie als nicht präsentabel gelten.

Um diese Seiten zu leben, erfordert es nicht nur Mut; man müsste diese auch noch lieben lernen. Denn im Neid zum Beispiel steckt ja oft auch der Ansporn, mit anderen gleichzuziehen, ihnen im Guten nachzueifern. Wenigstens aber müsste es gelingen, den Schatten soweit anzunehmen, dass zumindest Facetten des damit verbundenen Verhaltens nicht länger bekämpft, sondern in das eigene Verhaltensrepertoire eingebaut werden können.

Das Verhalten der Eltern erkennen

Freudianer erklären die Schattenseiten mit übernommenen Verhaltensmustern wichtiger Bezugspersonen, vor allem die der Eltern, die einem als Kind selbst arg zu schaffen machten. Menschen, die oft herumtoben, ungehemmt prahlen oder anderen etwas neiden, „mussten häufig als Kind unter denselben ungeliebten Eigenschaften der Eltern leiden“, sagt der Gießener Psychoanalytikers Hans-Jürgen Wirth. „Sie haben sich mit diesen Eigenarten identifiziert, weil es einfacher ist, sie aktiv an anderen auszuleben als sie passiv von anderen erleiden zu müssen.“ Indem einem solche Zusammenhänge „bewusst werden und es zu einer inneren Aussöhnung mit den Eltern kommt, können die eigenen Schattenseiten teils überwunden, teils besser integriert werden“. Genau darum geht es in der analytischen Therapie. Oder bildlich gesprochen: Mehr Licht dort zuzulassen, wo bisher nur Schatten war, und sich darüber möglichst auch noch zu freuen.

Der Schatten – wissenschaftlich betrachtet 

ritt man an einem wolkenlosen Tag, geblendet vom gleißenden Licht der Sonne, in den Schatten, ist es dort keineswegs dunkel. Die meisten Menschen dürften darüber noch nie nachgedacht oder deswegen gestutzt haben, doch liegt die Frage nahe, wieso man selbst im Schatten problemlos die Zeitung lesen kann und dort manchmal sogar noch eine Sonnenbrille tragen muss, um nicht blinzeln zu müssen. Schließlich fällt dorthin, wo Schatten herrscht, kein direktes Sonnenlicht.

Auch im Schatten können wir lesen.
Auch im Schatten können wir lesen. © Lars Heidrich

Das gleiche Phänomen gibt es auch in geschlossenen Räumen: Auch wenn nur eine Zimmerlampe brennt und von draußen bei Nacht und geschlossenen Rollladen sonst kein Lichtstrahl ins Zimmer dringt, ist es auch im Schatten der einzigen Lichtquelle im Raum keineswegs stockfinster. Selbst wenn man eine Schranktür in Richtung der einzigen Lichtquelle öffnet, so dass die Lampe sich hinter der Schranktür befindet und kein direktes Licht zwischen Mäntel oder Schüsseln schicken kann, erkennt man die meisten Dinge im Schrank problemlos.

Hexerei ist das nicht, sondern die Folge davon, dass Licht keineswegs nur auf direktem Weg auf die Netzhaut unserer Augen trifft, sondern auch reflektiert oder gestreut. Der Unterschied ist simpel: Spiegel reflektieren das Licht komplett, wobei es im selben Winkel, in dem es die Spiegelfläche erreicht, von dieser wieder abgestrahlt wird, gemäß der Schulphysik-Regel „Eingangswinkel gleich Ausgangswinkel“. Zudem bleiben alle Lichtstrahlen bei diesem Vorgang parallel zueinander, wodurch wir in einem absolut ebenen Spiegel die Lichtquelle frei von jeder Verzerrung sehen können. Die Spiegelfläche selbst sehen wir hingegen nicht – alles darin ist Abbild.

Eine Frage der Streuung

Das ist bei einer diffusen Reflexion oder Streuung des Lichts anders. Dieser Fall tritt auf, wenn raue Oberflächen wie Baumrinde oder ein Teppich jeden einzelnen Lichtstrahl in einem anderen Winkel zurückstrahlen, nicht als Strahlenbündel, sondern gestreut. Erst dadurch wird der Gegenstand selbst überhaupt sichtbar und zeigt nicht bloß reflektierte andere Gegenstände. Zusätzlich schluckt die raue Oberfläche einen Teil des auf sie fallenden Lichts, außer sie ist schneeweiß.

Dass es zum Beispiel auch im Schatten eines Straßenbaums nicht völlig dunkel und manchmal sogar ziemlich hell ist, liegt nun daran, dass direktes Sonnenlicht von Hauswänden in den verschatteten Bereich unter dem Baum gestreut wird; zudem reflektieren womöglich einige verspiegelte Flächen an Bürogebäuden etwas Licht in voller Stärke dorthin, weshalb wir sogar im Baumschatten geblendet werden können.

Zu allem Überfluss schicken nicht nur feste Oberflächen Streulicht in den Schatten, sondern ebenso die Umgebungsluft. Diese ist ja nicht leer, sondern enthält Schwebstoffe wie Rußpartikel oder Bremsabrieb, außerdem Sauer- und Stickstoffmoleküle sowie Wasserdampfgas, an denen Licht gestreut wird.

Selbst Wassertropfen reflektieren das Licht

An den winzigen Wassertropfen feuchter Luft, also an Dunst, brechen sich Lichtstrahlen zudem wie an klitzekleinen Prismen aus Glas. Gebrochen heißt, dass ein Teil des Lichtes an der Oberfläche des kleinen Wassertropfens nicht reflektiert wird, sondern in das Tröpfchen eindringt und aufgrund des Dichte-Unterschiedes zwischen Wasser und Luft etwas abgelenkt wieder austritt – nun allerdings aufgeteilt in die Wellenlängenbereiche der sogenannten Spektralfarben. Indem das ehedem weiße Licht das Wassertröpfchen in jeweils unterschiedlichem Winkel wieder verlässt, werden seine Farbanteile von Rot über Blau, Grün und Gelb bis zum violetten Anteil sichtbar. „Dieser Effekt kann sehr schön bei der Betrachtung des Regenbogens erkannt werden“, sagt Thomas Rinder, Professor im Fachbereich Informatik und Elektrotechnik an der Fachhochschule Kiel. „Und damit haben wir einen weiteren Effekt, welcher Licht in den Schatten bringt.“ Nämlich abgelenktes Licht aus Wassertröpfchen in der Luft, die das Auge allenfalls als feinen Dunst wahrnehmen kann.

Die Luft selbst also lenkt auf unterschiedliche Weisen Licht in den Schattenbereich des Baumes hinein. Das alles zusammengenommen ermöglicht es uns, selbst unter einer mächtigen Rotbuche dort, wohin kein Sonnenstrahl auf direktem Wege trifft, noch ein Buch zu lesen – auch dann noch eine Zeit lang, wenn die Sonne schon eine Weile untergegangen ist und nun ihr Licht nur noch als Streulicht aus der Erdatmosphäre auf unsere Augen trifft.

Sonne, Mond und Schatten

An Luftteilchen gestreutes Licht setzt Luftteilchen voraus. In einem Vakuum kann es kein Streulicht geben, sondern nur direktes Licht und völlig finsteren Schlagschatten dort, wohin kein Lichtstrahl fällt. Das entspricht im Wesentlichen den Bedingungen auf dem irdischen Mond. „Es fehlt unserem Mond eine Atmosphäre, deren Teilchen Sonnenlicht dorthin streuen könnten, wohin keine Sonnenstrahlen auf direktem Weg gelangen“, sagt Jürgen Oberst, Planetenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Wir sehen die Helligkeit des Vollmonds. Aber auf seiner Rückseite ist es fast komplett dunkel.
Wir sehen die Helligkeit des Vollmonds. Aber auf seiner Rückseite ist es fast komplett dunkel. © dpa

„Daher wäre es für einen menschlichen Beobachter auf der Mondrückseite in Vollmondnächten tatsächlich fast komplett dunkel.“ Oberst schränkt seine Aussage auf Nächte mit Vollmond ein, weil Mond und Sonne dann von der Erde aus gesehen in entgegengesetzten Richtungen stehen, wodurch von der Erde aus kein zurück ins All gestreutes Sonnenlicht die Mondrückseite aufhellen kann. „Es gibt noch das Sternenlicht, das aber nur einen minimalen Effekt ausmacht“, merkt Oberst an. Dieses würde einem Astronauten auf der erdfernen Mondrückseite ein ganz klein wenig Helligkeit zutragen, was für das menschliche Auge aber „zu wenig ist, um die Umgebung erkennen zu können“, wie Thomas Rinder von der Fachhochschule Kiel anmerkt.

Grundsätzlich gilt auch für die Bereiche zwischen den Galaxien: Je geringer durchsetzt ein Raum mit feiner Materie ist, desto schlechter kann Licht in Schlagschatten-Bereiche gestreut werden – und umso dunkler ist es dort, wohin kein Sternenstrahl auf direktem Weg vordringt.

Merken kann man sich: „Licht-Streuung führt immer zur Aufhellung von Bereichen, die ansonsten dunkel sein sollten“, sagt Thomas Halfmann, Professor am Institut für angewandte Physik der Technischen Universität Darmstadt. „Dieses Prinzip wird auch bei der indirekten Beleuchtung mit Lampen genutzt.“ Und gut erkennbar wirksam ist es auch im Nebel, wenn „eine Straßenlaterne unscharf und ausgedehnter wirkt als sie tatsächlich ist“. Hübsch mag Streulicht nicht immer sein, aber es macht hell, wohin die Sonne nicht schnurstracks reicht.

Nachtschattengewächse und Kurschatten 

Von Nachtschattengewächsen, zu denen so nützliche Pflanzen wie Tomaten und Kartoffeln gehören, haben die meisten Menschen schon gehört. Aber sind das Pflanzen, die nachts im Schatten gedeihen? Oder sogar im Schatten der Nacht? Das klingt sonderbar. Dabei gehören so bekannte und beliebte Nutzpflanzen wie Paprika, Tabak und Aubergine zur Familie der Nachtschattengewächse – die beiden letztgenannten zur untergeordneten Gattung der Nachtschatten (Solanum), die etwa 1400 Arten umfasst.

„Die Herkunft des Namens Nachtschatten ist nicht klar“, sagt der Pflanzenökologe Hansjörg Küster von der Universität Hannover. Der Begriff leitet sich vom althochdeutschen Wort nahtscato ab.

Der Germanist Johann Christian Adelung (1732–1806) erklärte den Namen mit nachts auftretenden, „schädlichen“ Kopfschmerzen, die der Duft der Blüten von Nachtschattengewächsen anrichte. Nach einer anderen Deutung wurden Nachtschattengewächse gegen Albträume eingesetzt. Eines aber tun Nachtschattengewächse: Sie wachsen, wie anderes Grünzeug, dank des Lichts – und nicht im Schatten der Nacht.

Schatten unter den Augen

„Na, ist es mal wieder spät geworden?“, flachst der Kollege im Büro, und ein anderer prostet einem zu, wenn auch ohne Glas. Und tatsächlich kann Alkohol die Augen verschatten. Wenn das Blut durch die Gefäße rings um die Augen langsamer fließt, weil Alkohol im Blut die feinen Äderchen geweitet hat. Zudem verringert Alkohol die Sauerstoffsättigung des Bluts, ähnlich wie Müdigkeit oder Schlafmangel.

War es gestern spät? Wenig Schlaf – und unsere Augen bekommen einen Schatten.
War es gestern spät? Wenig Schlaf – und unsere Augen bekommen einen Schatten. © Getty Images

Durch die dünne Haut unterhalb der Augen fällt der dunklere Farbton von sauerstoffarmem Blut auf. In solchen Fällen kann ein Mittagsschlaf oder ein Spaziergang helfen. Starker Eisenmangel als weitere mögliche Ursache löst sich allerdings auch in frischer Luft nicht auf. Und: Die Schatten können ein Ausdruck von Krankheiten sein, Leber- und Nierenleiden oder Neurodermitis. Und noch einen Verursacher gibt es, der die Haut um die Augen schlaffer werden lässt: das Alter.

Der Kur-Schatten

Kaum jemand, der heute eine mehrwöchige stationäre Heilbehandlung antritt, hört nicht schon im Vorfeld die süffisanten Ratschläge, sich aber „bloß keinen Kurschatten anzulachen“. Zwar heißen die Kuraufenthalte inzwischen recht schnöde „ambulante und stationäre Vorsorge-“ oder auch „Rehabilitationsmaßnahme“, aber die Verlockung während der Auszeit vom Alltag, unter den Mitpatienten nach einem Flirt Ausschau zu halten, ist gleichgeblieben. Der Ruf des Kurschattens hat Einsamen den Aufenthalt versüßt, er hat Ehen gestiftet, aber auch zerstört.

„Kurbekanntschaften gibt es, seit es Badeorte gibt“, sagt die Historikerin Martina Bleymehl-Eiler. „Man verbringt Zeit zusammen, und Gelegenheit macht Liebe.“ Eines aber ist nicht mehr wie früher: „Vor 50 oder 60 Jahren flanierten Kurgäste gerne in feiner Kleidung durch den Kurpark und saßen abends geschniegelt und gebügelt beim Kurkonzert.“ Das dürfte heute doch wesentlich lässiger zugehen.