Oberhausen.. Es gab Stunden im Leben der Frau Jahnke, in der sie die Zeit totschlagen musste. Dann fuhr sie Paternoster im Oberhausener Rathaus. „Bis wir rausgeschmissen wurden“, erinnert sie sich an ihre Schulzeit, wenn sie das Gymnasium schwänzte. Jahrzehnte später steigt die Kabarettistin wieder ein.
Sie genießt es, dass es mit dem Paternoster immer rundgeht. Und sie mal an einem anderen Ort in Oberhausen interviewt wird als auf dem Gasometer, dem sie einst „im Sturmesbrausen“ ein musikalisches Denkmal setzte.
Die Menschen im Rathaus bleiben stehen, wenn sie Frau Jahnke sehen. „Tach, Frau Jahnke!“ Ein Lächeln und auch ein bisschen Stolz steht in den Gesichtern: Frau Jahnke, die ist eine von uns. Die 59-Jährige grüßt zurück, plaudert, schwankt zwischen einem umarmenden Du und einem distanzbringenden Sie. „Frau Jahnke“ – so unterschreibt Frau Jahnke sogar Mails.
Dabei nennen sie heute noch viele: Lisbett. Eine der Figuren, die sie neben Stephanie Überall – als Matta – bei den Missfits spielte: das deutsche Frauenkabarettduo schlechthin. 20 Jahre lang füllten sie zusammen die Hallen, ließen kaum ein gutes Haar am Mann und am Bund der Ehe – und stellten damit so manche gesellschaftliche Norm auf den Kopf.
Noch einmal wie damals bei den Missfits
2005 kam das Missfits-Ende: „Wir haben uns getrennt, als es uns nicht schlecht ging. Wir hätten noch einige Jahre sehr gut unterwegs sein können. Wir haben uns aus privaten Gründen getrennt. Und das sehr im Guten“, sagt sie und fügt mit etwas Wehmut hinzu: „Ich würde gerne noch mal ab und zu in so eine Riesenhalle gehen, mit der Band im Nacken, Matta und Lisbett, das würde bestimmt Spaß machen. Aber das ist eben vorbei. Und es gibt auch kein Comeback und kein Revival.“
„Ich will hier raus!“, ruft Frau Jahnke mit verstellter, weinerlicher Stimme. Sie sitzt im Paternoster fest. Der Techniker des Rathauses, „der Paternoster-Mann“, hat den Aufzug fürs Foto angehalten. Und so ist nur noch Frau Jahnkes Oberkörper zu sehen. „Könnt Ihr mir einen Aschenbecher hinstellen?“, fragt sie und zeigt auf den Linoleumboden vor ihrer Nase, die sie nun rümpft. „Es ist hier echt dreckig.“ Sie wischt den Gedanken weg. Stützt ihren Kopf in der Hand auf und scherzt, dass sie jetzt bestimmt aussehe wie ein Raffael-Engel.
Ein Engel ist sie auch heute noch nicht. Männer sind eben ein teuflisch gutes Thema. „Die Jungs im Publikum wollen es sich mal gepflegt besorgen, also beschimpfen lassen. Ich weiß nicht, warum sie das tun. Das müssen auf jeden Fall humorfähige Männer sein. Was ja erst mal positiv ist. Vielleicht spüren sie, dass ich Männer eigentlich unverzichtbar finde, in der Welt.“ Der Mann an Frau Jahnkes Seite ist ihr Dauer-Verlobter Hajo Sommers, Präsident von Rot-Weiß Oberhausen und Ebertbad-Chef. Auf der Kleinkunstbühne führt Frau Jahnke immer wieder Regie bei Stücken wie „Pommes“, „Dumm gelaufen“ oder „Ganz oder gar nicht“.
Deutschlandweit sieht man sie im Fernsehen, wenn sie ausschließlich mit weiblichen Kolleginnen die „Ladies Night“ zelebriert: „Das Konzept, nur Frauen einzuladen, war ja am Anfang extrem belächelt. Da fiel das Wort: ,Nischensendung’. Wo ich dachte: Eine Nische mit 51 Prozent der Bevölkerung muss man erst mal hinkriegen, aber egal. Dann hat sich das über die Quoten und die Qualität der Künstlerinnen behauptet.“ Seit Oktober ist die WDR-Produktion nun auch in der ARD zu sehen. Darüber ist Frau Jahnke nicht nur glücklich. Kürzlich wurde an einem Abend die Sendezeit verschoben. „Auf 8 nach 12 – Wer guckt so spät am Donnerstagabend Frauenkabarett? Also ich würde das nicht.“
Frau Jahnke lässt sich den Mund nicht verbieten. Und sie wünscht sich das auch für andere Frauen: Sie sollten akzeptieren, dass die Methoden, um weiterzukommen, nicht gerade freundlich seien. Schnell fiele dann das Wort „Stutenbissigkeit“. „Ich glaube, das ist eines dieser Wörter, die dafür gedacht sind, Frauen, die sich durchsetzen, gegenüber Männern und gegenüber Frauen, wieder herabzusetzen. Bei einem Mann würde man sagen: ,Der hat Führungsqualität’.“
„Nass-werden finde ich scheiße.“
Jahnkes Arbeit ist auch Frauenbewegung mit Humor. „Ich wäre nicht so gut auf Demos. Nass-werden finde ich scheiße, Verkloppt-werden finde ich scheiße. Das liegt mir nicht. Aber ich bin gut an dem Platz, wo ich jetzt bin. Künstlerinnen werden in deutschen Medien immer noch untergebuttert, von Veranstaltern nicht wahrgenommen. Da kann ich was tun. Und das macht Spaß. Ich opfere mich ja nicht auf, um Kolleginnen zu featuren.“
Frau Jahnke will raus aus dem Rathaus. Eine rauchen. „Ich bin eine Suchtbrumme. Das sind ja viele Künstler. Man ist nicht umsonst so bekloppt, sich da oben hinzustellen, angucken und kritisieren zu lassen. Die großen Sachen, Heroin und so, sind zum Glück an mir vorbeigegangen“, erinnert sie sich an ihre Jugend und fügt lachend hinzu: „Das war in Oberhausen nicht verfügbar. Wir hatten ja nichts.“ Also hat sie sich eine angezündet. Und ist Paternoster gefahren.